Als BMW mit dem i3 die Tür in die neue Auto-Welt ein Stück weit aufstiess, steckte das Projekt Titan von Apple - der Deckname für das nie realisierte iCar - noch in den Kinderschuhen. Die folgenden Verhandlungen zwischen Cupertino und München liessen sich zwar vielversprechend an, doch am Ende war den Amerikanern das Risiko zu groß und die Rendite zu klein. Auch spätere Kooperationsansätze mit Mercedes (Deckname Bruce) und VW (Deckname Jetstream) verliefen im Sand. Das Titan-Team wurde in der Folge zwar teilweise aufgelöst, doch mit Apple Car Play sicherte sich zumindest die Software-Fraktion einen Logenplatz im Cockpit der Zukunft. Im nächsten Schritt soll die Mobilitätsstrategie neu gedacht und deutlich breiter gefächert umgesetzt werden.
Konkret geht es um drei unterschiedliche Optionen:
- das Apple iCar 2.0
- ein skalierbares autonom fahrendes rolling chassis mit E-Antrieb
- die self-driving box mit universeller Schnittstelle als universeller Nachrüst-Kit für autonomes Fahren
Nach dem Tod von Steve Jobs hatte die iCar-Entwicklung für Apple nur noch dritte Priorität. Erst Jahre später hat Tim Cook auf der Suche nach einem neuen nachhaltigen Businessmodell die Mobilitätsthematik wieder auf die Agenda gesetzt. Aktuell wird das Team nach übereinstimmenden Informationen von 4000 auf 5200 Personen aufgestockt, der eigentlich in den Ruhestand verabschiedete Chefdesigner Jonathan Ive soll als Konsulent mit von der Partie sein, der frühere Tesla Entwicklungsleiter für E-Antriebe Michael Schwekutsch leitet gemeinsam mit Doug Field (ebenfalls ex-Tesla) die als Skunkworks hinter verschlossenen Türen geführte Special Projects Group.
Trotz hochkarätiger Besetzung steht die Truppe erst am Anfang ihrer digitalen Mobilitäts-Offensive. 2019 haben abgezählte 23 Versuchsfahrzeuge (die Flotte wird 2020 verdoppelt) nur 12.000 Testkilometer zurückgelegt - Waymo kam mit 110 Autos auf über 2,3 Millionen Kilometer. Entsprechend vage sind die natürlich streng geheimen Kennzahlen für das iCar-Projekt. Wie aus Kalifornien zu hören ist, soll das noch längst nicht verabschiedete Apple-Auto 2024 auf den Markt kommen, rund 38.500 Dollar kosten und dem Model 3 Konkurrenz machen. Autonomes Fahren auf Level III gilt als gesetzt, Level IV ist fester Bestandteil der mittelfristigen Produktaufwertung.
Der Wagen ist nach dem Verständnis der Vordenker zu schade, um als Robotaxi oder im Car Sharing-Geschäft verheizt zu werden. Statt dessen hat das High-End iPhone auf Rädern stil- und image-bewußte Besserverdiener im Visier. Der E-Antrieb wird dem Vernehmen nach von topographisch über die gesamte Grundfläche verteilten Rundzellen ohne seltene Erden gespeist. Die Kosten für das komplette Paket (Akkus, Kühlung, Packageing) dürften aktuell bei 80 Dollar pro kWh liegen, Tendenz fallend. Der Versuch, für das Design eine deutsche Top-Kraft zu rekrutieren, ist zwar gescheitert, doch auch in Eigenregie sollte es gelingen, optische Glanzlichter zu setzen. Die Rede ist von einem im Windkanal auf maximale Effizienz getrimmten Straßenschmeichler mit uni-direktionaler phototroper Verglasung (rausschauen geht, reinschauen nicht; variable Tönung) und Chameleon Paint Film, der über regelbaren Schwachstrom Variationen innerhalb eines bestimmten Farbspektrums zulässt.
Das klingt vielversprechend, doch noch zögert Apple, denn man ist an andere Gewinnmargen gewöhnt, hat keine Erfahrung im Automobilbau, müsste Kompetenzen teuer zukaufen sowie in Fertigung und Produkthaftung viel Geld investieren. Eine Auftragsproduktion nach Art von Foxconn/iPhone ist zwar darstellbar, doch selbst wenn man sich auf ein motorisiertes selbst fahrendes Skateboard beschränken und zusätzlich als Option einen frei wählbaren Hut anbieten würde, wären Know-How und Kontrolle mehrheitlich in fremder Hand, vom nicht existenten Vertriebsnetz ganz zu schweigen. Deshalb spricht viel dafür, dass Apple sich nach Car Play und iPhone auch über die self-driving box zunächst Kundendaten sichern und über innovative Geschäftsmodelle nachhaltig Profit erwirtschaften will. Man muss ja nicht gleich ein ganzes Haus bauen, um die digitale Welt der Bewohner zu dominieren.
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