Herr Hahn, Sie haben im Jubiläumsjahr 2019 ihr Unternehmenskonzept für die nächsten zehn Jahre aufgestellt, die Strategie 2028. Was ist der wichtigste Punkt auf dieser Agenda?
Hier nur einen Punkt herauszugreifen ist schwierig, weil alle wichtig sind und ineinander greifen. Das Thema Digitalisierung steht natürlich ganz oben und es hat viele Berührungspunkte. Zu 80 Prozent geht es um das Prozessmanagement und die Prozessoptimierung. Die neuen digitalen Möglichkeiten machen Prozesse besser und schmaler, daraus lässt sich vieles ableiten. Zum Beispiel die Online-Terminvereinbarung im Aftersales, das entlastet die Mitarbeiter an der Front. Wie konkret?Es muss nicht jeder immer telefonisch erreichbar sein. Der Kunde, der das möchte, kann alles online vereinbaren, und der ganze Annahmeprozess wird schlanker. Es gibt aber nach wie vor Kunden, die mit ihrem Berater ums Auto gehen wollen. Auch das ist möglich, man muss eben beides anbieten. Neue Betriebsformate wie Service Factories oder Citystores werden wir intensiv dahingehend prüfen, wo solche Formate sinnvoll sind und wo nicht.Wie gut sehen Sie die Hahn-Gruppe aktuell für die Digitalisierung gerüstet – auf einer Skala von eins bis zehn?
Gemessen an dem, was wir in der Pipeline haben, gebe ich uns im Vergleich zum Wettbewerb zehn von zehn Punkten. Gemessen an dem, was bereits umgesetzt wurde, haben wir rund zwei Drittel geschafft. Wir arbeiten daran seit einigen Jahren und sind voll auf der Spur. Ich finde es teilweise ernüchternd, wie wenig digital der deutsche Autohandel insgesamt aufgestellt ist. Als Unternehmer bin ich bei diesem Thema ein Treiber in unserem Haus und fordere viel von meinen Mitarbeitern, denn es ist wichtig, hier führend zu sein. Unsere Webseite ist veraltet, aber wenn die neue fertig ist, sind wir Benchmark und bis Ende 2019 haben wir eines der besten Intranets im Autohandel. Unser neues Intranet bauen wir komplett um zu einem Social Intranet, da steht ein sechsstelliges Budget dahinter. Was genau meinen Sie mit Social Intranet?Dialog statt Monolog, Teamwork in Gruppen – auch in Foren, lebendiger Wissensaustausch und Wissensmanagement. Und in Richtung Kunde, welche Digitalisierungsprojekte gibt es hier? Seit über zwei Jahren praktizieren wir Onlineberatung, das ist vor allem bei den Großkunden ein wichtiges Thema. Wenn sich die User Chooser mit dem Verkäufer gemeinsam ihr Fahrzeug in einer Webkonferenz konfigurieren, funktioniert das hervorragend. Eine Konfiguration ist sehr komplex und ohne Verkäufer kaum machbar. Auch die Fuhrparkleiter sind von der Onlineberatung sehr angetan, weil die Leute dann nicht im Betrieb fehlen. Und diese Themen werden wir auch im Aftersales-Geschäft spielen, etwa wenn beim Serviceauftrag Zusatzarbeiten gefunden werden. Dann kann man dem Kunden die Auftragserweiterung online erläutern und anschließend autorisieren lassen. Das heißt, wir regeln die Dinge so wie vorher – aber unter Nutzung der digitalen Möglichkeiten.Die Onlineberatung soll aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen?Nein, den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden haben wir in 100 Jahren aufgebaut und das fordern die Leute auch heute noch von uns ein. Sie wollen kompetente Beratung, sie wollen persönlichen Kontakt – und manche wollen auch ihr "Schwätzle" halten mit dem Berater, dem sie seit Jahren vertrauen. Die digitalen Mittel ergänzen diese Möglichkeiten. Denn auch wer digital unterwegs ist, setzt auf persönlichen Kontakt, geht aber oft aus Zeitgründen auf die digitale Schiene. Für das Autohaus bietet die digitale Beratung einen Effizienzgewinn, weil sie Zeit und Aufwand und damit Kosten spart.Wird die Hahn-Gruppe auch in zehn Jahren mit 2000 Mitarbeitern und 35 Standorten arbeiten?Ob es bei dieser Struktur bleibt, hängt natürlich auch vom Hersteller ab. Was unsere Größe angeht, werden wir in der Metropolregion Stuttgart weiter wachsen, und zwar nachhaltig und gesund.Haben Ihre eigenen Kinder schon Ambitionen, in den Autohandel einzusteigen?
