Herr Röhl, Stahlgruber ist ein Schwergewicht in der Branche, warum wird überhaupt ein Verkauf in Erwägung gezogen?
Hartmut Röhl: Die Stahlgruber AG als reine Finanzholding macht sich zu Recht Gedanken über die Zukunft des Unternehmens – und zwar im weltweiten Maßstab, denken Sie nur an die neue Dimension eines Players wie Genuine Parts Company (GPC). Auf dem deutschen Markt braucht Stahlgruber niemanden, der ihn stützt, aber in der strategischen Überlegung bezogen auf Europa und auch weltweit ist es angesagt, sich umzuschauen. Deshalb ist wohl auch weniger ein Finanzinvestor, sondern eher ein strategischer Partner aus der Branche erwünscht.
Der mögliche Stahlgruber-Verkauf ist ja nicht die erste Nachricht dieser Art in den vergangenen Jahren. Wie bewerten Sie diese Entwicklung im Teilehandel?
In unserer Branche zeichnet sich ein Konzentrationsprozess ab, der vor zwei Jahren noch nicht absehbar war. Die erste große Übernahme – der Einstieg von Stahlgruber bei PV Automotive – war ein Meilenstein. Der Einstieg der Alliance Automotive Group AAG in Deutschland mit der Übernahme des Teilehändlers Coler war das zweite Signal in dieser Richtung und die Übernahme von Trost durch die WM (Wessels + Müller) SE bis zum Eintritt von GPC in den Markt der Höhepunkt.
Diese Entwicklung ist eigentlich ein positives Zeichen, denn hinter den AAG-Investoren und hinter dem US-Unternehmen Genuine Parts Company, das jetzt die AAG, eine europäische Gruppe mit einem Umsatz von immerhin ca. zwei Milliarden Euro übernommen hat, stehen Finanzinteressen in einer Dimension, die vor Kurzem im europäischen Markt noch nicht denkbar waren und ein Zeichen sind für den Glauben an die Zukunftsperspektiven des freien Teilehandels.
Wagen Sie eine Prognose: Wie viele Player wird es im deutschen bzw. europäischen Teilehandel 2025 geben?
Wenn ich der Strategie von Genuine Parts Company folge, dann gibt es künftig weniger Besitzer, aber immer noch ein flächendeckendes Netzwerk, denn die Logistikleistung und der Service finden nach wie vor lokal statt. Wir brauchen im Teilehandel eine große Abdeckung in der Fläche, um jede Werkstatt binnen einer halben Stunde beliefern zu können.
Gleichzeitig muss es zu starken Einheiten kommen, um die technischen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, zum Beispiel die Telematik als Teil der Fahrzeugwartung. Da braucht es schlagkräftige Organisationen im Hintergrund – weltweit tätige Gruppen, die Investitionen nicht nur für einen Markt tätigen müssen.
Es ist in der Zukunft nicht mehr damit getan, dass ein Großhändler sich ein Teilesortiment aussucht und das vertreibt. Die Dienstleistung drum herum wird immer wichtiger, denn die Werkstätten entwickeln sich in Richtung Mobilitätsdienstleister.
Wird der Trend zu immer größeren Einheiten im Teilehandel denn nicht als Bedrohung gesehen?
Der weltweite Umsatz von GPC ist größer als der des gesamten deutschen Teilehandels. Das sagt etwas aus über die Dimension dieses Markteintritts in Europa und das sorgt zunächst einmal für einen erheblichen Schreckeffekt auf die Lieferanten. Und wenn GPC davon ausgeht, dass in wenigen Jahren nur noch drei Gruppen den Aftermarkt in Europa dominieren, dann ist das für jeden Lieferanten eine bedrohliche Situation. Denn wenn er nur bei einem dieser drei Unternehmen ausgelistet wird, verliert er einen bedrohlichen Teil seines Umsatzes.
Natürlich ist ein so großer Player in der Lage, einen zerstörerischen Wettbewerb zu initiieren, aber daran ist GPC offenbar nicht interessiert. Denn GPC will zwar die Besitzverhältnisse verändern – aber nicht die Strukturen auf dem Markt. Wie man aus AAG-Verlautbarungen weiß, bleiben die Unternehmen selbst am Markt bestehen. Das heißt, es kommt zu einer Machtkonzentration, aber nicht zu einer sichtbaren Markteinschränkung des Wettbewerbs. Eine große Mutter im Hintergrund kann die Unternehmen stärken, aber sie werden sich, wie aus den Presseverlautbarungen hervorgeht, im Markt nicht anders verhalten als bisher.
Welche Optionen sehen Sie bei Stahlgruber?
Bei Stahlgruber gibt es nur wenige Alternativen, die aus der Gruppe einen Player im Weltmaßstab machen würden, aber auch dann würde sich künftig an der erfolgreichen Politik auf den einzelnen Märkten nichts ändern.
Eventuell wird man mit einem strategischen Partner in weitere europäische Märkte expandieren, aber die Struktur in Deutschland ist gefestigt, Stahlgruber hat hier eine marktführende Position und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass man den erfolgreichen Weg mit einem neuen Inhaber verlässt.
Gehandelt wird ja auch der schwedische Finanzinvestor EQT.
Ja, EQT ist in der Presse genannt worden. EQT engagiert sich auch schon in Skandinavien, in Polen und im Baltikum im Kfz-Teilebereich und wäre somit eher ein strategischer als ein Finanzinvestor. Allein die Tatsache, dass sich die Finanzinvestoren für den Teilehandel interessieren, ist ein gutes Zeichen, denn sie würden das nicht machen, wenn es sich nicht rechnen würde und der Teilehandel keine günstige Zukunftsprognose hätte.
Das heißt, Sie sind insgesamt optimistisch?
Wir als Verband sehen durch einen eventuellen Verkauf von Stahlgruber weniger strukturelle Veränderungen, als wenn – so wie es in der Vergangenheit oft der Fall war – die mittleren und kleinen Händler von den großen geschluckt werden.
Wir glauben, dass es weiterhin zu Arrondierungen bei den großen Gruppen kommen wird. So wird sicher GPC weiter in Osteuropa zukaufen oder Coler als deutscher Arm von GPC in Deutschland weiter Unternehmen akquirieren und so seine Flächendeckung ausbauen.
Ein Großunternehmen, das das Geschäft in Europa so betreiben will, wie es beispielsweise der US-Konkurrent LKQ als potenzieller Übernehmer tut, der ja in den letzten Jahren in Europa bereits eine der größten Gruppen zusammengekauft hat, wird sicher noch weitere Akquisitionen in Europa tätigen.
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