So verändert der Taycan Porsche

Bevor es in die Pilotproduktion des Porsche Taycan in Zuffenhausen geht, müssen die Journalisten ihre Handykameras abkleben und später ganz ausschalten. Noch ist die Fertigung streng geheim. Kein Bild des neuen Elektrosportwagens soll nach außen dringen. Obwohl es bis zur Markteinführung noch bis Ende 2019 dauert, laufen die Vorbereitung für das neue Modell auf Hochtouren. Und schon jetzt ist klar: Nur die Markenikone 911 war für die Entwicklung des Unternehmens von vergleichbarer Bedeutung.

Wo noch vor gut drei Jahren der 918 Spyder im Manufakturbetrieb gefertigt wurde, proben nun rund 100 Porsche-Mitarbeiter den Ernstfall. Auf dem blanken Boden stehen mehrere fahrerlose Transportsysteme (FTS). Auf ihnen thronen die Karosserien, die wie von Geisterhand durch den Raum bewegt werden. Anders als die Studie Mission E bekommt die Serienversion aus Sicherheitsgründen eine B-Säule. Und auf die digitalen Außenspiegel hat das Unternehmen wegen fehlender Genehmigungen in manchen Ländern ebenfalls verzichtet. Ansonsten aber verraten die in knalligem Orange, Schwarz und Weiß lackierten Karosserien bereits, wie der Taycan auf der Straße aussehen wird.

Über einen Roboter wird das schwere Cockpit ins Innere des Fahrzeugs eingeschwenkt und muss nur noch fixiert werden. Ein paar Stationen später befestigen Mitarbeiter die Front mit wenigen Handgriffen. Die Pilotproduktion erinnert weniger an eine klassische Fahrzeugmontage als an einen Baukasten von Lego. Mit dem Taycan verabschiedet sich Porsche vom klassischen, fest installierten Fließband. Laut Produktionschef Albrecht Reimold ist Porsche der erste Hersteller, der dieses fließende System einsetzt. Der Vorteil ist die Flexibilität. Müssen die Porsche-Beschäftigten komplizierte Arbeitsschritte ausführen, so können die FTS langsamer fahren und später die Geschwindigkeit wieder erhöhen, um sich einzureihen. Macht ein Derivat eine geänderte Linienführung in der Halle notwendig, so sind dafür im Gegensatz zu früher keine aufwendigen Umbauten mehr notwendig.

Zwar nennt Porsche keine konkreten Zahlen, doch lässt Reimold durchblicken, dass die Produktivität im Vergleich zu den Zweitürern in Zuffenhausen, von denen 250 Stück pro Tag das Band verlassen, nochmals deutlich gestiegen ist. Auf 20.000 Einheiten ist der Taycan zunächst angelegt. Doch Albrecht Reimold deutet an, dass Porsche bereits jetzt mit einer höheren Nachfrage rechnet. So lässt sich allein durch die Umstellung von zwei auf drei Schichten pro Tag die Kapazität um ein Drittel erhöhen. Doch damit ist das Ende der Fahnenstange längst nicht erreicht. Reimold zieht Parallelen zum Porsche Macan, der einst in Leipzig mit einer jährlichen Kapazität von 40.000 Stück kalkuliert war. Heute produziert Porsche fast 100.000 Stück des Bestsellers.

Der Taycan bedeutet für Porsche einen immensen Kraftakt. Denn anders als in Leipzig entsteht die Produktion nicht auf der grünen Wiese, sondern mitten am Stammsitz in Zuffenhausen, einer über Jahrzehnte gewachsenen Infrastruktur, die zudem von Anwohnern umgeben ist. Karosseriebau, Lackiererei und Montage wurden während des laufenden Produktionsbetriebs innerhalb von 18 Monaten hochgezogen und sind fast fertig. Der Bauschutt der abgerissenen Bauten wurde teils an Ort und Stelle wiederverwertet, um die Belastungen für die Anwohner durch Transporte so gering wie möglich zu halten. "Ich habe in meiner Laufbahn schon viele anspruchsvolle Projekte geleitet, aber das ist mit Abstand das anspruchsvollste", so Reimold. So müssen die lackierten Karosserien beispielsweise über ein 900 Meter langes Förderband zur neuen Montagehalle gebracht werden.

