Herr Wendt, wie begegnen Sie drohenden Ausfällen in der Lieferkette durch das Coronavirus?
Bisher sind wir mit viel Aufwand und Arbeit gut durchgekommen. Die Werke in China sind seit 17. Februar wieder am Netz. Die anderen Werke liefen und laufen ganz regulär.
Wie funktioniert das?
Dahinter steckt eine minutiöse, tägliche Beobachtung des Lieferantenmarktes aus drei Perspektiven: Lieferungen aus China für China, von China nach Europa und in die Westliche Welt, und von Europa nach China. Momentan ist es schwierig, Genaueres für die Zukunft zu prognostizieren. Wir werden unseren Kurs weiter fortsetzen und fahren auf Sicht.
Welche Möglichkeiten haben Sie denn, um die Versorgung sicherzustellen?
Es sind erstens bestimmte Pufferungsmöglichkeiten in unserem Netzwerk vorhanden. Und es gibt darüber hinaus eine Abtauschflexibilität, die man aber auch entsprechend gestalten muss. Unsere Zulieferer haben ja nicht nur Werke in China, sondern auch an anderen Standorten auf der Welt. Das muss man von Referenz zu Referenz abgleichen.
Was heißt "Pufferungsmöglichkeiten"?
Es ist so, das etliche Lieferungen über den Schiffsverkehr laufen. Das gibt eine gewisse zeitliche Streckung. Die Frage ist natürlich, wie wir mittel- und langfristig diese Bedarfe abdecken werden. Wir müssen da auf Sicht fahren und uns die Situation jeden Tag neu anschauen.
Bleiben wir bei Lieferproblemen. Einigen Autoherstellern fehlen Batteriezellen, dort kommt es zu Produktionsausfällen. Einerseits hat BMW seit Langem Erfahrung mit dem i3, andererseits fährt BMW die E-Mobilität später hoch als andere – es ist seitens der Marke BMW nach dem i3 kein zweites reines E-Auto auf den Markt gekommen.
Es stimmt nicht, dass wir später als andere die Elektromobilität hochfahren. Im Gegenteil: Wir sind Pionier der Elektromobilität und hatten im vergangenen Jahr einen höheren Marktanteil an elektrifizierten Fahrzeugen als die anderen etablierten Premiumhersteller zusammen. Aktuell haben wir bereits zwölf elektrifizierte Modelle. 2023 werden es 25 sein. Und bis Ende 2021 werden wir bereits fünf vollelektrische Serienfahrzeuge anbieten: Neben dem BMW i3, von dem bereits mehr als 170.000 Einheiten verkauft worden sind, startete letztes Jahr die Produktion des Mini Electric. Dieses Jahr folgt der BMW iX3, 2021 der BMW iNEXT und der BMW i4.
Dennoch: Hat BMW keine Lieferprobleme bei Zellen?
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sehen uns bis 2025 gut abgesichert. Alles darüber hinaus ist laufender Planungs- und Verhandlungsinhalt. Wir haben vor kurzem die Gesamtvolumina für zwei Zellenhersteller noch einmal erhöht: Wir liegen jetzt bei 7,3 Milliarden Euro für CATL und 2,9 Milliarden Euro für Samsung SDI. Wir haben wesentlich zur Ansiedlung von CATL in Erfurt beigetragen. Wir sind zudem mit Northvolt eine Kooperation zur Entwicklung von Batteriezellen eingegangen. Auch bei den Rohstoffen Lithium und Kobalt garantieren uns unsere Lieferverträge eine ausreichende Versorgungssicherheit. Unsere Batteriezellkompetenz im Haus ermöglicht uns zudem einen professionellen Dialog mit den Zellherstellern auf Augenhöhe. Mit unserem Kompetenzzentrum Batteriezelle in München, in dem rund 200 Mitarbeiter arbeiten, sind wir bestens aufgestellt.
Alle Autohersteller müssen sparen. BMW will es ohne Personalabbau schaffen. Sie – als Chefeinkäufer – müssen doch dann als erstes sparen?
Wir brauchen unsere Mitarbeiter für all die Aufgaben, die vor uns liegen. Und die sind nicht weniger geworden. Effizienzen und die Verbesserung von Prozessen sind grundsätzlich Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Unser direktes Einkaufsvolumen lag 2019 bei rund 40 Milliarden Euro. Im indirekten Bereich waren es knappe 20 Milliarden Euro. Wichtig ist es, dass wir Kosten, Innovationen, Qualität und Flexibilität in unserem Lieferantennetzwerk gleichermaßen adressieren.
Ein direktes Einkaufsvolumen von 40 Milliarden Euro – verschiebt sich das in Zukunft?
Das bleibt in etwa konstant.
Kommen wir zur Nachhaltigkeit. Hat BMW inzwischen Fortschritte in der angekündigten Dekarbonisierung gemacht?
Nachhaltiges Wirtschaften und Handeln bestimmt stärker denn je die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und wird deshalb bei uns groß geschrieben. Wir sind uns in hohem Maße der Verantwortung bewusst, was die Dekarbonisierung angeht. Wir bekennen uns klar zum Pariser Klimaabkommen und werden unsere CO2-Ziele 2020 und 2021 erreichen. 2019 haben wir erhebliche Fortschritte in unserer Lieferkette gemacht. Im Rahmen der CDP – Carbon Disclosure Project – Supply Chain Initiative haben uns unsere großen Lieferanten CO2-Reduktionsinitiativen von über 30 Millionen Tonnen berichtet. Sie stehen für knapp 80 Prozent des produktionsrelevanten Einkaufsvolumens. 2020 werden wir außerdem mit einem vereinfachten CO2-Fragebogen auch bei rund 1.000 kleineren und mittleren Unternehmen den CO2-Reifegrad ermitteln.
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