„Kevin, gerne gleich auch alle Autobesitzer enteignen“

Wenn man sagt, mit zunehmendem Alter nehme die Bereitschaft sich auf Veränderungen generell und neue Technologien im Speziellen einzulassen ab, trifft das sicher nicht auf Erich Sixt zu. Eine seiner jüngsten Entscheidungen: In einer App will er alle Mobilitätsangebote seines Unternehmens bündeln. Nach einem Blick auf die bisherigen strategischen Entscheidungen und die Geschäftsentwicklung der vergangenen Jahren kann man sich gut vorstellen, dass auch daraus ein Erfolg wird.

Kurz vor seinem 75. Geburtstag Ende Juni, konnte sich Sixt, Chef des gleichnamigen börsennotierten Autoverleihers, denn auch auf der Hauptversammlung von seinen Aktionären feiern lassen. Sixt hatte den Umsatz 2018 um 13 Prozent auf über 2,9 Milliarden Euro erhöht und den Gewinn auf 535 Millionen verdoppelt.

"Sixt war wirtschaftlich noch nie so stark wie heute. Das Jahr 2018 war das fünfte Rekordjahr in Folge. Wir sind hervorragend gerüstet, um den weltweiten Mobilitätsmarkt maßgeblich mitzugestalten", hatte Sixt schon bei der Präsentation der der vorläufigen Jahreszahlen betont.

Der Firmenchef, der das Familienunternehmen in dritter Generation leitet, konnte zwar auf den Leistungen von Martin (gründete 1912 den ersten Autoverleih Bayerns) und Hans Sixt (Sixt setzt 1948 als erstes europäisches Unternehmen Funktaxis ein) aufbauen. Doch das eigentliche Wachstum fand ab 1969 unter seiner Ägide und der seiner Frau Regine, die 1976 in die Firma kam, statt.

Während viele Familienunternehmen die Kapitalbeschaffung via Börsengang scheuen, aus Angst, die Macht im eigenen Unternehmen und die Kultur als Familienunternehmen zu verlieren, hatte Sixt hier keine Berührungsängste. 1986 brachte er Teile des Autoverleihers an die Börse. "Ich habe das nie bereut. Ohne den Kapitalmarkt wären wir nicht dort, wo wir heute stehen", sagte Sixt 2012, 100 Jahre nach der Unternehmensgründung, der Tageszeitung "Welt". Das Geld aus dem Börsengang nutzte Sixt, um die Expansion in Europa und darüber hinaus voranzutreiben.

Zu einem Markenzeichen von Sixt wurden auch die pfiffigen Werbeanzeigen, für die oft Politiker und Funktionäre herhalten mussten. Für Sixt ein Drahtseilakt. Oskar Lafontaine ging das 1999 zu weit, er klagte dagegen – und verlor schließlich in letzter Instanz den Prozess, weil der BGH Sinn für hintergründigen Humor zeigte. Zu den jüngsten Motiven zählte Juso-Chef Kevin Kühnert, dem Sixt ganz eigennützig empfahl: "Kevin, gerne gleich auch alle Autobesitzer enteignen". Oder der infolge der Ibiza-Affäre zurückgetretene österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache, dem Sixt ein Mercedes-Modell ans Herz legte mit dem Hinweis: "Piept, bevor Sie gegen die Wand fahren."

Früh am Start war Sixt auch mit Carsharing im heutigen Sinn: 2011 startete er zusammen mit BMW das DriveNow-Carsharing-System. Anfang 2018 kaufte BMW Sixt zwar aus dem Joint Venture heraus, um die eigenen Mobilitätsdienstleistungen mit denen von Daimler zusammenzulegen. Doch Sixt wäre nicht Sixt, wenn er das in diesem Gemeinschaftsunternehmen gewonnene Know-how nicht nutzen würde. Er startete sein eigenes Carsharing-Angebot Sixt Share, das nach Berlin und Hamburg nun auch in München verfügbar ist.

Dabei setzt Sixt auf Klotzen statt Kleckern. In München starte man „zunächst“ mit 700 Fahrzeugen. Das sind 250 mehr als Car2Go in der bayerischen Hauptstadt vorhält und nur 50 weniger als DriveNow eigenen Angaben zufolge einsetzt. Dabei hat Sixt einen unschätzbaren Vorteil: Er kann Fahrzeuge zwischen seinem klassischen Vermietgeschäft und dem Carsharing nach Bedarf relativ leicht hin und her schieben. Diese beiden Angebote sowie das Ridehailing bündelt Sixt in seiner neuen App.

Und einen neuen Automobilhersteller als Kooperationspartner hat Sixt auch gewonnen: Den BMW-Konkurrenten Audi. Sixt zufolge nutzt Audi die Plattform des Vermieters zum Aufbau seines Mobilitätsangebots "Audi on demand". Zudem soll Sixt in diesem Rahmen für die Kurzzeitmieten von Audi-Fahrzeugen zuständig sein.

Kein Wunder, dass dem gebürtigen Niederösterreicher sein Geschäft Freude macht und er noch nicht ans Aufhören denkt. Den Begriff "arbeiten" gebe es bei ihm nicht, sagt der passionierte Pilot, der auch schon den Atlantik am Steuerknüppel überquert hat: "Ich gehe meinem Vergnügen nach." Er dürfte also noch einige Zeit im Sixt-Cockpit sitzen.

Allerdings sind mögliche Nachfolger aus der Familie, die immer noch 58 Prozent der Unternehmensanteile hält, schon eingearbeitet: seine Söhne Alexander und Konstantin. Alexander Sixt kam nach Stationen bei der Deutschen Bank und bei der Unternehmensberatung Roland Berger zur Sixt SE. Sein jüngerer Bruder Konstantin ist als Vertriebschef mit ihm im Vorstand.

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