Mit Geodaten und künstlicher Intelligenz Menschen und Städte verstehen

Wo braucht man künftig Elektroladesäulen und wo machen sie gar keinen Sinn? Wann macht die Start-Stopp-Automatik Sinn und wann nicht? Das Start-up Geospin versucht diese Fragen mit Hilfe von Geodaten und künstlicher Intelligenz zu beantworten.

Donnerstag, 22. Februar 2018, 15.29 Uhr

Jeder kennt das: Man rollt an die rote Ampel, das Auto steht und in dem Moment, in dem das Licht von gelb und grün springt geht der Motor aus. Auch, wenn es sich nur um einen Moment handelt, reagieren viele Autofahrer genervt und schalten die Start-Stopp-Automatik aus. Das hat zur Folge, das sie dadurch Spritsparmöglichkeiten verschenken. Dabei haben Studien ergeben, dass Start-Stopp-Automatik bis zu 15 Prozent des Verbrauchs in Städten senkt.

Je intelligenter und vernetzter Autos und auch die Umgebung in Städten künftig werden, desto besser könnte die Start-Stopp-Automatik genutzt werden. Das Start-up Geospin erforscht daher, ab wann sich die Start-Stop-Automatik überhaupt lohnt und wie man sie nervenschonend für Fahrer und sparend fürs Auto einsetzen kann – und zwar auf Basis von geographischen Daten.

Geospin hat eine eigene Methodik entwickelt, wie man mit Hilfe von Geo-Daten und künstlicher Intelligenz Verhaltensmuster von Menschen in Städten ableiten und damit Aussagen für künftige Gegebenheiten treffen kann. Dafür nutzt Geospin Kartendaten, aber auch Daten von Personen, vom Straßenverkehr, Social Media, Wetter, oder dem Zensus – je mehr desto besser. „Mit unserer Methode können wir aber auch relativ sichere Aussagen über Regionen und die Gegebenheiten dort treffen, wenn wir von dort keine Daten haben“, sagt einer der Geospin-Gründer Christoph Gebele. Das Ganze ist keine Zauberei, sondern basiert auf künstlicher Intelligenz und Machine Learning. Denn wenn man das Verhalten von Menschen in Ballungsräumen kennt und weiß wie und wann sie sich bei welchem Wetter, zu welcher Uhrzeit und an welchen Tagen zum Bäcker, Kindergarten, zur Schule oder in den Pendelverkehr aus dem Wohngebiet in Industriegebiete in ihrer Stadt bewegen, kann man das auf andere Regionen, die ähnlich dicht besiedelt sind, anwenden und die Prognosen so genauer gestalten.

„Wenn wir wissen, wonach wir die Aussagen über das Verhalten treffen können, können wir dahingehend unsere Analysen ausrichten“, sagt Gebele. So analysiert das Start-up, vor welchen Ampeln oder in welchen Situationen es im Straßenverkehr sinnvoll ist, die Start-Stopp-Automatik auszuschalten und wann nicht, wann so Sprit gespart werden kann und wann die Automatik dem Fahrer womöglich nur auf die Nerven geht. "Die Einsatzmöglichkeiten sind grenzenlos", sagt Gebele.

DER START-UP-STECKBRIEF

Gründer: Johannes Bendler, Niklas Goby, Sebastian Wagner, Tobias Brandt, Christoph Gebele

Wann gegründet: März 2016 – Geospin ist eine Ausgründung aus der Universität Freiburg

Die Idee: Geospin macht geographische BigData-Analysen, damit seine Kunden – Unternehmen oder auch Kommunen – wiederum ihre Kunden oder die Bevölkerung in Städten und Ballungsräumen besser verstehen kann. Dazu nutzt Geospin seine geographischen Big-Data-Analysen, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Das bedeutet, das Start-up kann damit nicht nur historische Ereignisse, also Dinge, die passiert sind, analysieren, sondern damit auch Schlüsse für die Zukunft ableiten und relativ genaue Aussagen über Bereiche treffen, über die es keine Daten besitzt.

Ein Beispiel für die Idee: Wenn Städte beispielsweise Elektroladesäulen aufstellen möchten, kann Geospin über seine Datenanalysen herausfinden, wo optimale Standorte für Elektroladesäulen wären – auch, wenn es noch nicht viele Erfahrungsberichte dazu gibt.

Geospin legt dazu viele verschiedene Kartenlayer übereinander – immer mit unterschiedlichen Informationen. Die einen bestehen nur aus geographischen Orten und Straßen, die anderen sind zeitabhängig und stellen ähnlich einer Heatmap dar, wo sich wann viele Menschen oder auch Autos aufhalten. Andere Layer bestehen aus Social-Media-Daten, aus Wetterdaten oder aber dem Zensus.

Die Geospin-Experten können dann aus der erstellten Karte herauslesen, dass vielleicht morgens viele Menschen aus Wohngebieten zu den nächsten Schulen, Kitas und Kindergärten fahren, dort kurz verweilen und sich dann auf den Weg zur Arbeit machen – also wieder verstreuen. Vielleicht fahren im Winter bei Eis und Schnee mehr Autos her, oder auch wenn es regnet? Ein ähnliches Verhalten kann man ablesen, wenn man sich andere Punkte wie Supermärkte oder Einkaufscenter anschaut, vielleicht aber auch Veranstaltungshäuser.

Aus diesen Informationen kann Geospin dann nicht nur Aussagen für die Zukunft für diese Ballungsräume treffen, sondern sie auch für Städte und Kommunen aufbereiten, für die solche Daten womöglich noch gar nicht vorliegen – denn auch dort gibt es sogenannte „Referenzorte“ wie Schulen, Supermärkte, Kindergärten.

Daraus kann Geospin nun ableiten, wann die Menschen wo wie lange Zeit haben, an einer Elektroladesäule zu tanken oder aber nicht. Wo es vielleicht Sinn macht, induktive Lademöglichkeiten in den Boden einzulassen, weil die Autos nur kurz halten, oder aber wo der Fahrer sogar aussteigt und auch einen Tankstecker ins Auto stecken kann.

Unternehmenssitz: Freiburg im Breisgau

Mitarbeiterzahl: 12

Finanzierungsform: Geospin ist eigenfinanziert. Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Als die Gründer gemerkt haben, dass die Nachfrage da ist, haben sie sich für Förderprojekte beworben. Gefördert wurden sie dann vom BMVI und weiteren Partnern.

Umsatz: Derzeit beläuft er sich im sechsstelligen Bereich.

Partner: Volkswagen, Deutsche Bahn oder Siemens sind Partner oder Kunden von Geospin. Für VW hat Geospin beispielsweise analysiert, wann es sich lohnt, das Start-Stop-System an- und auszuschalten.