Herr Still, das Geschäftsjahr 2019/20 war noch zur Hälfte "coronafrei", das aktuelle läuft seit gut acht Monaten komplett unter Corona-Bedingungen. Merken Sie einen Unterschied?
Roman Still: Wir profitieren in diesem Jahr von den Erfahrungen, die wir 2020 mit der Pandemie gemacht haben. Im März 2020 wusste niemand, wie wir uns verhalten sollen. Den ersten Lockdown haben wir mit Urlaub, Überstundenabbau oder Kurzarbeit überbrückt. Im Dezember hatten wir trotz Lockdown noch eine gute Auslieferungsquote aufgrund der Mehrwertsteuersenkung. Die Kernbotschaft lautet: Wir haben im ersten Lockdown gelernt, mit dieser Situation umzugehen. Wie hoch ist denn der Homeoffice-Anteil in der AVAG-Belegschaft?Roman Still: In der Zentrale haben wir einen hohen Anteil an mobilen Lösungen. In den Autohäusern ist es schwieriger. Die handwerklichen Berufe werden nicht im Homeoffice ausgeübt, das heißt die Werkstatt muss besetzt sein. Das betrifft nicht nur die Meister und Mechatroniker, auch die Lageristen und Serviceberater oder Disponenten. Und auch ein Verkäufer kann nicht alles von zu Hause machen. Das ist aber kein Problem, denn wir haben im Schnitt pro Verkäufer 100 Quadratmeter Platz im Showroom.Was halten Sie von der Testpflicht für Unternehmen?Roman Still: Die Regelung halte ich für inkonsequent. Denn die Verpflichtung gilt nur für die Unternehmen und das Angebot eines Tests. Die Mitarbeiter sind aber nicht verpflichtet, einen Test zu machen. Und wenn sie es tun, sind sie nicht verpflichtet, das Ergebnis mitzuteilen. Das ist nicht konsequent. Wir haben schon im Herbst 2020 Tests an alle AVAG-Autohäuser verschickt.In Österreich verkauft die AVAG ja auch die Marke Mercedes-Benz. Dort soll der neue Agenturvertrag schon in diesem Jahr eingeführt werden. Ist das ein Thema in den AVAG-Betrieben in Österreich?Albert C. Still: Das ist selbstverständlich ein Thema. Derzeit laufen die Schulungen von Mercedes-Benz Österreich mit unseren Mitarbeitern. Im August geht es los. Wir bekommen alle Verkaufssysteme vom Hersteller gestellt und müssen lernen, damit umzugehen. Auch Themen um den Verkauf wie Vorführwagen und Digital Service Experience (DSE) werden neu aufgestellt und derzeit detailgeregelt. Wie stehen Sie grundsätzlich zum Thema Agentur?Roman Still: Das Agenturmodell bietet genauso wie der Vertragshandel Chancen und Risiken. Der Agent ist entlastet vom Warenbestand. Er muss keine Vorführwagen oder Neuwagen vorhalten und hat keine Lagerrisiken. Das ist zugleich auch der Nachteil: Der Agent hat keinen Bestand, den er selber steuern kann. Außerdem hat er keine Möglichkeit, das Pricing selber zu beeinflussen. Das macht es schwieriger. Wer selber den Preis beeinflussen kann, hat bessere Karten. Albert C. Still: Es ist schwer einzuschätzen, wie der Kunde reagieren wird, wenn er nicht mehr verhandeln kann. Mercedes-Benz berichtet uns aber, dass bisher gute Erfahrungen damit gemacht wurden und die Kunden das als angenehm empfinden. Wir lassen uns überraschen. Die AVAG hat sich 2020 aus Serbien zurückgezogen – unabhängig von Corona. Ist das Teil einer größeren Konsolidierung? Planen Sie den Rückzug auch aus anderen osteuropäischen Märkten?Roman Still: Nein. Wir sind nicht in einer Phase der Konsolidierung. Serbien war eine Idee, die nicht gegriffen hat, aus verschiedenen Gründen. Wir hatten einen Betrieb mit 200 bis 300 Neuwagen. Aufwand und Ertrag standen in keinem guten Verhältnis. Zudem ist Serbien ein Markt außerhalb der EU und dort gelten andere Regeln. Wir haben den serbischen Markt eventuell falsch eingeschätzt und daraus die Konsequenzen gezogen. Wir richten unseren Fokus nun auf die Märkte innerhalb der EU. Im Übrigen haben wir auch früher schon Standorte geschlossen, die sich nicht rechneten. Nicht jedes Invest passt zu uns.Ihre Kernmarke Opel wird ja jetzt unter dem Dach des Stellantis-Konzerns geführt. Welche Veränderungen in der Markenführung lassen sich bereits beobachten beziehungsweise mit welchen Veränderungen rechnen Sie?Roman Still: Es wird Veränderungen geben, aber momentan ist noch keine Beeinflussung feststellbar. Die Hauptveränderung für Opel war ja die Integration in den PSA-Konzern. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Ich erwarte weitere Veränderungen durch Stellantis, zum Beispiel im Teilevertrieb. Das ist aber reine Spekulation, faktisch gibt es noch keine Veränderungen.2020 wurde das AVAG-Auto-Abo gestartet. Nice to have oder ein veritables zukunftsträchtiges Geschäftsfeld?Roman Still: Unser Auto-Abo "Sorglos günstig fahren" ist eine Ergänzung unserer Portfolios in anderer Form. Wir hatten schon immer Langzeitmiete, und das Abo ist ja im Grunde nichts anderes. Wir zielen mit dem Auto-Abo auch auf einen neuen Kundenkreis wie Gewerbekunden – zum Beispiel 30 Autos im Abo als Servicefahrzeuge. Das Auto-Abo hilft aber auch unseren Bestandskunden einen zusätzlichen Bedarf zu decken – und wir können die Abofahrzeuge auch im Ersatzgeschäft einsetzen.Gestartet sind Sie im Mai 2020 mit vier Opel-Modellen. Welche Fahrzeuge gehören mittlerweile zur Abo-Flotte?Roman Still: Heute bieten wir alle Opel-Modelle im Abo an, außerdem auch Fahrzeuge von Peugeot, Kia und Toyota und den Nissan Leaf.Sie begrüßen die Verlängerung der E-Auto-Prämie bis 2025. Wie hoch war denn bei der AVAG der Anteil verkaufter Stromer im Geschäftsjahr 2019/20? Roman Still: Unser E-Fahrzeug-Anteil im Opel-Bereich lag 2020 im Auftragseingang bei ca. 13 bis 14 Prozent. Aktuell sind es 17 bis 18 Prozent. Bei Hyundai lagen wir schon 2020 bei 18 bis 20 Prozent. Ich gehe davon aus, dass wir mittelfristig und je nach Portfolio einen Elektroanteil von 25 Prozent pro Hersteller erreichen.Was waren 2020 die Bestseller im Stromerbereich?Roman Still: Der Opel Corsa-e, der Grandland X Hybrid und der Hyundai Kona.Das Interview führte Bettina John.
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