Automobilwoche: Wann tritt die Telekom denn dem Here-Konsortium bei?
Reinhard Clemens: Ich schaue mir das Geschäftsmodell noch genau an. Wir würden dem Konsortium nur beitreten, wenn es sich für uns auch rechnet. Und das hängt auch davon ab, wie sich die Welt um uns herum in Zukunft vernetzen wird. Hier haben wir noch Gesprächsbedarf. Aber nicht vergessen: Wir sind der 5G Automotive Alliance gerade erst beigetreten. Dort geht es um die Netze der Zukunft fürs Auto. Und dort sitzen wir ja mit den Großen der Branche an einem Tisch.
Tun sich die Autohersteller schwer, Geschäftsmodelle zu finden, die für jemanden wie die Telekom aber auch für den Endkunden Sinn machen?
Aus meiner Sicht kann man relativ gut und einfach Modelle finden, um ein perfektes Serviceerlebnis für den Kunden zu schaffen. Menschen wollen einfach das im Auto nutzen, was sie ohnehin auf ihrem Smartphone haben. Wir haben beispielsweise einem Automobilbauer den Musik-Streaming-Dienst Spotify fürs Auto angeboten.
Doch man wollte uns die Kundendaten nicht weitergeben, sondern hat sich stattdessen für einen eigenen Musikservice entschieden. Der hat sich dann nicht durchgesetzt, weil die Massendurchdringung fehlte. Solche Plattformen brauchen Millionen über Millionen von Nutzern, sonst sind sie nicht systemrelevant.
Sind die Autohersteller in dem Bezug arrogant?
Nein, sicher nicht. Sie haben sehr gut erkannt, dass sie sich verändern müssen. Jede Branche hängt natürlich an ihrer Cash Cow. Und niemand gibt gerne eine sichere Einnahmequelle auf. Aber wir müssen uns alle verändern.
Wie funktioniert diese Veränderung?
Nehmen wir die Einkaufsorganisationen von großen Unternehmen als Beispiel: Sie kaufen bei anderen Unternehmen Dienstleistungen ein – nach dem Motto “Das, was du mir lieferst, gehört mir.“ Jetzt entstehen aber Geschäftsmodelle, die vorwiegend partnerschaftlich funktionieren und damit kann der Einkauf der alten Schule nicht umgehen. Eigentlich müssten wir für diese neuen Modelle der Zusammenarbeit eine ganz andere Vorgehensweise etablieren.
Könnte nicht die Telekom der Game-Changer sein, der alle an einen Tisch holt, um den Umgang untereinander anders zu regeln?
Das versuchen wir und die Gespräche nehmen Fahrt auf. In der Vergangenheit waren sie geprägt von großer Zurückhaltung. Aber alle Beteiligten verstehen immer besser, dass Alleingänge hier zu nichts führen.
Sie haben kürzlich gesagt, dass es wahrscheinlich für alle von Nutzen wäre, wenn man die Daten, die jedes Unternehmen sammelt, zusammenwerfen würde, sodass dann jeder, der auch Daten liefert, seinen Nutzen daraus ziehen kann. Warum macht man das nicht?
Die große Problematik ist heute, dass in den Köpfen aller Führungskräfte der Erfolg von Google und Facebook so visibel ist. Jeder möchte mit Daten Geld verdienen. Wenn sie als Autoanbieter das Modell der Großen aus dem Silicon Valley kopieren würden, müssten Sie das Auto an den Kunden verschenken – die Daten aber, die das Auto sammelt, gehen direkt an den Hersteller. Das ist das Google-Modell. Das wird für die Autoindustrie nicht in Frage kommen.
Im Zeitalter der Digitalisierung müssen wir als IT-Dienstleister zusammen mit der Autoindustrie noch viel mehr darüber sprechen: Was will der Kunde überhaupt und wie bekommt er einen Nutzen? Der Kunde will nichts anderes als unkomplizierten Service. Wem die Daten gehören und wer sie monetarisiert, ist ihm egal, sobald sichergestellt ist, dass der Service komfortabel ist und sein Leben leichter macht.
Gut, aber dafür braucht man ja einen gemeinsamen Datenpool.
Stimmt. Wir brauchen auf lange Sicht einen zentralen Datenpool – und den in Echtzeit. Dafür allerdings müssen wir lernen, wie wir miteinander zusammen arbeiten. Wichtig ist hier: Wenn wir Daten des Kunden sammeln, dann muss er dafür seine Zustimmung geben. Oder wir arbeiten mit völlig anonymisierten Daten. Das geht auch. Damit können wir schon wahnsinnig viel gestalten. Aber eben nur gemeinsam.
Danke Herr Clemens für das Gespräch.
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