Besondere Anstrengungen seien bei Elektrofahrzeugen wie dem geplanten SUV K1 nötig, das vermutlich 2027 in Leipzig gebaut werden soll. "Das Ziel muss sein, nachhaltig auf eine vergleichbare Marge wie bei unseren Verbrennern zu kommen. Hier sind wir mit dem Taycan und dem künftigen Macan auf einem guten Weg. Bei dem geplanten Luxus-SUV haben wir noch ein paar Schritte vor uns, aber wir werden allein mit der künftigen Plattform SSP61 Synergien im Konzern heben. Das hilft", so Reimold. Als Beispiel nennt Reimold die Folienverpackung bei Komponenten. "Da suchen wir im Sinne der Nachhaltigkeit bessere Lösungen, etwa über besser konstruierte Behälter. Denn klar ist: Auch Unnötiges zu vermeiden reduziert die Kosten."
Hier lesen Sie das komplette Interview zum Porsche-Geburtstag in diesem Jahr:
Herr Reimold, wir sprechen aus Anlass des 75-Jahr-Jubiläums. Was war der Porsche-Moment in Ihrer Karriere?
Meinen Porsche-Moment hatte ich bereits 1987 im Audi-Werk Neckarsulm. Damals wurden dort die Porsche-Modelle 924 und 944 produziert. Ich war als Betriebsingenieur frisch bei Audi eingestiegen und ich weiß noch: Wir hatten sehr große Achtung und Respekt vor den Porsche-Leuten, die diese hochkarätigen Sportwagen konzipiert hatten. Highlight war immer, wenn wir eine Testfahrt mitmachen durften. Insofern: Der Respekt vor der Marke und der Historie war schon früh vorhanden.
Aber es hat noch gedauert, bis Sie dann bei Porsche gelandet sind, oder?
Über die verschiedenen Marken im VW-Konzern hat es immer wieder Berührungspunkte gegeben, insbesondere bei Technologiethemen. Als wir bei Audi den R8 konzipiert haben, war natürlich der 911 als Sportwagen-Ikone das Maß aller Dinge. 2012 habe ich dann die Leitung am Mehrmarken-Produktionsstandort von Volkswagen Slovakia in Bratislava übernommen. Eine meiner ersten Aufgaben war es, das Thema Leichtbau in den Baukasten für die großen SUVs aus dem Konzern einzubringen. In dieser Phase haben wir die Komplettproduktion für den Porsche Cayenne übernommen und ihn in der Porsche-typischen Qualität an den Start gebracht. 2016 habe ich schließlich als Produktionsvorstand in Zuffenhausen angefangen - unbestritten ein Höhepunkt in meiner beruflichen Laufbahn.
Mit dem Börsengang hat sich das Unternehmen nochmals verändert. Wie wirkt sich das im Alltag aus?
Bereits in Vorbereitung auf den Börsengang sind die Strategie und der unternehmerische Erfolg noch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Analysten und Investoren haben da eine klare Erwartung und als börsennotiertes Unternehmen müssen die Ergebnisse zu jedem Quartal stimmen – nicht nur zum Jahresende. Insgesamt schärft das sicherlich nochmals die Sinne. Mit der „Road to 20“ haben wir uns zudem ein ambitioniertes Renditeziel gesetzt, das unsere Marke zusätzlich stärken soll.
Ist das nicht unnötiger Druck, mit 15 Prozent sind Sie ja nicht schlecht gefahren?
Wir müssen den nächsten Schritt gehen, denn: Die „Road to 20“ ist ja kein Selbstzweck. Vielmehr soll sie uns in die Lage versetzen, den enormen Wandel in der Automobilindustrie selbst zu gestalten. Mit meiner Mannschaft in der Produktion bin ich gerne bereit, unseren Anteil dazu beizutragen. Wir machen das im engen Schulterschluss mit anderen Bereichen – beispielsweise der Technischen Entwicklung, der Beschaffung oder auch der Personalabteilung, mit deren Unterstützung wir unser Team auf die sich verändernden Rahmenbedingungen vorbereiten. Unser gemeinsames Ziel ist es, auch in Zukunft zuverlässig die Träume unserer Kunden zu verwirklichen. Denn diese interessiert es nicht so sehr, unter welchen Wettbewerbs- und Marktbedingungen ihre Sportwagen produziert werden – sie wollen schlicht ihren Traumwagen fahren.
Was konkret ist der Beitrag für die höhere Rendite?
Unser Beitrag ist vielfältig. Aber ich hatte ja eben die Technische Entwicklung genannt. Mit ihr arbeiten wir sehr eng zusammen, damit ein neues Modell bei aller Funktionalität und gesteigerter Komplexität zu vertretbaren Kosten hergestellt werden kann. Da kommt es auf jedes Bauteil und jede Schraube an, die wir am Ende nicht verbauen müssen. Auf der anderen Seite arbeiten wir ständig daran, unsere Prozesse zu verbessern und neue Technologien umzusetzen, die unsere Effizienz steigern.