Meine Kinder sind noch jung – 12, 15 und 16 Jahre – aber sie zeigen schon großes Interesse an der Firma, zum Beispiel jüngst bei unseren Jubiläumsveranstaltungen. Grundsätzlich ist also alles vorbereitet für die fünfte Generation und ich denke, sie wäre auch willig und fähig, das Unternehmen fortzuführen.Traditionell siedeln sich die Hahn-Betriebe im Speckgürtel von Stuttgart an. Werden Sie die Stuttgarter Innenstadt auch künftig meiden?Wir haben die Stuttgarter City nicht bewusst gemieden, sie war für uns immer ein Thema, Es gab zum Beispiel das Hahn-Hochhaus oder einen Porsche-Betrieb mitten in der Stadt. Und der Begriff Speckgürtel greift zu kurz, denn unsere Betriebe sind in der Metropolregion Stuttgart, und die ist größer als der so genannte Speckgürtel. Zum Beispiel sind wir seit 2015 auch in Pforzheim mit allen unseren Marken vertreten, seit 2016 auch mit einem Porsche-Zentrum. Wir bleiben in der Region, in der wir jetzt sind, denn da gibt es noch Potenzial. Wir wollen nicht 200 oder 300 Kilometer weit weg oder ins Ausland expandieren.Sie haben das Motto "Best in Town" zu sein. Wo sehen Sie die größte Gefahr für diesen Anspruch?
Ich möchte es lieber von der anderen Seite betrachten: Unser Unternehmensmotto bietet eine riesengroße Chance, sich vom Wettbewerb abzuheben. ,Best in Town‘ zu sein ist ein großer Anspruch, den wir gegenüber dem Kunden kommunizieren – und jeden Tag an uns und unsere Mitarbeiter stellen. Der Slogan bringt einen großen Antrieb.Die Hahn-Gruppe ist langjähriger VW-Konzernpartner. Vermutlich machen Ihnen auch andere Marken Avancen. Haben die eine Chance? Aktuell sehe ich keine Marke, die sich mir aufdrängen würde. Bei jeder neuen Marke muss man beachten, welche Möglichkeiten sich bieten. Mit Marken wie Mercedes ist unsere Region ja bereits sehr gut besetzt. Wir hatten immer mal wieder Avancen. Entscheidend ist, dass auch ein gutes Geschäftsmodell dahinter steht.Es gibt große Handelsgruppen, die sich auch als Importeur betätigen, etwa Emil Frey oder die AVAG. Wäre das auch für die Hahn-Gruppe eine Option?
Auch da kommt es auf die Möglichkeiten an. Zutrauen würden wir uns das sicherlich, denn das haben wir schon einmal gemacht. Wir waren früher einer der wenigen Großhändler für VW und Porsche. Leider wurde diese Vertriebsstufe dann abgeschafft beziehungsweise vom Hersteller selbst übernommen. Und private Importeure sind in Deutschland ein Sonderfall, aber das wäre sicher interessant.Sie beschäftigen 300 Azubis und haben eine eigene Akademie gegründet. Ist das ein Wettbewerbsvorteil angesichts des Fachkräftemangels?Ja. Wir betrachten die Akademie als eine klare zielgerichtete Investition in die Probleme der Branche. Wir bilden auch Azubis von Händlerkollegen aus bzw. unterstützen bei der Prüfungsvorbereitung. Auch Mitarbeiter von Prüforganisationen nutzen unsere Akademie für die Ausbildung an unserem mit einem Partner speziell entwickelten Schulungsfahrzeug für die E-Mobilität. Im Ballungsraum Stuttgart ist der Fachkräftemangel ein wichtiges Thema, denn die Konkurrenz aus der Industrie ist groß und wir müssen ständig für Nachschub sorgen. Deshalb tun wir in der Ausbildung möglichst viel, um eigenen Nachwuchs heranzuziehen. Unsere Akademie ist ein großes Asset für unsere Attraktivität als Arbeitgeber. Es gab 2018 harte Verhandlungen über die neuen Händlerverträge. Alle Hersteller, so auch VW, bekennen sich zum stationären Handel. Verlassen Sie sich darauf? Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, dass alle Marken des VW-Konzerns ein klares Bekenntnis zum stationären Handel abgelegt haben und dass sie den stationären Handel in den Onlinevertrieb einbinden. Persönlich glaube ich, dass der Hersteller ohne den stationären Handel tot wäre, denn die seit 2015 andauernde Dieselkrise hat vor Kunde ja der Handel gestemmt und das war ein echter Kärrner-Job. Was den reinen Onlinevertrieb angeht: Wer nur online aufgestellt ist, hat große Probleme, denken Sie nur an Tesla und das fehlende Servicenetz. Da stehen teilweise Autos auf Halde, weil keine Reparatur möglich ist. Der stationäre Handel ist ein großes Asset in der Hand des Herstellers, das muss man ihm immer wieder klarmachen. Keine Branche ist so komplex wie der Autohandel. Sie sprachen die Dieselkrise an: Wie stark wirkt sie sich heute in Ihrem Unternehmen aus?Mit dem Thema Software-Updates sind wir weitgehend durch, aber die Diskussion um den Verbrennungsmotor beschäftigt uns natürlich schon. Ich halte den Diesel immer noch für die wirtschaftlichste Antriebsart. Und im Streit darüber, wer in der Gesamtbetrachtung sauberer ist – das E-Auto oder der Diesel – ist es für die Elektromobilität noch ein weiter Weg hin zum saubersten Antrieb. Ich halte einen überstürzten Alleingang in Deutschland bei der E-Mobilität nicht für sinnvoll. Deutsche Hersteller sind führend bei der Verbrennertechnologie und wir machen das gerade selbst kaputt. Dieselbefürworter werden pauschal gebasht und geshitstormt. Auch VW investiert ja massiv in die E-Mobilität. Aber sollten nicht mehr Investitionen in den Wasserstoffantrieb fließen?Das Thema Wasserstoff wird in den nächsten Jahren an Tempo gewinnen. Es wird derzeit nicht darüber gesprochen, aber hinter den Kulissen passiert viel. Ich bin ein großer Wasserstoff-Fan, aber auch Wasserstoff muss unter Einsatz erneuerbarer Energien sauber hergestellt und die Logistik muss aufgebaut werden. Das geht nur international und in Zusammenarbeit mit der Politik. Das wird seine Zeit noch brauchen und die Chancen der Brennstoffzelle kann man in fünf Jahren sicher besser beurteilen. Insofern sehe ich die batterieelektrische Mobilität als Übergangstechnologie, vor allem für kürzere Strecken. Für die Zukunft, vor allem für längere Strecken und den Nutzfahrzeugbereich, ist die Brennstoffzelle aber eine ganz wichtige Lösung. Man muss sich völlig im Klaren darüber sein, dass sich die Kunden bei alternativen Antrieben daran orientieren, was ihnen der Verbrennungsmotor heute bietet. Wir sehen auf der IAA viele elektrische Fahrzeuge, die in den nächsten Monaten auf den Markt kommen. Entscheidend ist dann, ob der Kunde die Elektromobilität auch annimmt.Wie bereiten Sie sich auf das sinkende Werkstattaufkommen vor?Ich glaube, dass das Werkstattgeschäft noch zehn Jahre ein Wachstumsmarkt ist, weil der Fuhrpark in Deutschland immer noch überwiegend konventionell ist. Wir müssen alle Antriebsarten – also auch die neuen – noch sehr lange bedienen können.Welche Perspektive sehen Sie für Abomodelle?Aus Kundensicht sind Abomodelle eine tolle Sache und was zum Beispiel Sixt macht, finden viele sicher cool. Die Frage ist aber, ob es auch wirtschaftlich ist, also der Kunde bereit ist, für Autos on demand zu zahlen. Aktuell kenne ich kein Modell, das funktioniert. Die Tatsache, dass sich BMW und Daimler beim Carsharing zusammentun, spricht Bände, und dass Uber Milliardenverluste macht, auch. Andererseits frage ich mich, wenn es funktioniert, warum überlassen wir das Geschäft dann Dritten und tun es nicht selber? Um das Geld für die Firmengründung zu bekommen, verkauften die Eltern des Firmengründers Ernst Hahn die familieneigenen Weinberge. Später kehrten sie in den Familienbesitz zurück. Gibt es neben dem Weinbau andere potenzielle Betätigungsfelder für die Hahn-Gruppe?Der Weinbau ist historisch gewachsen, aber keine wesentliche Säule des Unternehmens. In der Vergangenheit gab es immer wieder Exkursionen in andere Geschäftsfelder, wie die Produktion von Druckgasflaschen oder den Anhängerbau. Letztendlich ist aber das Automobilgeschäft das, was wir am besten können. Wir sind also sicherlich offen für Optionen, aber aktuell ist es kein Thema.Lesen Sie auch:Familienfest im Ländle: Hahn-Gruppe feiert 100-Jähriges
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