Herr Zöllner, was zeichnet das Testfeld in Baden-Württemberg aus?
Wir haben derzeit vor allem Strecken im innerstädtischen Bereich in Karlsruhe, Heilbronn und Bruchsal ausgewiesen. Momentan sind dies 30 Kilometer, in Zukunft sollen es mehr als 200 sein. Diese Straßen sind hochgenau kartiert, also jedes Schild, jeder Bordstein ist erfasst. Dazu kommen Sensoren und Kameras, die das Verkehrsgeschehen, aber auch beispielsweise den Ampelstatus aufzeichnen und an die teilnehmenden Autos weitergeben können. Das Besondere an unserem Testfeld ist, dass wir eine riesige Bandbreite von Anwendungsfällen abdecken, von kleinen Wohngebieten über große Kreuzungen bis hin zum Autobahnverkehr. Neben dem Individualverkehr ist auch der ÖPNV eingebunden.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich?
Uns interessiert vor allem, wie wir reale Situationen im Verkehr bewältigen können und in welchem Ausmaß wir dies tun können. Dazu gehört etwa auch, unter welchen Wetterbedingungen wir fahren können und welcher Ergänzungen es bei der Infrastruktur im Zweifel bedarf, wenn etwa kein GPS-Empfang vorhanden ist. Eine Ampelerkennung beispielsweise muss unter allen Eventualitäten einwandfrei funktionieren. Wir lernen aber auch durch die Beobachtung einer Kreuzung, etwa wenn ein Fahrzeug im Gegenverkehr verbotener Weise einen U-Turn macht, was durchaus vorkommt.
Welche technologischen Voraussetzungen bedarf es noch bei der Infrastruktur?
Da gibt es viele Herausforderungen. Dies setzt bei der Vernetzung der Infrastruktur an. Aber auch die Technologie der Übertragung ist noch nicht abschließend geklärt. Funktioniert es über eine Art W-LAN am Straßenrand oder ein 5-G-Netz? Auch die Sensoren sind technologisch noch nicht auf dem Stand, den man gerne hätte. Zudem stellt sich die Frage, ob man die Infrastruktur clever macht oder das Fahrzeug. Dies ist auch eine Haftungsfrage. Kombiniert man beides, erhöht sich die Sicherheit des Fahrzeugs.
Wann werden wir die ersten Level-5-Fahrzeuge auf der Straße sehen?
Ein Auto ohne Fahrer im normalen Alltagsbetrieb sehe ich erst in 20 bis 30 Jahren. In eingeschränkten und umgrenzten Bereichen, also etwa kleinen Wohnvierteln, einem Industriegelände oder Flughafen mit enger Überwachung könnte es in fünf bis zehn Jahren funktionieren. Ein falsches Erwartungsmanagement führt hier zu übertriebener Euphorie und einer Überschätzung der Systeme, die verheerende Folgen haben kann.
Wo sehen Sie Deutschland im internationalen Vergleich beim automatisierten Fahren?
Ich glaube, dass wir hier zusammen mit den USA einen Spitzenplatz einnehmen, auch wenn die finanziellen Mittel und die öffentliche Euphorie dort im Moment sicher noch größer sind. Aber wenn wir uns die Aufstellung der OEMs und Zulieferer in Deutschland anschauen, müssen wir uns nicht verstecken. Gerade bei der Künstlichen Intelligenz sehe ich jedoch Nachholbedarf. Und wir müssen jetzt über solche Testfelder in die Umsetzung gehen, um Erfahrungen zu sammeln. Jedes einzelne Projekt ist ein Schritt nach vorn.
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