Wird das geplante Siebensitzer-SUV K1 für Leipzig von vornherein anders konzipiert?
Auch hier kann ich nicht zu sehr ins Detail gehen. Aber ganz generell gesprochen, hat die Produktion in den vergangenen 20 Jahren bei der Entwicklung eines Fahrzeugs immer mehr an Gewicht gewonnen. Wir diskutieren heute auf Augenhöhe mit den Entwicklern. In diesem Prozess hat sicherlich auch unsere Erfahrung mit dem Leichtbau oder der Aluminium-Technologie eine Rolle gespielt. Der Austausch beginnt praktisch mit der ersten Skizze aus dem Design. Früher kam das Auto aus dem Rennsport. Der Sieg stand im Vordergrund, ohne Kompromisse. Heute geht es auch darum, die Effizienz des Fertigungsprozesses von Anfang an mit einzubeziehen.
Reicht das?
Sicher nicht. Im Zusammenspiel mit der Beschaffung geht es beispielsweise um die Wahl der besten Lieferanten. Bei uns werden rund 80 Prozent der Teile zugeliefert. Das heißt, Logistik, Prozesse und Verantwortlichkeiten müssen permanent optimiert werden. Darüber hinaus hinterfragen wir uns stetig selbst. Nehmen Sie das Beispiel Folienverpackung bei Komponenten. Da suchen wir im Sinne der Nachhaltigkeit bessere Lösungen, etwa über besser konstruierte Behälter. Denn klar ist: Auch Unnötiges zu vermeiden reduziert die Kosten.
Was können Sie bei einem neuem Modell wie dem K1 konkret sparen?
Es geht nicht ums Sparen. Aber da Batterien vergleichsweise teuer sind, müssen wir bei rein elektrischen Fahrzeugen noch genauer hinschauen, wo wir insgesamt effizienter werden können. Das gilt auch für das von Ihnen angesprochene SUV im D-Segment. Das Ziel muss sein, nachhaltig auf eine vergleichbare Marge wie bei unseren Verbrennern zu kommen. Hier sind wir mit dem Taycan und dem künftigen Macan auf einem guten Weg. Bei dem geplanten Luxus-SUV haben wir noch ein paar Schritte vor uns, aber wir werden allein mit der künftigen Plattform SSP61 Synergien im Konzern heben. Das hilft. Darüber hinaus haben wir erst jüngst eine Fabrikkostenklausur mit ca. 200 Mitarbeitern aus der Produktion, Entwicklung und der Beschaffung veranstaltet. Dabei haben wir zahlreiche Ideen entwickelt, die dazu dienen die Investitionen und künftigen Produktionskosten so schlank wie möglich halten. Es war erstaunlich, was wir da an Potenzialen generiert haben.
Was trägt die Digitalisierung bei?
Bei der Smart Factory sind wir sicherlich weit fortgeschritten. Aber mir ist wichtig zu betonen, dass die Grundlage einer effektiven Digitalisierung die richtigen Prozesse sind und bleiben. Diese müssen wir immer wieder optimieren. Und dann kommt es entscheidend auf die Durchgängigkeit der Daten an – vom Design über die Entwicklung bis hin zur Produktion. Nur so können wir Tools wie die Künstliche Intelligenz für uns nutzen, um unsere Mitarbeiter in komplexen Situationen zu unterstützen und letztlich auch Kosten zu sparen. Zum Beispiel haben wir ein Kamera-Erkennungssystem entwickelt, das Typisierungsschilder mit chinesische Schriftzeichen erkennt. So stellen wir sicher, dass die Typisierungsschilder richtig verklebt sind und wir bei der Prüfung der Fahrzeuge durch die Zollbehörden keine Probleme bekommen. Die Software ist da wesentlich konsequenter als das menschliche Auge.
Wo braucht es dann noch den Menschen?
Wir lassen sicher nicht nur die KI den gesamten Prozess überwachen und steuern, aber sie wird ein wesentliches, ergänzendes Element werden. Die Grundaufgaben bleiben aber den Mitarbeitern vorbehalten. Dafür müssen sie entsprechend geschult werden. Genau das machen wir und kommen gut voran. Mitarbeiter und technische Systeme ergänzen sich, wenn es darum geht, Daten auszuwerten, Erkenntnisse abzuleiten und die Prozesse damit weiter zu optimieren.
Wie ist die aktuelle Lage in der Produktion?
Wir haben Covid ganz gut gemeistert. Auch die Auswirkungen des Krieges konnten wir auffangen, indem wir Zulieferumfänge aus der Ukraine an weiteren Standorten dupliziert haben. Wobei ich großen Respekt davor habe, was die Menschen in der Ukraine beispielsweise bei der Herstellung von Kabelbäumen unverändert für uns leisten. Auch bei den Halbleitern sehen wir aktuell eine Verbesserung. Kurzum: Nach den Erschütterungen in der Zulieferindustrie zeichnet sich wieder mehr Stabilität ab. Und wo unsere Hilfe benötigt wird, unterstützen wir unsere Lieferanten. Trotzdem ist und bleibt die Produktion von hochindividualisierten Fahrzeugen eine Herausforderung, die wir gerne meistern.
