Für Carlos Tavares kann der Umbau des vor kurzem noch recht behäbigen französischen Autobauers PSA gar nicht schnell genug gehen. Eine wichtige Rolle dabei spielt der Austausch mit der lebendigen Start-up-Szene. PSA sucht so intensiv wie kaum ein anderer Autobauer den engen Kontakt zu den "Digital Natives
Um keine Zeit im schwerfälligen Apparat zu verlieren, baut Tavares ganz im Stil seiner „Push-to-Pass“-Strategie an allen bisherigen Abteilungen vorbei eine Digital-Mannschaft auf, die anders tickt als die meisten Automobilmanager: viele dieser Autonerds sind jung, branchenfern - und weiblich. An der Spitze der Innovationstruppe steht Brigitte Cantaloube (Sie spricht übrigens am 15.2 auf der Automobilwoche-Konferenz in München) Tavares übertrug der 48-Jährigen im vergangenen Februar die neu geschaffene Position des Chief Digital Officers (CDO). Die frühere Yahoo-Europachefin berichtet direkt und ohne Umwege an ihn selbst. Für Tavares ist die Digitalisierung aller Prozess der Schlüssel zur Effizienzsteigerung und deshalb Chefsache.PSA heißt Start-ups willkommen
Eine zentrale Aufgabe hierbei fällt Anne Laliron zu. Seit Mitte vergangenen Jahres ist die 42-Jährige Leiterin des neu geschaffenen „Business Lab.“ So nennen die PSA-Erneuerer die Schaltzentrale des Konzerns für die Zusammenarbeit mit der gesamten Start-up-Szene.
„Das Business Lab hat die Aufgabe, interessante Start-ups zu identifizieren, die Kooperation mit ihnen zu strukturieren und im weiteren Verlauf auch Minderheitsbeteiligungen mit den vielversprechendsten Start-ups einzugehen“, erklärt Laliron im Gespräch mit der Automobilwoche.„Unser CEO drückt enorm aufs Gaspedal", sagt Laliron. „Das Business-Lab ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir wollen dadurch in allen Bereichen schneller, effizienter und agiler werden." Zu Beginn der Arbeit sei man noch recht „schüchtern" aufgetreten, räumt Laliron ein. „Inzwischen sehen wir aber, wie fortschrittlich wir mit unserem Ansatz liegen und welche Chancen für alle Beteiligten sich daraus ergeben können."
Die Kooperationen umfassen die gesamte Wertschöpfungskette des Automobilgeschäfts. Ein Schwerpunkt sind neue Mobilitätskonzepte, wie sie etwa von dem Anbieter Koolicar entwickelt wurden. PSA arbeitet mit Start-ups aber auch an Projekten in den Bereichen vernetztes Fahrzeug, Industrie 4.0, 3D-Druck, virtuelle Realität und Kundenmanagement zusammen. „Wir sind sogar mit innovativen Unternehmen im Bereich der Motorenentwicklung auf diesem Weg zusammengekommen", fügt Laliron hinzu.Lalirons Abteilung gliedert sich in drei Bereiche. Der „Business Innovation Hub“ mit acht Mitarbeitern soll spannende Start-ups und Technologie-Ansätze identifizieren – und zwar auf globaler Ebene. Neben zahlreichen Kontakten zu Universitäten weltweit unterhält der „Innovation Hub“ auch eigene Büros in San Francisco, Singapur, Schanghai, Sao Paulo und Israel.
„Wir haben bisher rund 1500 Start-ups gescreent, davon haben wir bislang rund 300 als interessant für uns eingestuft. Am Ende werden wir vermutlich 25 bis 50 davon einladen, sich detaillierter vorzustellen."
Diese Vorstellung geschieht bei so genannten „Pick days." „Die jungen Unternehmen präsentieren dort in fünf Minuten ihr Konzept, außerdem hat jedes Start-up einen kleinen Stand, an dem sie mit unseren Fachleuten diskutieren können," schildert Laliron den Ablauf. Mit 40 Prozent der bislang zu solchen „Pick days" geladenen Unternehmen habe PSA bereits Partnerschaften vertraglich vereinbart.Für den Autobauer zählen aber nicht nur die verblüffendsten Ideen, sondern auch die Umsetzbarkeit. „Wir achten sehr darauf, dass die Start-ups nicht zu überschäumende Vorschläge machen, sondern praktikable Konzepte vorlegen. Unsere Aufgabe besteht ja vor allem darin, die innovative Ideen zu industrialisieren."
Laliron und ihre Abteilung haben inzwischen schon hinzugelernt, macht sie deutlich. „Am Anfang ist man schnell begeistert, doch häufig stellen sich bei der Prüfung der Umsetzbarkeit heraus, dass die Probleme sehr viel komplexer sind als zunächst angenommen."Natürlich gebe es auch kulturelle Unterschiede zwischen der Start-up-Kultur und der Autobranche. „Eine Woche ist für ein Start-up eine kleine Ewigkeit – für uns ist es eben nur eine Woche."
Wenn das „Business Lab" seine Arbeit erledigt hat, tritt Phase zwei der Digitalstrategie in Kraft: In der „Business Factory“ erprobt und testet PSA die Konzepte der Start-ups. Hier geht es vor allem um die Machbarkeit und Umsetzbarkeit einer Idee.Dieses Stadium entspricht etwa einem Konzeptauto bei den Fahrzeugentwicklern. Phase drei ist dann das „Venture development." Dazu ist PSA eine Kooperation mit dem Wagniskapitalfinanzierer Idinvest Partners eingegangen. Idinvest verwaltet derzeit ein Portfolio kleiner und mittlerer europäischer Unternehmen mit einem Volumen von mehr als sieben Milliarden Euro. Rund zwei Milliarden Euro davon fallen auf den Start-up-Bereich.Im letzten Schritt kommt es zu einem konkreten Partnerschaftsvertrag. Dieser fällt je nach Projekt unterschiedlich aus. „Bei einem gegenständlichen Produkt kommt die Zahlung von Lizenzgebühren in Frage. Wenn es sich um eine softwarebasierte Lösung handelt, ist eine generelle Lizensierung denkbar."
Eine Kapitalbeteiligung an einem Start-up sei für PSA zwar auch nicht ausgeschlossen, aber eher die Ausnahme. „Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass Start-ups einer Kapitalbeteiligung eines großen Konzerns eher skeptisch gegenüberstehen.“