"Neue Führungskräfte braucht das Land"

Führungskräfte in der Industrie beschäftigen sich beim Thema Digitalisierung mit Logistikketten, Produktionsmethoden und optimierten Vertriebswegen beschäftigt. Doch sich selber haben bislang die wenigsten Chefs unter die Lupe genommen.

Ein gravierender Fehler, meint dazu Reinhard F. Leiter, Executive Coach für Führung und Kommunikation und Change-Management-Experte bei der Selecteam Deutschland in München. Leiter hat schon viele Mandate in der Autobranche hinter sich und sieht mit einer gewissen Sorge auf den geringen Veränderungsbereitschaft vieler Führungskräfte bei sich selbst.

"Manager müssen sich bewusst sein, dass sie in einer Zeit, in der sich die Technologie und damit das Kerngeschäft vieler Unternehmen rasanter verändert denn je, längst nicht mehr alles wissen können", sagt Leiter. Und er rät dringend zu folgender Einsicht: "Sie sollten akzeptieren, dass Andere meist über viel mehr Know-How verfügen und daher offen sein für deren Rat, Meinung, Feedback."

Durch die Digitalisierung aller Unternehmensbereiche steige das Tempo nochmals rasant, der Druck auf alle Beteiligten nehme nochmals deutlich zu, schildert Leiter die Ausgangssituation. "Die jeweils erforderliche Anpassung von Strategie und Organisation an die hohe Geschwindigkeit des Wettbewerbs fordert beziehungsweise überfordert aber vielfach Mitarbeiter und Management", erlebt Leiter in vielen Unternehmen.

Mit dem wachsenden Druck der äußeren Umstände wachse auch der innere Druck auf die Mitarbeiter - und die Führungskräfte. "Diesem Druck können Unternehmen nur wirkungsvoll mit einer neuen Führungskultur begegnen, in der Entscheidungsträger ohne Angst vor möglichen Fehlern entscheiden können", rät Leiter in dieser Situation.

Vor allem müssten die Mitarbeiter weit stärker als bisher Zustimmung erfahren, wenn sie Kritik üben. "Es bedarf einer Kultur, in der, wenn erforderlich, konstruktive Kritik geäußert werden kann - auch an den Vorgesetzten." In dieser neuen Wertekultur müsse wieder "Kundenorientierung, Integrität, Bescheidenheit, Exzellenz und Demut vorgelebt werden." Dazu aber brauche es eine neue Führungsperson. "Es ist ein New-Leader in the Digital Age nötig."

Autorität dürfe nicht mehr primär durch Hierarchie, sondern sollte durch Vorbildlichkeit, Fairness, Bescheidenheit und Sinnvermittlung entstehen, so skizziert Leiter dieses Bild der neuen Führungskraft.

"Die neue Autoritätsperson ist auch Vorbild, inspiriert, ist flexibel und kooperativ. Sie gibt geistige Anregungen, erkennt die Potentiale der Mitarbeiter, und ermuntert sie, diese zu nutzen, indem sie mit allen redet." Und ganz wichtig: "Er überwindet das Silodenken in Strukturen und Prozessen."

Im Digitalen Zeitalter seien Ideen die Treiber der Entwicklung. Damit diese aber ans Tageslicht gelangen können, müssen die Chefs ihre Mitarbeiter ermutigen - und nicht kraft ihrer Macht mundtot machen. "Mit der richtigen Mischung aus Kompetenz, Präsenz, Zugewandtheit und Einbinden entwickelt er ein entsprechendes Charisma."

Die neue Führungskraft müsse eine andere Sprache sprechen als die Sprache der Macht, fordert Leiter: "Frisch, einladend, antreibend, aufgeweckt, herausfordernd, innovativ, 'equal speaks to equal'". Es gebe dazu ein altes deutsches Wort, das gut auf den neuen Typ Anführer passe, fasst Leiter seine Gedanken zum Chef im digitalen Zeitalter zusammen: "Führungskräfte sollten dienend mit gutem Beispiel vorangehen. Es geht letztlich um einen tiefen Respekt vor dem Kunden, dem Mitarbeiter und der Umwelt."