Namen werden Sie vermutlich nicht nennen, oder?
Nein, aber es gibt immer wieder Lieferanten, denen beispielsweise Personal fehlt oder Erfahrung. Letzteres macht sich gerade auch bei neuen Playern im Bereich der Elektromobilität bemerkbar, die vielleicht die Herausforderungen des automotiven Business unterschätzt haben. Dort machen wir klar, dass wir am Ende vor allem eines wollen: verlässliche Qualität. Je weniger wir nachbessern müssen, umso höher ist die Produktivität.
Haben Sie über ein verstärktes Insourcing nachgedacht, Tesla macht es ja vor?
Porsche hat traditionell eine geringere Fertigungstiefe als andere Hersteller. Das ist unsere Philosophie und dabei wollen wir auch bleiben. Aber natürlich schauen wir, wo wir mit Partnern zusammenarbeiten. Mit der Schuler Group etwa haben wir ein gemeinsames hochmodernes Presswerk bei Leipzig gebaut, das funktioniert hervorragend.
Könnten Sie mehr produzieren als Sie aktuell tun?
Es ist tatsächlich so, dass wir im Tagesgeschäft aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Teilen immer noch sehr flexibel bei der Steuerung unserer Produktion sein müssen und nicht immer Volllast fahren können.
Der Taycan war ein Sorgenkind in der Hinsicht, wie sieht es da aus?
Zunächst einmal ist der Taycan ein Erfolgskind und ich selbst bin ein begeisterter Taycan-Fahrer. Aber es ist richtig, dass wir vor allem bei den Halbleitern immer wieder Schwierigkeiten hatten. Das hat sich stabilisiert und wir gehen momentan davon aus, dass in diesem Jahr mehr Einheiten das Werk verlassen werden als 2022.
Und wie läuft es beim 911?
Wir haben eine starke Nachfrage nach den Zweitürern. Weil wir das Werk Zuffenhausen nicht mit Sonderschichten überfrachten wollen, haben wir die jetzige Generation der Baureihe 718 mit Boxster und Cayman komplett nach Osnabrück verlagert. So können wir im Stammwerk mehr 911 produzieren und haben gleichzeitig Platz für die Vorbereitung der elektrischen Generation der 718-Baureihe. Mit Osnabrück nutzen wir eine Schnittstelle des Konzerns und können insgesamt mehr Zweitürer produzieren als im vergangenen Jahr und verkürzen damit die Lieferzeiten. Das ist wichtig, denn unsere Kunden warten zwar auf einen Porsche, aber es sollte nicht länger als zwölf Monate sein.
Als nächstes Modell kommt die Neuauflage des Panamera. Warum nicht elektrisch?
Wir bekennen uns zu unseren ehrgeizigen Zielen: Im Jahr 2030 wollen wir mehr als 80 Prozent unserer Sportwagen mit reinem Elektroantrieb ausliefern. Das machen wir Schritt für Schritt. 2024 kommt der vollelektrische Macan, danach folgen der 718, dann der Cayenne und schließlich unser neues SUV oberhalb des Cayenne. Der Panamera als Plug-in-Hybrid erhält in der nächsten Generation nochmals eine deutlich erhöhte elektrische Reichweite. Für eine klassische Reiselimousine ist das für die kommenden Jahre ein absolut stimmiges Konzept. Aber natürlich ist die vollständige Elektrifizierung beim Panamera irgendwann ein Thema.
Steht der Zeitplan für den E-Macan nun fix?
Ich werde mit meinen Kollegen alles dafür tun, dass er 2024 zu den Kunden kommt. Der Anspruch an das Fahrzeug in Sachen Funktionalität und Design ist hoch. Und die vergangenen Testfahrten stimmen mich zuversichtlich, dass wir auch bei der Software auf einem guten Weg sind. Jetzt geht es noch um den letzten Feinschliff.
In fünf Jahren wird bei Porsche wieder gefeiert. Was machen Sie dann?
Darüber mache ich mir im Moment keine Gedanken. Jetzt haben wir ja gerade erst unser Jubiläum 75 Jahre Porsche Sportwagen erfolgreich gefeiert. In den kommenden Wochen und Monaten liegen eine Vielzahl spannender Projekt vor uns, darauf konzentriere ich mich jetzt erst einmal mit meiner Mannschaft.
Das Interview stammt aus der neuen Automobilwoche-Edition "75 Jahre Porsche". Sie wollen mehr daraus lesen? Klicken Sie hier!
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Kennzahlen von Porsche 2022