Porsche ist besser als andere Autobauer aus der Krise gekommen. Dennoch wird es ein schwieriges Jahr für den Sportwagenbauer. Trotz Einsparungen eines dreistelligen Millionenbetrags ist die strategische Rendite von 15 Prozent in diesem Jahr keineswegs gesichert.
Herr Meschke, wie ist das zweite Quartal bei Porsche gelaufen?
Die konkreten Zahlen legen wir erst noch vor, aber in Summe können wir ganz zufrieden sein. Natürlich hat auch uns die Coronakrise getroffen und in den USA und Europa im April zu zweistelligen Rückgängen geführt. Aber in China und in weiteren asiatischen Märkten läuft es ja schon seit einigen Monaten wieder gut. Und im Juni haben wir sowohl bei den Auslieferungen als auch bei den Auftragseingängen eine deutliche Erholung gesehen. Das stimmt uns zuversichtlich – gerade wenn man bedenkt, wie auch andere Hersteller zu kämpfen haben.
Was erwarten Sie für den Rest des Jahres?
Im Moment sind wir optimistisch, dass wir die Dellen von März, April und Mai teilweise kompensieren können. Aber das gilt natürlich nur, wenn es keine weiteren Rückschläge durch das Corona-Virus gibt. Wir sehen ja schon in manchen Ländern eine zweite Welle an Infektionen. Davon hängt letztlich ab, wie das zweite Halbjahr wird.
Welchen Einfluss haben die Konjunkturprogramme?
Wir sehen diese breit angelegten Pakete extrem positiv, weil Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt wieder in Schwung kommen müssen. Im Fall der diskutierten EU-Programme geht es neben einer schnellen Entscheidung auch um eine schnelle Umsetzung der benötigten Programme. Es ist dabei auch wichtig, dass wir in unserer Volkswirtschaft wieder eine breite Zuversicht bekommen. Deswegen war es gut, sich auf verschiedene Branchen in der Breite zu konzentrieren. Letztlich geht es darum, dass die Arbeitnehmer und Kleinunternehmer keine Existenzsorgen haben müssen, sonst helfen Kaufanreize nichts.
Wie ist denn die Situation bei Porsche, läuft die Produktion wieder voll?
Tatsächlich haben wir die Produktion über alle Modelle hinweg hochgefahren und müssen zum Teil wie beim Taycan Sonderschichten fahren, um bei den Auslieferungen aufzuholen. Das hat auch die Grundstimmung in der Mannschaft positiv beeinflusst, weil die Nachfrage wieder da ist.
Was haben Sie denn aus der Corona-Krise gelernt?
Aus der Corona-Krise ziehen wir Lehren für den Normalmodus: Wir haben gesehen, wie gut das mobile Arbeiten funktioniert und wie viel Geld man sparen kann, wenn zahlreiche Reisen entfallen. Auch eine Bilanzpressekonferenz oder die Vorstellung eines Derivats haben bei uns virtuell gut funktioniert. Diese Möglichkeiten wollen wir künftig nutzen, auch wenn uns der persönliche Kontakt natürlich sehr wichtig ist. Das mobile Arbeiten kann auch Folgen für die Infrastruktur haben, denn ich muss nicht mehr 100 Prozent der Arbeitsplätze vorhalten.
Lässt sich beziffern, was Porsche dadurch einsparen kann?
Wir haben sicher einen dreistelligen Millionenbetrag geholt bei Reisen, Investitionen in Sachkosten wie Büroausstattung, bei Beratungsleistungen oder Veranstaltungen, Aber man muss auch sehen, was tatsächlich nachhaltig ist. Wenn wir bei den Reisen die Hälfte einsparen könnten, wäre das ein signifikanter zweistelliger Millionenbetrag. Die Kosten für die Gestaltung der neuen Arbeitswelten könnten wir im Hinblick auf IT-Ausstattung und Räumlichkeiten dadurch kompensieren, dass wir in Zukunft weniger brauchen und mehr mobil arbeiten. Aber das besprechen wir jetzt erst einmal mit den Arbeitnehmervertretern.
