Tesla im Kleinformat

Im Foyer der neuen Firmenzentrale nahe Linz steht ein umgebauter Porsche Panamera der älteren Generation. Allradantrieb und 490 PS wären an sich nichts Besonderes für einen Sportwagen. Doch das Fahrzeug fährt rein elektrisch und hat eine Reichweite von 450 Kilometern. Ähnliche Leistungsdaten für ein Elektroauto sucht man bisher bei deutschen Autoherstellern im Modellprogramm vergeblich. Bei dem umgebauten Einzelstück handelt es sich um ein Vorzeigeobjekt der Firma Kreisel. Das Start-up in der österreichischen Provinz gilt als das europäische Tesla im Kleinformat.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2012. Als der Vater sich sich ein Elektroauto kauft, kommen die Brüder Philipp, Johann und Markus Kreisel zum ersten Mal in Kontakt mit der alternativen Antriebsart – und sind sofort begeistert. "Es war sehr emotional, weil man ein starkes und sehr dynamisches Auto hat, aber nichts davon merkt", erzählt Markus Kreisel, der die kaufmännische Kompetenz in das Team bringt. Philipp ist der Maschinenbautechniker, Johann Elektroniker. Von da an beschäftigen sich die Brüder intensiv mit der Technologie und entwickeln eine Batterie, die eine bis dahin nicht gekannte Leistung erreicht.

Wie Tesla setzen die Kreisel-Brüder dabei auf Rundzellen, während viele andere Hersteller so genannte prismatische oder Pouchzellen bevorzugen. Diese Formen brauchen zwar weniger Platz, leiten aber dafür die Wärme schlechter ab und sind anfälliger für Kurzschlüsse. Der Trick der Kreisel-Brüder: Um eine optimale Betriebstemperatur für die empfindlichen Zellen zu erreichen, erfinden sie ein neuartiges Kühlsystem, in dem sie die Zwischenräume der Zellen mit einer Flüssigkeit umspülen. Das bringt nicht nur eine deutlich höhere Reichweite und eine längere Lebensdauer der Batterien, sondern auch eine höhere Sicherheit. Zudem werden die Zellen mit einem Laser verbunden, sind dadurch robuster und können bei einer Schnellladung 95 Prozent der Kapazität erreichen. Eine Tesla-Batterie schafft nur 80 Prozent.

Statt mit Powerpoint-Präsentationen auf einem USB-Stick durch die Firmenzentralen zu tingeln, setzen die Brüder lieber auf konkrete Projekte. In einer Garage basteln sie an ersten Prototypen, elektrifizieren einen VW Caddy, einen Mercedes Sprinter oder einen Porsche 911. Die enormen Leistungen der Batterien wecken das Medieninteresse, dazu kommt die Story der drei Brüder aus der oberösterreichischen Provinz. "Das war ein perfektes Marketing, damit haben wir die Industrie überzeugt", sagt Markus Kreisel rückblickend. So richtig bekannt werden sie, als der Schauspieler und Kaliforniens Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger eine umgebaute elektrische Mercedes G-Klasse abholt. Für Aufsehen sorgt auch die auf zehn Stück limitierte Auflage eines Porsche 910 aus den 1970er Jahren zum Preis von einer Million Euro, der über 300 Stundenkilometer erreicht, in 2,5 Sekunden auf 100 sprintet und eine elektrische Reichweite von 350 Kilometer hat.

Obwohl in den Medien gerne von den Batterie-Brüdern die Rede ist, hört Markus Kreisel den Begriff nicht gerne. "Uns geht es um Gesamtlösungen, die den CO2-Ausstoß eines Unternehmens reduzieren sollen." Dazu gehören Solarzellen auf dem Dach, ein Batteriespeicher für das Energiemanagement von Firmen und privaten Haushalten sowie eine Ladeinfrastruktur für Flotten, die auf die Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten ist. So berät Kreisel etwa Supermärkte, wie diese aus dem Angebot von Ladesäulen für E-Autos und einem nachhaltigen Energiemanagement ein Geschäftsmodell machen können, an dem es heute oft noch fehlt.

Bei den Elektroantrieben sei man vor allem auf Kleinserien und Speziallösungen fokussiert. Markus Kreisel verweist auf das aktuelle Projekt für einen Müllwagenflotte. Dabei geht es nicht nur um die Elektrifizierung des Antriebs, sondern auch um das Pressen des Mülls, das bisher über ein Dieselaggregat erfolgte. So könnten 30 Liter Diesel pro Tag und Fahrzeug gespart werden. Aber auch Bagger, Traktoren oder Boote bekommen von den Tüftlern einen Elektroantrieb verpasst. "Das können wir in der Produktion perfekt darstellen, nicht aber eine Großserie", so Markus Kreisel. Werden die Volumen zu groß, wird die Produktion an einen Partner in der Industrie ausgelagert.

Das rasante Wachstum der vergangenen fünf Jahre gipfelt im September 2017 im Umzug in das neue Firmengebäude, das in Form des eigenen dreiteiligen Logos angelegt und in die Bereiche Verwaltung, Prototypenbau und Produktion aufgeteilt ist. Gleichzeitig dient die Zentrale mit eigenem Wellnessbereich für die Mitarbeiter auf dem Dach auch als Ausstellungsstück in Sachen Energiemanagement. Eine Solaranlage auf dem Dach, große Batteriespeicher und eine Fülle von Ladestationen für E-Autos vor dem Haus sollen Kunden vor Augen führen, wie ein nachhaltiges Energiemanagement für Unternehmen möglich ist.

Inzwischen hat sich die Geschichte herumgesprochen, das Interesse ist nicht nur bei den Medien groß. "Wir bekommen etwa 15 Initiativbewerbungen pro Tag", sagt Markus Kreisel. Dadurch sei es kein Problem, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Die Firmenzentrale war eigentlich für 40 Mitarbeiter ausgelegt, die das Unternehmen bis Ende 2017 haben sollte. Doch die Planungen sind schon längst wieder überholt. Ein Teil des Gebäudes musste noch während des Baus in zusätzliche Büros umgewandelt werden. Derzeit arbeiten 90 Beschäftigte bei Kreisel. "Der Bedarf ist riesig, es müsste viel mehr Firmen geben wie uns", sagt Markus Kreisel. Solche Erfolgsgeschichten rufen in der Regel auch Investoren aus der Auto- und Zuliefererbranche auf den Plan, die sich derzeit mit Knowhow für das Zeitalter der Elektromobilität eindecken müssen. Doch Markus Kreisel denkt nicht an einen Verkauf. "Wir wollen auf absehbare Zeit eigenständig bleiben."

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