Die größte Gefahr für Ola Källenius in seinem ersten Amtsjahr dürften aber die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein, die das Unternehmen nur bedingt beeinflussen kann. Noch immer schwebt beispielsweise das Damoklesschwert von höheren Importzöllen der USA auf deutsche Autos über den Köpfen der Hersteller.
Zwar haben Dieter Zetsche für Mercedes, Herbert Diess für Volkswagen und Nicolas Peter für BMW versucht, bei ihrem Besuch in Washington gut Wetter zu machen und auf die vielen Jobs hinzuweisen, die Daimler, BMW oder VW in Amerika geschaffen haben. Ob dies den sprunghaften Präsidenten milde stimmen kann, ist noch offen.
Zum 1. September wartet in Europa bereits die nächste Verschärfung der Abgasvorschriften. Dann müssen alle neu zugelassenen Fahrzeuge die strengere 6d-temp-Norm erfüllen, deren Nachweis beim so genannten RDE-Test erstmals auch auf der Straße erfolgen muss.
Zwar hat sich Daimler bei der Zertifizierung in diesem Jahr schon auf die nächsthöhere Stufe eingestellt. Da die Prüfstandskapazitäten für die Fülle der Motor- und Getriebevarianten aber nach wie vor knapp sind, sind auch hier erneute Angebotslücken bei einzelnen Modellen nicht ausgeschlossen.
Die EU hat mit der Vorgabe der CO2-Reduzierung von 2021 bis 2030 um 37,5 Prozent ein klares Zeichen gesetzt. Källenius wird deshalb hinterfragen müssen, ob die bisherige Elektro-Strategie aufgeht oder nicht eine deutliche Ausweitung notwendig ist. Wenn Daimler gezwungen ist, mehr Autos mit Elektroantrieb in den Markt zu bringen, dann könnte dies zu einer geringeren Marge führen, da Batterien im Vergleich zu Verbrennungsmotoren noch teurer sind.
Für Unsicherheit sorgt nach wie vor die Dieselkrise. Die zahlreichen Rückrufaktionen für Software-Updates haben das Unternehmen schon viele Hundert Millionen Euro gekostet. Die fortwährenden Diskussionen um Fahrverbote führen zu Kaufzurückhaltung und einem weiteren Rückgang beim Diesel, der für die CO2-Ziele eigentlich dringend benötigt wird.
Dazu kommen noch unkalkulierbare rechtliche Risiken. Noch immer ist nicht entschieden, ob Mercedes in den USA wegen angeblicher Manipulationen des Abgasverhaltens bei vielen Modellen eine Strafe droht. Auch in Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart weiterhin gegen Mitarbeiter des Konzerns.
Sollte an den Vorwürfen etwas dran sein, könnte es schnell richtig teuer werden. Dann hätte Ola Källenius in seinem ersten Jahr gleich eine Bewährungsprobe vor sich, um die ihn niemand beneiden dürfte.
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