Sie haben ja ein Effizienzprogramm bis 2025 aufgelegt, das sechs Milliarden bringen soll. Wird das reichen?
Porsche ist grundsätzlich sehr schlank aufgestellt. Die Mitarbeiter haben daher Verständnis dafür, dass wir in der Corona-Krise nochmals auf die Bremse getreten sind bei allen Ausgaben, die nicht zwingend notwendig waren. Bei den Zukunftsthemen wie Elektromobilität und Digitalisierung bleiben wir aber auf dem Gas. Da haben wir uns 15 Milliarden Euro an Investitionen bis 2024 vorgenommen. Gerade Corona hat gezeigt, wie wichtig das ist.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie unsere Online-Verkaufsthemen. Da waren die Kunden am Anfang noch zurückhaltend. In den vergangenen Monaten ging die Kurve steil nach oben. Wir wollen die Möglichkeiten für Online-Sales in Europa zügig ausweiten und die Einführung in den USA so schnell wie möglich schaffen. Die Digitalisierung der Finanzdienstleistungen haben wir deshalb auch vorgezogen. Für das Tempo muss man auch Verständnis bei den Mitarbeitern wecken. Aber wenn man die Schritte transparent erklärt, funktioniert das auch.
Gibt es denn vom VW-Konzern Vorgaben für weitere Einsparungen?
Wir haben ja nicht die ganz großen Stückzahlen, also ist das auch nicht der große Hebel. Wir helfen dem Konzern am meisten durch eine gute Profitabilität. Das wird auch in Wolfsburg so gesehen. Alle haben ein Interesse, das wir unser Geschäftsmodell möglichst unbehelligt umsetzen können.
Im VW-Konzern herrscht eine große Unruhe, fast tägliche Personalwechsel verdeutlichen dies. Beeinflusst das auch Porsche?
Uns beeinflusst das nicht, auch wenn wir es natürlich mitbekommen. Die operative Aufstellung von Porsche etwa in den Kooperationen mit Audi bei der PPE oder in der Car.Software.org ist davon nicht unmittelbar betroffen.
Der weltweite Automobilmarkt wird nicht mehr so stark wachsen wie einst prognostiziert. Müssen auch Sie ihre Wachstumspläne korrigieren?
Die Automobilindustrie insgesamt befindet sich in der größten Transformation ihrer Geschichte. Die Weltwirtschaft wird volatiler - und die Coronakrise verschärft die Situation zusätzlich. Spurlos geht das an Porsche nicht vorbei. Die ganze Mannschaft gibt jetzt alles, dass wir am Ende des Jahres trotz allem eine zweistellige operative Umsatzrendite erreichen.
Werden es in fünf Jahren mehr oder weniger Mitarbeiter bei Porsche sein?
Wir sind in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen. In den kommenden Jahren werden wir nun umbauen statt aufbauen. Wenn ich sehe, was mit den neuen Technologien an Automatisierung möglich ist, ergeben sich für bestimmte Gruppen der Beschäftigte neue Aufgaben. Beispielsweise stimmen die Fähigkeiten einer heutigen IT-Abteilung sicher nicht mit dem Bedarf für 2030 überein. Wichtig ist, mit dem Thema offen umzugehen und Lösungsmöglichkeiten zu finden. Über Schulungen, Weiterbildung, Qualifizierung in Themen wie Künstliche Intelligenz und Coding. Das läuft zum Teil jetzt schon.
Wo brauchen Sie denn mehr Leute?
Elektrifizierung, Konnektivität, Digitalisierung und automatisierte Mobilität werden weiter an Gewicht gewinnen. Das heutige Modell des Fahrzeugabsatzes wird kaum noch rentabel sein, wenn ich das Thema Digitalisierung nicht völlig anders bedienen kann. Diese Fragen diskutieren wir und müssen die Mannschaft entsprechend formen.
Mit der Car.Software.org will der VW-Konzern ja ein eigenes Betriebssystem aufbauen. Wie wichtig ist das für Porsche?
