Klarer Kommunikator

Wenn Porsche-Nordamerika-Chef Klaus Zellmer (53) am Hauptsitz in Atlanta privaten Gästen die Stadt zeigen wollte, dann nahm er nicht den Sportwagen der eigenen Marke, sondern das Fahrrad. "Da gibt es viele Orte zu sehen, über die man andernfalls nie gestolpert wäre", sagte er mal in einem Interview über die US-Metropole.

In nächster Zeit dürfte Zellmer kaum mehr auf dem Rad zu sehen sein. Zum einen ist Wolfsburg nicht gerade für seine Sehenswürdigkeiten bekannt. Zum anderen hat Zellmer als Nachfolger des beliebten, aber zuletzt glücklosen Jürgen Stackmann an der Spitze des Vertriebs der Marke VW alle Hände voll zu tun – zumal er seinen neuen Job recht kurzfristig antreten musste.

Während die Porsche-Welt mit 850 Händler-Standorten recht überschaubar ist, sieht es bei der Marke Volkswagen ganz anders aus. Die ist weltweit in mehr als in 150 Märkten präsent und hat im Jahr 2019 rund 6,3 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert. Derzeit arbeiten weltweit 195.900 Menschen bei Volkswagen. Hinzu kommen mehr als 10.000 Handelsbetriebe mit 86.000 Mitarbeitern.

Auf Zellmer warten Mammutaufgaben. Er muss die Elektrooffensive mit den Modellen der ID-Familie weltweit zu einem Erfolg führen. Gleichzeitig soll er die immer noch bescheidene Marge von VW-Pkw in den nächsten Jahren verbessern und vor allem die Digitalisierung im Vertrieb voranbringen. "Zusammen mit ihm werden wir den mit ‚New Volkswagen‘ eingeschlagenen Weg weiter konsequent fortsetzen", sagte Markenchef Ralf Brandstätter.

Nach Angaben des Unternehmens bezeichnet "New Volkswagen" den "Aufbruch in eine neue Welt, in der Digitalisierung und Vernetzung die Kunden-Kommunikation datengetriebener, personalisierter und viel individueller machen". Für den neuen Auftrittwurden Formen- und Bildsprache, Corporate Identity und Kommunikationsstil komplett überarbeitet.

Die Voraussetzungen für den Job bringt der eloquente Redner mit – auch wenn sich Luxusautos sicherlich leichter verkaufen lassen als Massenware. Zellmer war 23 Jahre bei Porsche. In dieser Zeit entwickelte er unter anderem das Vertriebsnetz in Frankreich weiter und wurde schließlich zum Chef von Porsche Deutschland berufen, bevor er 2015 nach Atlanta kam.

In den USA gelang es Zellmer, die Verkaufszahlen in den fünf Jahren deutlich zu steigern, außerdem führte er zahlreiche Neuerungen ein. Dazu zählt etwa das Abo-Modell Porsche-Passport, bei dem Kunden per Smartphone auf monatlicher Basis aus einem Pool von Fahrzeugen wählen können. "Die Konsumenten wollen zunehmend Flexibilität und individuelle Auswahl und möchten dabei ihr mobiles Endgerät nutzen", sagte Zellmer bei der Einführung.

Zellmer, der im Stuttgarter Stadtbezirk Degerloch aufgewachsen ist und Betriebswirtschaft am Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen studierte, gilt bei Mitarbeitern als beliebte Führungspersönlichkeit. Weggefährten bei Porsche loben Zellmers offene und direkte Art, die bei der Kommunikation mit Geschäftspartnern Klarheit schafft. "Er ist sehr motivierend und lässt kein Lob für eine gute Leistung aus", sagt ein US-Mitarbeiter.

Dazu kommt offenbar eine gehörige Prise Humor. Als Zellmer die weltweit auf drei Kontinenten zelebrierte Taycan-Premiere vor der Kulisse der Niagara-Wasserfälle moderierte, da wurde ein Film nicht rechtzeitig eingespielt. "Zellmer hat die Situation derart souverän und mit viel Selbstironie überbrückt, dass am Ende der Saal schallend gelacht hat", erinnert sich ein Teilnehmer. In Wolfsburg werden sie das noch mehr zu schätzen wissen als eine Radtour durch die Stadt.

Lesen Sie auch:

Klaus Zellmer wird Vertriebschef von VW Pkw

Porsche Nordamerika: Kjell Gruner folgt auf Zellmer

Trotz Corona: VW Pkw will Gewinn erzielen

Aus dem Datencenter:

Modellvorschau ID 2020 bis 2023