Das neue Modell schafft 1200 neue Arbeitsplätze bei Porsche. Die Hälfte davon kommt aus dem eigenen Unternehmen und wird für die neue Aufgabe qualifiziert. Darunter sind auch VW-Mitarbeiter, die aus dem schlecht ausgelasteten Passat-Werk in Emden (Ostfriesland) nach Stuttgart wechseln wollten. Die viel diskutierten Stellenverluste durch die geringeren Arbeitsumfänge beim Bau eines E-Autos sieht Personalvorstand Andreas Haffner dabei nicht. Die Zahl der Jobs entspreche etwa derjenigen, die einst für den Anlauf des Macans in Leipzig benötigt worden sei. Damit sieht sich Porsche bestens gerüstet für die Zukunft. "Wir haben mit dem Dreiklang aus Verbrenner, Hybrid und Elektrofahrzeugen eigentlich ein sehr, sehr gutes Portfolio, mit dem wir zumindest die nächsten zehn Jahre eigentlich nicht in den Personalabbau müssen", so Haffner.

Zusätzlich entstehen bei vielen Zulieferern Arbeitsplätze, da die Fertigungstiefe bei Porsche traditionell sehr gering ist. So wird beispielsweise Dräxlmaier das leistungsstarke 800-Volt-Gesamtbatteriesystem im benachbarten Sachsenheim montieren. Ein Problem seien die fehlenden Wohnungen in der Metropolregion Stuttgart, sagt Personalvorstand Haffner. So sei es äußerst schwierig, die neuen Mitarbeiter unterzubringen. Porsche wolle zwar nicht in den Bau von Werkswohnungen einsteigen. Doch in Verhandlungen mit Bürgermeistern umliegender Gemeinden habe man zumindest erreichen können, dass Bauland schneller zur Verfügung stehe, damit die neuen Beschäftigten auch in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen könnten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern sorgt sich Porsche bei der Umstellung auf die Elektromobilität auch nicht um die Rendite, obwohl die Kosten für ein Auto wegen der teureren Batterien deutlich höher sind als beim Verbrenner. Porsche-Finanzchef Lutz Meschke rechnet damit, dass auch mit dem Taycan die Marge bei mindestens 15 Prozent gehalten werden kann. Zuletzt schaffte Porsche sogar fast 18 Prozent. Offiziell ist zwar noch kein Preis bekannt, doch der Taycan dürfte in der Basisversion um die 100.000 Euro kosten. "Wir werden aber natürlich auch spezielle Pakete anbieten, mit denen wir dann zwischen 150.000 und 200.000 Euro liegen", kündigte Meschke an.

Bis 2025 sollen mehr als die Hälfte der neu zugelassenen Porsche-Modelle mit Elektroantrieb unterwegs sein. Meschke sagte, er könne sich auch vorstellen, dass der Anteil höher liege. Porsche investiert in den nächsten Jahren rund sechs Milliarden Euro in die Elektromobilität. Dazu zählt auch ein Ladenetz für den Taycan, das Porsche über das Gemeinschaftsunternehmen Ionity mit anderen Autoherstellern entlang der Hauptverkehrsachsen in Europa aufbauen wird. 2000 Ladepunkte sollen zudem an Hotels und anderen touristischen Zielen entstehen, die von Porsche-Fahrern gerne angesteuert werden.

Damit nicht genug: Die Anstrengungen für Dienstleistungen rund um die Mobilität sollen deutlich steigen. Denn Meschke geht davon aus, dass in den dicht besiedelten Metropolen der Welt bald nicht mehr so viele Autos fahren werden und stattdessen Robotaxis übernehmen. „Mittelfristig will ich ein Drittel des Umsatzes aus digitalen Services erzielen“, kündigte Meschke an. Daher müsse das Budget angepasst werden und einen höheren Anteil am Etat für Forschung und Entwicklung ausmachen. Dieser liegt derzeit bei rund 2,5 Milliarden Euro. „Von aktuell 500 Millionen Euro wird das IT-Budget hochlaufen auf 700 Millionen bis eine Milliarde Euro.“

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