Das Betriebssystem ist lebensnotwendig, sonst spielen Sie als Autobauer in fünf Jahren keine Rolle mehr und sind nur noch Blechlieferant. Das Geld wird künftig auch im Software-Bereich gemacht. Deshalb brauchen wir ein System, das im ganzen Konzern und in Teilen wie dem Infotainment auch darüber hinaus funktionieren muss, damit sich Tech-Unternehmen wie Google, Apple oder große chinesische Tech-Player anschließen können.
Wie ist Porsche da involviert?
Mit der Car Software Organisation bündeln Porsche, Audi und die VW-Marke ihre Software-Kompetenz. Die Einheit ist in fünf Domänen aufgeteilt. Eine davon ist Antrieb, Fahrwerk, Energiemanagement und Laden. Cayenne-Baureihen-Leiter Manfred Harrer leitet diese Domäne und den Stuttgarter Standort.
Warum bekommen das die großen deutschen Hersteller nicht gemeinsam hin?
Weil man immer noch den Glauben hat, mit den Daten der Kunden neue Geschäftsmodelle zu generieren. Das funktioniert nur, wenn die Datenmenge wirklich sehr, sehr groß ist. Ich muss mir also schon überlegen, mit welchen Daten genau ich ein neues Standbein aufbauen kann.
Warum haben die Autobauer so spät reagiert?
Natürlich arbeiten wir im Konzern schon seit Jahren an neuen Elektronikarchitekturen. Aber die Interessen sind unterschiedlich zwischen den Marken, weil es von den Kunden auch unterschiedliche Anforderungsprofile gibt – etwa bei der Bereitschaft, für solche Dienste auch zu bezahlen. Aber es wurde lange unterschätzt, wie wichtig das ist. Es kann der Sargnagel sein, deshalb gehen wir es konzentriert an.
Tesla kann das schon lange...
Richtig ist, dass Tesla nicht nur eine sehr starke Marktkapitalisierung hat, sondern auch eine Tech-Größe ist. Vor zwei Jahren noch ging es in den deutschen Vorstandsetagen meist nur darum, dass sie Industrialisierung nicht können und wie lange Tesla wohl noch überlebt. Da haben sich die Gewichte verschoben. Wir haben uns zu lange auf der klassischen Automobiltechnologie ausgeruht und zu spät bei der Digitalisierung Prioritäten gesetzt.
Sie haben sich mit Rimac verbündet, einem anderen E-Mobilitäts-Start-up. Gibt es konkrete Projekte?
Rimac ist bereits Serienlieferant für ein Ersatzmodul unserer Plug-In-Hybride. Ihr Ziel war es ja, zu einem TIER1-Zulieferer zu werden. Aber natürlich läuft auch viel in Richtung Batterie und Antriebstechnologie für andere Premium-Sportwagenmarken. Gerade bei den Technologie-Kooperationen geht es schnell voran. Auch das Thema Digitalisierung im Entwicklungs- und Produktionsprozess ist dort weit vorangeschritten. Wir haben ja nicht ohne Grund investiert.
Sie wollten mit Boeing ein Flugtaxi entwickeln. Bleibt dieses Ziel trotz Corona-Krise bestehen?
Die Mobilität wird in den Städten in Zukunft anders aussehen – ob das nun autonomes Fahren oder über Infrastruktur gesteuerte Mobilität ist. Die dritte Dimension ist sicher ein Ansatzpunkt von Porsche zusammen mit großen Partnern wie Boeing. Dafür braucht es eine Plattform, auf die wir unsere eigenen Ideen aufsetzen können. Das Thema hat sich durch die Corona-Krise etwas verlangsamt, aber beerdigt ist es sicher nicht.
Sie sind zukünftig bei der Porsche SE für die Beteiligungen zuständig. Wie kam das?
Ich fühle mich durch die Ernennung des Aufsichtsrats der Porsche SE wertgeschätzt und bin gerade dabei, mich in die spannende Materie einzuarbeiten.
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