Rückenwind für die E-Mobilität

Vor Halle 1 auf der Stuttgarter Landesmesse beginnt die Zukunft. Die Dichte an Teslas, BMW i3, Renault Zoes und Nissan Leafs auf dem Parkplatz ist ungewöhnlich hoch, auch in der Ausstellung selbst sucht man PS-Protze mit Verbrennungsmotor vergeblich. Stattdessen sind elektrische Lastenräder, E-Scooter und E-Modelle zu sehen. An den Ständen von Daimler, Renault, Bosch, Mahle, ElringKlinger, Qualcomm, AVL sowie Dutzenden weiterer Unternehmen, Regionen und Initiativen dreht sich alles um Batterien, Ladestationen oder Antriebssysteme.

Drei Tage lang ist Stuttgart die Hauptstadt der Elektromobilität. Bei der 30. Auflage des Electric Vehicle Symposium (EVS) treffen sich noch bis 11. Oktober Hunderte Experten, Regierungs- und Industrievertreter aus aller Welt, um Technologien und Chancen der E-Mobilität zu diskutieren. 5000 Fachbesucher werden erwartet.

Der Optimismus ist zum Auftakt zu spüren. "Vielleicht wird 2017 einmal als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem der Elektromobilität der Durchbruch gelungen ist", sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Eröffnung des Gipfeltreffens. "Die Grundrichtung zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist vorgegeben, daran wird sich auch nichts mehr ändern" ist er mit Blick auf die Klimaziele des Pariser Abkommens für das Jahr 2050 überzeugt – unabhängig davon, ob manche Länder den Verbrenner zu einem bestimmten Datum verbieten wollen oder das Rennen um den Antrieb technologieoffen bleibt.

Unterstützung bekommt Kretschmann dabei von der Europäischen Union. "Europa kann der Kontinent für saubere Autos und die ergänzende Infrastruktur werden", sagt EU-Energiekommissar Maros Sefcovic. Dabei seien die Kommunen ein großer Treiber, die oft stärkere Ambitionen hätten als die Regierungen der einzelnen Länder. "Wir wollen die besten elektrischen Autos aus Europa und wir wollen die beste Ladeinfrastruktur", so Sefcovic.

Notwendig seien dafür 800.000 Ladestationen bis 2020, davon sei man noch weit entfernt. Sefcovic kündigte außerdem eine Initiative für eine europäische Batterieindustrie nach dem Vorbild von Airbus an, um die Abhängigkeit vor allem bei den Zellen gegenüber asiatischen Unternehmen zu reduzieren. In dieser Woche führe er daher Gespräche mit allen wichtigen Vertretern von Autoherstellern bis hin zur Chemie- und Energieindustrie.

Die Wende kommt also, aber wann? Der Analyst Collin McKerracher von Bloomberg New Energy Finance geht in seinem Vortrag davon aus, dass Ende des Jahres 2017 die Zahl der weltweit verkauften rein elektrischen Autos erstmals auf über eine Million Einheiten wachsen wird. 2016 waren es noch knapp 700.000. 2020 könnten dann allein in China knapp eine Million reine E-Fahrzeuge zugelassen werden. Die Dynamik nimmt also deutlich zu.

"Es ist nicht mehr eine Bewegung von wenigen, sondern der Umbruch zum Massenmarkt ist bereits deutlich erkennbar", sagt Franz Loogen von der Landesagentur e-mobil BW, einer der Organisatoren des Symposiums. "Der ganz große Schub kommt zwischen 2020 und 2030", prophezeit Henning Kagermann von der Nationalen Plattform Elektromobilität. Und Espen Hauge vom gastgebenden Verband WEVA ist sich sicher: "Wer einmal mit einem elektrischen Auto gefahren ist, der wird nie wieder zurück zum Verbrenner wechseln."

Die Gründe für die wachsenden Zahlen sind eine Mischung aus Zwang und Anreizen, Modellangebot und Entwicklung der Kosten. So geht etwa McKerracher davon aus, dass der Anteil der reinen Elektroautos in Europa auf zehn Prozent, der der Plug-Ins auf 17 Prozent steigen muss, wenn 2025 der mutmaßlich deutlich schärfere Grenzwert von 78 Gramm eingehalten werden muss. Auch China macht Druck. Dort sollen von 2019 an zehn Prozent der jährlichen Autoverkäufe auf rein elektrische Modelle entfallen.

Um die Nachfrage zu bedienen, müssen auch die Hersteller mitziehen. "Wir planen mehr als zehn rein elektrische Modelle bis 2022", sagt Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius in Stuttgart zu den Plänen des Autobauers. Um die elektrische Submarke EQ herum soll ein Ökosystem samt stationärem Energiespeicher aufgebaut werden. Auf dem Weg in die emissionsfreie Mobilität spiele neben der reinen Batterie aber auch die Brennstoffzelle als Stromlieferant eine gewichtige Rolle.

"Es ist nach wie vor eine relevante Technologie, die neben dem Pkw vor allem bei Bussen oder Langstrecken-Lkw zum Einsatz kommen könnte", sagte Källenius. Er wendet sich aber auch gegen politische Vorgaben. "Wir müssen die Kundenwünsche erfüllen und überfüllen, dann funktioniert die Transformation besser." Zudem hätten den eigenen Berechnungen zufolge 2025 noch immer 75 Prozent der verkauften Autos einen Verbrenner an Bord.

Mit Ford, GM und Renault haben in der vergangenen Woche drei weitere große Autobauer angekündigt, in den nächsten Jahren die Zahl der Elektromodelle deutlich auszubauen und dafür eigene Fahrzeugarchitekturen schaffen. Analyst McKerracher von Bloomberg rechnet damit, dass die Zahl der angebotenen Batterie-, Plug-In- und Brennstoffzellenmodelle von jetzt rund 100 auf über 200 im Jahr 2021 ansteigen wird.

Davon könnten allein 100 von deutschen Herstellern stammen, glaubt man den Ankündigungen von Volkswagen, Daimler, BMW und Co. Spätestens 2025 sind demnach auch keine speziellen Anreize in Form von Kaufprämien oder Steuererleichterungen notwendig. Dann sinken laut McKerracher die Kosten für ein E-Fahrzeug unter diejenigen eines vergleichbaren Verbrenners.

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