"Keine Industrie, die dem Untergang geweiht ist"

"Strategiewechsel in der Zulieferbranche" lautete der Titel einer Podiumsdiskussion auf dem Automobilwoche Kongress in Berlin. Doch von einem Wechsel will Webasto-Vorstandschef Holger Engelmann für sein Unternehmen nicht sprechen. Webasto wolle die Strategie nicht ändern, sondern erweitern, so der Manager. Zum einen hält er an der Weiterentwicklung des Kerngeschäfts mit Dächern und Standheizungen fest. "Das ist unser sicheres Standbein im Markt."

Zum anderen bewegt sich das Unternehmen in neue Geschäftsfelder, die zum Kompetenzprofil des Zulieferers passen. Dazu gehören im Bereich der E-Mobilität Lade- und Batterielösungen. So will Webasto Anfang 2020 ein eigenes Standardbatteriesystem für Nutzfahrzeuge anbieten.

In den vergangen Jahren hat der Zulieferer viel Elektronik-Know-how aufgebaut. Mechanik und Elektronik werden künftig enger verzahnt. Bis 2025 soll Webasto laut Engelmann ein komplett denkendes und handelndes mechatronisches Unternehmen sein. "Wir wollen konsequent auf beiden Schuhen laufen", spielt Engelmann auf die Kombination aus traditionellen und neuen Geschäftsfeldern an.

Auch Bernd Eckl, Mitglied der Mahle-Konzern-Geschäftsführung und Vorsitzender der Geschäftsführung der Behr-Gruppe, betont die duale Strategie des Unternehmens. Er weist darauf hin, dass das Unternehmen etwa sieben Milliarden Euro seines Umsatzes von insgesamt 12,5 Milliarden Euro nicht mehr mit verbrennungsmotorischen Produkten erzielt.

Produktgruppen bei denen Mahle keine führende Rolle einnehmen kann, will der Zulieferer nicht weiter verfolgen. Dass es beim Umbau des Konzerns auch Mahner und Skeptiker gibt, begrüßt Eckl ausdrücklich. "Im Unternehmen braucht es kritische Stimmen, um das beste Ergebnis zu erreichen", ist er überzeugt.

Dem Mahle-Manager ist bewusst, dass der Zulieferer dabei in bestimmten Arbeitsbereichen Mitarbeiter verlieren wird. Doch in den neuen Bereichen gebe es "keine Bremse". Die Zukunft könne durch die Flaute nicht gefährdet werden.

Neben der Technologieoffenheit sieht er fünf weitere Elemente, um eine erfolgreiche Transformation zu gestalten. Dazu zählt er neben einer guten Strategie auch finanzielle Stärke und eine geeignete Infrastruktur. Es reiche nicht, wenn die Unternehmen die Produkte anbieten, sondern die Politik sei gefordert, um die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.

Auch geeignete rechtliche Rahmenbedingungen und ein weltweiter Freihandel gehören für ihn zu einem gelungenen Transformationsprozess. Allerdings wünscht er sich von der Bundesregierung, dass sie die bilateralen Beziehungen in der europäischen Politik noch stärker in den Fokus ihrer Außenpolitik rückt.

Eckl erhofft sich für die Zukunft einen besseren Dialog zwischen Politik und Industrie. Es gelte den Verbraucher wieder davon zu überzeugen, "dass wir wichtige Technologien für den Klimaschutz bieten können".

Mobilität nachhaltiger und sicherer zu gestalten ist das Ziel von Bosch. "Aber wir müssen in der Mobilität auch begeisternd sein und bleiben" und Mobilität müsse bezahlbar sein, verdeutlicht Stefan Hartung, Vorsitzender des Bosch-Geschäftsbereichs Mobility Solutions. Er ist davon überzeugt, dass es zu einer Verknüpfung der verschiedenen Arten von Mobilität kommen wird. Beim Thema Automation verweist Hartung auf das Thema Parken. Der Zulieferer will Parkhäuser so ausstatten, dass Fahrzeuge automatisch geparkt werden können. 2021 soll die Technik in zwölf Parkgaragen eingebaut werden. Das Ziel sind mehr als 100 bis zum Jahr 2025.

Um die Konnektivität voranzutreiben, müsse die Update-Fähigkeit der Steuergeräte gewährleistet sein. Dafür müssten allerdings erst Zulassungen auf den Weg gebracht werden, die ein Update überhaupt ermöglichen, so Hartung. Es müsse sichergestellt sein, dass bei den Updates alles Fahrzeuge auf dem gleichen Stand sind.

Hartung, der für eine Technologieoffenheit plädiert, ist der Meinung, dass bei der E-Mobilität nicht nur batterieelektrische, sondern auch Hybrid- und Wasserstofftechnologie ihre Berechtigung haben.

Zudem plädiert er für Partnerschaften. Für Hartung stehen dabei aber nicht Skaleneffekte im Vordergrund, sondern Know-how-getriebene Kooperationen. Er verweist dabei auf die Zusammenarbeit mit Benteler und Bosch, die gemeinsam ein sogenanntes Rolling Chassis für Elektrofahrzeuge entwickelt haben.

Um die künftigen Herausforderungen bewältigen zu können, sei man bei Bosch einerseits auf der Suche nach Talenten, gleichzeitig gebe es Überkapazitäten, müsse restrukturieren und Mitarbeiter abbauen. Langfristig bezeichnet er die Perspektiven für die Branche als „nicht schlecht“. Es sei "keine Industrie, die dem Untergang geweiht ist". Die entscheidende Gefahr für die Autoindustrie sieht er darin, dass der Konsument verunsichert wird und seinen Autokauf verschiebt.

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