Für die CO2-Reduzierung im Verkehr setzen Autoindustrie und Bundesregierung bisher auf die schnelle Durchsetzung der Elektromobilität, denn E-Autos fahren klimaneutral, sofern sie mit Ökostrom geladen werden. Doch bisher ist der Anteil an reinen E-Autos noch gering. Es wird daher noch Jahrzehnte dauern, um die gesamte Flotte von 47 Millionen Fahrzeugen allein auf deutschen Straßen auszutauschen. Da scheint es logisch, am Bestand anzusetzen und nach einem Weg zu suchen, wie auch Verbrennerfahrzeuge klimaneutral betrieben werden können.
Eine solche Möglichkeit der indirekten Elektrifizierung stellen synthetische Kraftstoffe dar. Dabei wird in einem ersten Schritt aus regenerativem Strom, der beispielsweise aus Wind- oder Solarenergie stammt, Wasserstoff hergestellt. Dieser kann für Brennstoffzellenfahrzeuge verwendet werden oder in einem weiteren Schritt unter Zuführung von Kohlenstoffdioxid in gasförmige oder flüssige Kraftstoffe verwandelt werden. Synthetische Kraftstoffe unterscheiden sich technologisch nicht von ihrem herkömmlichen Pendant wie Diesel oder Benzin und können daher in bestehende Verbrennungsmotoren eingesetzt werden.
Ein der Treiber bei synthetischen Kraftstoffen ist der Bosch-Konzern. "Synthetische Kraftstoffe können Benziner und Diesel CO2-neutral machen", sagt Bosch-Chef Volkmar Denner, der viele Vorteile in der Technologie sieht. So seien beispielsweise die Produktionsverfahren etabliert. Die Kapazitäten müssten aber rasch ausgebaut werden, um den Bedarf zu decken, so die Forderung des Konzerns in einem aktuellen Papier zu eFuels. Investitionsanreize ließen sich durch Kraftstoffquoten, die Anrechnung von CO2-Einsparungen durch eFuels auf den Flottenverbrauch und langfristige Planungssicherheit schaffen. Außerdem könnten synthetische Kraftstoffe in die bestehende Infrastruktur der Tankstellen integriert werden. Hohe Investitionen sind daher nicht nötig.
Für die synthetischen Kraftstoffe spricht außerdem ihre Lagerfähigkeit. Sie können problemlos über weite Strecken transportiert werden und können so als Zwischenspeicher für Energie dienen. So kann der Kraftstoff aus Stromüberschüssen überall auf der Welt in Zukunft prinzipiell unbegrenzt hergestellt werden. Damit ist er auch den Biokraftstoffen überlegen, für die zum Teil Felder für den Anbau von Pflanzen benötigt werden, die ansonsten der Nahrungsmittelproduktion dienen könnten. Die Entscheidung zwischen Tank oder Teller entfällt. Bosch hat errechnet, dass je nach Kosten der eingesetzten regenerativen Energie ein mit eFuels betriebener Hybrid bis zu einer Laufleistung von maximal 160.000 Kilometern günstiger sein könnte als ein Langstrecken-Elektroauto.
Allerdings gibt es auch Nachteile und noch viele ungelöste Probleme bei synthetischen Kraftstoffen. In einer Greenpeace-Studie vom April dieses Jahres wird beispielsweise auf den geringen Wirkungsgrad von synthetischen Kraftstoffen hingewiesen. So werden für eine Fahrstrecke von 100 Kilometer bei einem batterieelektrischen Fahrzeug 15 kWh Strom benötigt, bei der Erzeugung von Wasserstoff für ein Brennstoffzellenfahrzeug 31 kWh, für synthetisches Benzin jedoch bis zu 103 kWh. Es müssten also gigantische Stromkapazitäten aufgebaut werden, um die Produktion in großen Mengen zu ermöglichen.
Ebenfalls problematisch: Die Anlagentechnik ist heute noch teuer und es gibt nur wenige Testanlagen. Zwar existieren Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene. So hat zum Beispiel Baden-Württemberg im Rahmen des Strategiedialogs mit der Automobilwirtschaft das Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ins Leben gerufen. Vorgesehen ist beispielsweise, CO2 aus der Zementindustrie zu binden und für eFuels zu nutzen. Doch bis zu einem flächendeckenden Einsatz dürften noch einige Jahre vergehen.
Bosch geht davon aus, dass die Kosten bei einem Markthochlauf der Produktion deutlich sinken. "Langfristig sind nach aktuellen Studien reine Kraftstoffkosten von 1,00 bis 1,40 Euro pro Liter realisierbar (exklusive Steuer)", heißt es. Auch Greenpeace sieht die schlichte Elektrifizierung der Fahrzeugflotten wegen der großen Energienachfrage des Verkehrs als nicht ausreichend. Synthetische Kraftstoffe könnten vor allem dann eine Chance haben, wenn die CO2-Neutralität nicht erst 2050, sondern bereits deutlich früher erreicht werden soll, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dabei ist der Einsatz vor allem dort sinnvoll, wo es bisher wenig Alternativen gibt. Vor allem im internationalen Luftverkehr, aber auch bei Schiffen könnten eFuels in Zukunft zum Klimaschutz beitragen.
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