So wird der neue Vierer zum Kondensat der BMW-Werte

Der Dreier mag wichtig sein für die Profite und der Siebener fürs Prestige, aber kein Auto steht in der BMW-Palette so sehr für die gepflegte Freude am Fahren wie das Vierer Coupé. Obwohl der Zweitürer im Absatz längst vom Gran Coupé überholt wurde, macht er deshalb jetzt wieder den Anfang beim Generationswechsel und soll in diesen Tagen zu Preisen ab 45.800 Euro zum Dreier für Draufgänger werden.

Für einen Aufpreis von rund 5000 Euro gibt es deshalb ein Auto, das zwar die gleiche Plattform nutzt, auf die gleichen Aggregate setzt und auch bei Ausstattung und Ambiente keine nennenswerten Unterscheide macht, das aber schnittiger aussieht und sportlicher fährt. Schließlich ist das Coupé ist nicht nur knapp sechs Zentimeter flacher als die Limousine und hat deshalb einen zwei Zentimeter niedrigeren Schwerpunkt. Sondern es leistet sich hinten eine um gute zwei Zentimeter verbreiterte Spur, vorne einen größeren Sturz und reihum ein paar zusätzliche Streben, die den Aufbau versteifen und auch bei strammer Fahrt auf schlechten Straßen eine segensreiche Ruhe in den Wagen bringen.

Das Ergebnis dieses Eigensinns ist ein Fahrverhalten, wie es diesseits der Werkstunerkein anderes Auto in der Klassebietet. Präzise, aufgeweckt und agil und dabei trotzdem so gelassen, dass der Fahrer bei allem Engagement noch immer entspannt bleibt. Und dafür muss man den Vierer erst in den Grenzbereich führen. Sondern selbst bei 60, 70 Sachen im dritten, vierten Gang liegt der Vierer besser in der Hand, reagiert feinfühliger auf Lenkung, Gas und Fahrbahn und wirkt so belebend wie ein Schluck Espresso am Morgen. Und wer einen extra Schuss Koffein braucht, der zieht einfach eine Sekunde lang an der linken Schaltwippe hinter dem Lenkrad. Dann aktiviert die Elektronik den neuenSprint-Mode, wechselt sofort ins sportlichste Fahrprofil und schärft auf Anhieb die Sinne.

Dann schaltet das Getriebe in den kleinstmöglichen Gang und erlaubt so diemaximale Beschleunigung– und die macht einen so richtig wach. Erst recht, wenn man im vorläufigen Top-ModellM440iunterwegs ist. Der holt aus seinem drei Liter großen Reihensechszylinder nun374 PSund bis zu 500 Nm und stopft den letzten Rest von Turboloch mit einem elektrischen Starter-Generator: Fast so unvermittelt wie bei einem Elektroauto kommt deshalb beim Kickdown ein Schub, der den Wagen in4,5 Sekunden auf Tempo 100katapultiert und nur deshalb bei 250 km/h schon wieder endet, weil die richtige Raserei demM4vorbehalten bleibt, der bereits mit bis zu510 PSin den Startlöchern scharrt. Als Unterbau gibt's für den Vierer zum Start noch zwei ausschließlich als Hecktriebler lieferbareVierzylinder-Benzinerim 420i mit 184 und im 430i mit 258 PS sowie als vorerst einzigenDieselden 420d mit Heck- oder Allradantrieb und 190 PS. Im Frühjahr reicht BMW dann noch zwei Reihensechser für den Öltanker nach: Den 430d und den M440d – beide als xDrive mit 286 und 340 PS.

Wo der Dreier oft nur als vornehmes Transportmittel genutzt wird, wird der Vierer so zu einem buchstäblich bewegenden Auto und selbst auf alltäglichen Strecken der Weg zum Ziel. Aber so sehr sich Dreier und Vierer beim Aussehen und bei der Abstimmung unterscheiden werden, so nahe sind sie sich beim Ambiente und bei den Antrieben. Klar, vorn sitzt man ein bisschen tiefer, die Polster liegen etwas enger an und natürlich gibt es wieder einen Gurtbringer.

Und auf der nur für zwei Passagiere freigegebenen Rückbank geht es zumindest bis zumDebüt von Cabrio und GranCoupéein bisschen bescheidener zu, was die Zielgruppe der bärtigen Hipster vom oberen Ende der Gehaltstabelle angeblich nicht stört, weil sie in der Regel ohnehinkeine Kinderhaben. Doch das Cockpit mit den digitalen Anzeigen und demgroßen Touchscreendaneben ist genauso vertraut wie das Bediensystem mit einer ziemlich natürlichenSpracheingabeund der – nun ja – etwas verspieltenGestensteuerungsowie das große Heer der Assistenten, dieaktiv in Längs- und Querführung eingreifen.

Der Vierer bedient aber nicht nur bei der Freude am Fahren alle Erwartungen und wird so zumKondensat der Markenwerte. Sondern auch seinDesignfolgt all jenen Tugenden, die man BMW und seinen Kunden nachsagt. Denn im Bemühen, den Vierer stärker denn je vom Dreier abzurücken, haben ihm die Bayern einen fast schonbis zur Karikatur überzeichneten Grillins Gesicht gedrückt. Und so oft die Designer auch an die Tradition erinnern und vergilbte Fotos von Modellen wie dem 328i oder dem 3.0 CSi aus dem Archiv kramen, wirkt die Front des Vierers auf mache wie eine Persiflage. Ganz so weit wollen sie bei BMW natürlich nicht gehen, doch mit dem Vorwurf derProvokationkönnen sie in München offenbar ganz gut leben. Denn auch das gehört zum Wesen ihrer Wagen. Und je irritierender der Eindruck im Rückspiegel des Vordermanns ist, desto schneller macht der dem Vierer ganz ohne Blinker und Lichthupe die Spur frei – und kann sich zum Glück danach an einem um sogelungeneren Heckergötzen.

Rasend schnell, messerscharf unddynamischer als alles, was aus Ingolstadt oder Stuttgart kommt, und dabei so provozierend wie der Blech gewordene Mittelfinger – so wird der Vierer tatsächlich zum Inbegriff des BMW. Und mag er den anderen noch so sehr an die Nieren gehen, er trifft beim Fahrer auf Anhieb ins Herz.

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