Sie wiederholen es wie ein Mantra: Opel ist zurück auf der Erfolgsspur. Runde fünf Jahre nachdem die Hessen von der ewigen Mutter General Motors zur Adoption freigegeben wurden, schreiben sie im Schoß der neuen Stellantis-Familie endlich wieder schwarze Zahlen und zeigen deshalb lächelnde Gesichter. Natürlich ist da wie überall viel Schönfärberei dabei und auch oder gerade in Rüsselsheim ist nicht alles Gold, was glänzt. Doch ist der Erfolg unbestritten – und kommt mit einem hohen Preis: Denn Lust und Leidenschaft sind unter dem Spardiktat des kostenkillenden Konzernchefs Carlos Tavares weitgehend auf der Strecke geblieben. Bislang zumindest. Jetzt allerdings leistet sich Opel wenigstens ein paar Emotionen und will damit seine E-Offensive beflügeln. Denn als sportliche Speerspitze ihrer elektrifizierten Modelle bringen die Hessen jetzt das alte GSe-Logo als neues Sportabzeichen zurück. Ab sofort beim Grandland, im April beim fünftürigen Astra und im Herbst dann auch beim Sports Tourer soll der wiederentdeckte Sportsgeist für neuen Schwung sorgen.
Das klingt hochtrabend und weckt Erinnerungen an den das selige Opel Performance Center, das sogar einem kreuzbraven Zafira Sportsgeist einhauchen konnte. Doch ganz so weit geht Opel diesmal nicht. Sondern zumindest für den Anfang ist der „Grand Sport Electric“ nicht viel mehr als eine Ausstattungsvariante und damit ein Etikettenschwindel mit immerhin guten Absichten. Schließlich gibt es zur serienmäßigen Kontrastlackierung, den jeweils größten Rädern in der Baureihe und den grellen Logos immerhin exklusive Sitze mit besonders viel Seitenhalt, eine direktere Lenkung und als einzigen echten technischen Unterschied ein neues Fahrwerk: Selektive Dämpfer aus dem Hause Koni passen sich Fahrbahn und Fahrstil schnell und unauffällig und vor allem ohne aufwändige Sensorik an und schnüren so ein engeres Band zwischen Auto und Asphalt, ohne dass dabei der Komfort auf der Strecke bliebe.
Opel belebt altes Sport-Label wieder
Mit Erinnerungen an alte Zeiten will Opel Emotionen wecken. Doch mehr Power bekommen die neuen GSe-Modelle nicht.
Auf dem Papier ist das alles arg ernüchternd und den Petrolheads unter den Opel-Fanboys mag das so appetitlich vorkommen wie veganer Handkäs’ oder alkoholfreier Äppelwoi. Doch in der Praxis macht das GSe-Paket tatsächlich einen Unterschied: Egal ob der hochbeinige Grandland oder der ohnehin etwas strammere Astra – immer liegen die GSe-Modelle noch ein bisschen besser auf der Straße, wirken engagierter, holen den Fahrer früher ab und binden ihn enger ein. Wähnte man sich vor allem im Grandland bislang gerne auch hinter dem Lenkrad als Passagier und empfand das Fahren als nötiges Übel oder zumindest als Mittel zum Zweck, wird das Ankommen hier plötzlich zur Nebensache und solange er nur genügend Kurven hat, kann der Umweg gar nicht lang genug sein. Und kaum nimmt man den Fuß vom Gas, lassen die GSe wieder locker, atmen tief durch und bügeln auch grobe Nachlässigkeiten der Straßenbauer geduldig glatt.
Ob sie deshalb allerdings gleich „Großen Sport“ versprechen und auch noch das Modewort „electric“ im Kürzel unterbringen müssen? Weil GSe so gar nichts mit dem Antrieb zu tun hat, entpuppt sich das neue Sportabzeichen spätestens beim Blick ins Datenblatt als ziemlich haltlose Versprechung. Denn wer von einem Sportler mehr Leistung erwartet, den enttäuschen die Hessen. „Wir haben uns auf das intensivere Fahrerlebnis konzentriert“, argumentieren die Entwickler und definieren das neuerdings eben eher über die Quer- als die Längsdynamik. Für sie ist es deshalb kein Widerspruch, dass ihr neues GSe-Logo einfach immer auf dem stärksten elektrifizierten Modell pappt, es für klassisches Motortuning im Kostenkorsett der Konzernzentrale nicht gereicht hat und beim Kickdown nicht mehr als ein asthmatischer 1,6-Liter aufbrüllt.
Dabei macht der mindestens 57.600 Euro teure Grandland noch die meisten Stiche. Immerhin steht GSe hier für die Kombination aus einem 200 PS starken Benziner und zwei E-Maschine mit 110 PS an der Vorder- und 113 PS an der Hinterachse, was eine Systemleistung von 300 PS ergibt. Das reicht für zusammen 520 Nm, einen Sprintwert von 6,1 Sekunden und ein Spitzentempo von 235 km/h. In der alten Welt ist das für ein Sportmodell zwar eher lächerlich. Doch weil die reinen Stromer meist noch viel früher eingebremst werden, bekommt die Generation E da schon echtes Fracksausen.
Beim Astra reizt Opel den Konzernbaukasten dagegen nicht ganz so weit aus. Zwar klappt es dort mit der Querbeschleunigung naturgemäß noch besser, doch dafür ist die Längsdynamik bei der Kombination aus nur 180 PS Verbrenner-PS und vor allem nur einem E-Motor mit 110 PS und entsprechenden Systemsummen von 225 PS und 360 Nm nicht ganz so ausgeprägt. So dauert der Sprint von 0 auf Tempo 100 diesmal 7,5 Sekunden, nur bei Vollgas geben sich die GSe-Modelle nichts. Und natürlich ist der Astra trotz nahezu maximaler Komplettausstattung und etwas günstiger: Wenn ab April der Fünftürer ausgeliefert wird, kostet der mindestens 45.510 Euro und wenn nach den Sommerferien der Sports Tourer folgt, werden für den Kombi nach der aktuellen Arithmetik wohl knapp 47.000 Euro fällig.
Natürlich wissen sie auch bei Opel, dass dieses Trio nur der Anfang sein kann. Wenn sie es ernst meinen mit dem neuen GSe-Kult, dann müssen sie bald nachlegen und auch ihre reinen Stromer auf die Überholspur schicken – selbst wenn das mit dem aktuellen Konzernbaukasten und seinen maximal 136 elektrischen PS bei Corsa & Co eher schwierig sein dürfte. Aber es kommt ja, so wiederholen sie es in Rüsselsheim genauso mantra-gleich wie ihre wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, nicht auf die Längsbeschleunigung an. Und quer, das haben sie bei Grandland und Astra bewiesen, können sie.
Aus dem Datencenter: