Worauf es jetzt bei Mercedes ankommt

Wenn Ola Källenius an diesem Freitag die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 im Carl-Benz-Center unweit der Firmenzentrale in Stuttgart verkündet, dann dürfte der Schwede mehr als zufrieden sein. Zwar hat das Unternehmen beim Absatz wegen Chipmangel und Lieferschwierigkeiten mit 2.043.900 Einheiten gegenüber dem Vorjahr leicht eingebüßt. Doch beim Umsatz und Gewinn könnten abermals Rekordwerte erreicht werden.

Nach Schätzungen von Analysten dürfte der Konzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von 147,6 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Der Gewinn (EBIT) dürfte bei rund 19,7 Milliarden Euro und damit auf Rekordniveau liegen. Ein Vergleich mit dem Vorjahr ist nicht so leicht möglich, weil die Lkw-Sparte noch im Konzern war. Rechnet man aber Mercedes-Benz Cars and Vans und Mercedes-Benz Mobility für 2021 zusammen, lag das EBIT für die Autosparte im schon hervorragenden Vorjahr bei rund 19,5 Milliarden Euro.

Die Luxusstrategie des Unternehmen ist damit einmal mehr aufgegangen. Auch bedingt durch die Knappheit bei Halbleitern verkauft die Marke mit dem Stern bevorzugt teure Autos aus dem so genannten Top-End-Segment. Dazu gehören die Luxuslimousinen und SUVs von Maybach, die besonders sportlichen AMG-Fahrzeuge sowie der Kultgeländewagen G-Klasse, der bevorzugt mit hochwertiger Ausstattung und einem hohen Grad an Individualisierung verkauft wird. Das treibt die Rendite, die damit im Zielkorridor der Prognose von 13 bis 15 Prozent lag.

Es stellt sich die Frage, ob sich der Erfolg auch in diesem Jahr wiederholen lässt. Vieles spricht dafür, denn trotz aller Konjunktursorgen wegen Ukraine-Krieg und Inflation sind die Auftragsbücher gerade bei den Premiumherstellern noch gut gefüllt. Zudem hat Mercedes mit der Einführung der neuen E-Klasse im Frühjahr einen Trumpf in der Hand, der im Laufe des Jahres für einen Absatzschub sorgen könnte. Dagegen zeigt das Preisniveau auf dem Gebrauchtwagenmarkt erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder nach unten.

Viel entscheidender wird aber, wie Mercedes-Chef Ola Källenius in Zukunft Luxusstrategie und Wandel hin zur Elektromobillität vereinbaren kann. Mit der geplanten kompletten Umstellung bis 2030 hat sich das Unternehmen ein äußerst ehrgeiziges Ziel gesetzt. Zwar bedeuten 117.800 Auslieferungen von BEV im Jahr 2022 mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Doch der Anteil am Gesamtvolumen bleibt mit 5,8 Prozent sehr bescheiden. Dies ist umso bemerkenswerter, als Mercedes mit EQA, EQB, EQC, EQV sowie EQS und EQE und deren SUV-Varianten bereits acht Modelle im Angebot hat. Doch die spielen in den Bestseller-Listen kaum eine Rolle.

Ein Grund dafür ist sicher, dass die Verbrenner derzeit noch mehr Gewinn abwerfen und daher bevorzugt ausgeliefert werden. So gingen 2022 allein 1100 Maybach pro Monat nach China. Dazu kommt aber, dass Mercedes-Fahrer offenbar nur schwer zum Umstieg auf reine E-Fahrzeuge zu bewegen sind. So ist es zu erklären, dass Mercedes nun auch den Aufbau eines Ladenetzes in die eigene Hand nimmt und Milliarden investiert, um die Schwelle für den Wechsel zu senken. Über 10.000 Schnellladepunkte sollen in den nächsten Jahren weltweit entstehen. Als Vorbild dient dabei Tesla. Der Elektropionier hat schon früh erkannt, dass es ein großer Vorteil ist, wenn Elektroauto und Ökosystem aus einer Hand kommen.

Während Mercedes in der Verbrenner-Welt wie BMW oder Audi für technologische Überlegenheit stand, sieht dies bei der Elektromobilität ganz anders aus. Nicht nur Tesla, auch der amerikanische Wettbewerber Lucid oder chinesische Hersteller wie Nio oder Xpeng können konkurrenzfähige Luxusautos bauen, die zum Teil aber deutlich günstiger sind. So musste Mercedes für den EQS in China bereits die Preise senken.

Für Mercedes kommt es darauf an, sich in den nächsten Jahren auch in der neuen Batterie-Welt eine absolute Spitzenstellung zu erarbeiten. Eine Möglichkeit dazu bieten die neuen reinen Elektroplattformen, die ab 2024 für die Kompaktwagen und 2025 für die größeren Fahrzeuge und Sportwagen von AMG kommen sollen. Spätestens dann muss Mercedes wieder die Innovationsführerschaft übernehmen. Ansonsten könnte es bald eng werden mit Luxusstrategie und Rekordgewinnen.

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