Sieben Gründe, warum Mercedes derzeit uneinholbar ist

Der Lauf von Mercedes hält an. Seit Jahresbeginn hat die Marke mit dem Stern den Absatz allen Unkenrufen zum Trotz im Vergleich zum Vorjahr um satte 14 Prozent auf rund 568.000 Einheiten gesteigert. Der Konzernumsatz stieg um 11 Prozent auf 38,8 Milliarden Euro, das Ebit um sagenhafte 87 Prozent auf 4 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis hat sich gegenüber dem Vorjahr auf 2,8 Milliarden verdoppelt.

Für die Wettbewerber aus München und Ingolstadt wird es schwierig, den Anschluss zu halten. Für den Erfolg von Mercedes gibt es viele Gründe, von denen hier sieben stellvertretend aufgezählt werden sollen.

Früher waren die Hersteller extrem von den Modellzyklen der Fahrzeuge abhängig. Wechsel bei einem Volumenfahrzeug wie etwa der C-Klasse rissen schnell Lücken in die Absatzbilanz. Weil Mercedes inzwischen 33 Modelle auf den Straßen hat, ist immer irgendwo Premiere – auch wenn es sich vielleicht nur um Varianten für Liebhaber handelt. Die Spreizung des Portfolios aber hält die Flotte jung und attraktiv. Wer ein brandneues Modell haben will, der findet in der Regel auch eines. BMW und Audi haben ebenfalls begonnen, jede Nische zu besetzen. In den nächsten Jahren wird das Durchschnittsalter ihrer Modellpalette deutlich sinken.

In Genf wurde zwar nur ein Facelift des GLA gezeigt, doch auch bei den SUV hat Daimler-Chef Dieter Zetsche frühzeitig erkannt, wohin die Reise geht. So ziemlich jeder Baureihe ist auch mindestens ein Geländewagen zugeordnet. Auch die B-Klasse, eine der letzten Lücken, soll 2018 ein SUV zur Seite gestellt bekommen. Der Absatz der Stadtgeländewagen mit dem Stern stieg 2016 auf 706.170 Einheiten, ein Plus von 34,3 Prozent. Nie zuvor wurden so viele Fahrzeuge des GLA, GLC, GLC Coupé, GLE, GLE Coupé, GLS und der G-Klasse an Kunden ausgeliefert. Zwar haben auch BMW und Audi ihr Programm konsequent ausgebaut, treffen aber offenbar nicht im gleichen Maß den Nerv der Kundschaft. So verkaufte sich im vergangenen Jahr allein der GLC von Mercedes 250.000-mal.

Während Audi gerade massive Probleme mit seinen Händlern in China hat und BMW die Verkäufe immer wieder mit Rabatten ankurbelt, läuft es für Mercedes dort schon seit Jahren wie geschmiert. Das liegt auch an China-Vorstand Hubertus Troska und seinem Vertriebs-Statthalter Nicholas Speeks, die ihre Händler und den Markt insgesamt offenbar gut im Griff haben. Viele Beobachter haben für dieses Jahr nach den enormen Wachstumsraten und einem bereits relativ großen Volumen mit einem deutlichen Abflauen gerechnet. Doch davon ist – auch dank der neuen E-Klasse – nichts zu spüren. Mit über 95.000 Einheiten wurden in den ersten zwei Monaten 40 Prozent mehr Autos verkauft als im Vorjahr. Mit dieser Dynamik können weder BMW noch Audi mithalten. Das gilt etwa auch für die USA, wo Daimler entgegen dem Trend in diesem Jahr zulegen kann.

Kein anderer deutscher Hersteller hat die Zukunftsthemen mit seiner CASE-Strategie wohl in der Breite so konsequent besetzt wie Mercedes – auch wenn BMW mit ähnlichen Begriffen operiert. Beim autonomen Fahren gelten die Schwaben als einer der großen Technologietreiber weltweit. Mit der Elektromarke EQ ist man bei einem Start 2019 zwar spät dran, hat aber zumindest gezeigt, dass man es ernst meint mit dem Elektrozeitalter. Bei der Vernetzung mag BMW mit seinem neuen Fünfer eine Armlänge voraus sein. Doch Mercedes holt auf und füllt seine Plattform Mercedes Me endlich mit Leben. Am deutlichsten wird der Abstand bei mobilen Diensten. Ob Car2go, Croove oder MyTaxi. Wo immer sich auf dem Markt etwas tut, ist Daimler mit dabei. Das muss nicht immer gleich den großen Umsatz bringen, ist aber gut fürs Image einer modernen Marke. Und es bringt dem Konzern Kunden, die es vorher so nicht gegeben hätte.

Ende vergangenen Jahres hat Daimler-Chef Dieter Zetsche Chefdesigner Gordon Wagener befördert und zum Executive Vice President ernannt. "Der weltweite Absatzerfolg unserer Fahrzeuge basiert letztendlich auch auf ihrem herausragenden Design", begründete Daimler-Chef Dieter Zetsche die Entscheidung. Unter Wageners Einfluss hat Mercedes einen Wandel zu deutlich sportlicheren und dynamischeren Formen vollzogen, der von den Kunden weltweit positiv aufgenommen worden ist. Auch der Innenraum wurde aufgewertet, soll ein Gefühl von "Modern Luxury" vermitteln, gegen das ein Audi oder BMW zuweilen recht bieder wirkt. Bei Audi wird es noch ein wenig dauern, bis sich die deutlich markantere Handschrift von Marc Lichte bemerkbar machen wird.

Es ist nicht nur die Krawatte, die bei den Daimler-Managern in diesen Tagen immer seltener zu sehen ist. Tatsächlich hat es Dieter Zetsche geschafft, mit dem eingeläuteten Kulturwandel bei den Mitarbeitern eine Art Aufbruchstimmung zu erzeugen. Zwar wird aus einem Konzern mit 285.000 Mitarbeitern kein Startup werden. Doch wichtig ist, dass Themen auch in kleinen Einheiten und flacheren Hierarchien bearbeitet werden können, wann immer dies gefordert ist. Ein Beispiel dafür ist die Strategieeinheit CASE, die laut Entwicklungschef Ola Källenius wie ein kleines Raumschiff unabhängig vom Mutterschiff agieren kann und mit einem eigenen Budget ausgestattet ist. So sollen Ideen deutlich schneller auf die Straße kommen als bisher. Die neue Leichtigkeit strahlt auf die Marke aus, während etwa Audi derzeit vor allem mit der Aufarbeitung des Diesel-Skandals beschäftigt ist.

Erfolg macht sexy. Und vermutlich ist der Effekt nicht zu unterschätzen, dass Kunden gerne bei der amtierenden Nummer eins einkaufen, zumal der Konzern auch nach außen hin ein gutes Bild abgibt. Auch beim jüngeren Publikum gilt die Marke als cool. Daimler-Chef Dieter Zetsche muss sich vorerst um die Führungsposition keine Sorgen machen. Wie groß das Selbstbewusstsein inzwischen ist, demonstrierte der Konzern-Lenker bereits auf der Jahrespressekonferenz. Dort bekräftigte er den Anspruch, auch nach 2020 die Nummer eins bleiben zu wollen. Dies sei kein Selbstzweck, sondern zahle unmittelbar auf den Wert der Marke ein. Wie gesagt – Erfolg macht sexy.