In Sindelfingen baut Mercedes die hochmoderne Produktionsstätte Factory 56. In der voll digitalisierten Fertigung sollen ab dem kommenden Jahr nicht nur die S-Klasse und der voll elektrische EQS produziert werden, sondern auch Robo-Taxis, für die Daimler derzeit zusammen mit Bosch die Technologie und das Fahrzeug entwickelt. Von mehr als 10.000 Einheiten in einer ersten Welle war bereits die Rede.
Doch ob dies wirklich so kommt, darf seit dem Auftritt von Daimler-Chef Ola Källenius beim Kapitalmarkttag in London bezweifelt werden. Dort verkündete der Konzernlenker eine Kehrtwende beim automatisierten Fahren. "Zehntausende von Daimler-Taxis auf den Straßen halten wir für nicht realistisch", sagte Källenius. Dafür würden auch die Investitionen angepasst.
Der Fokus liege nicht mehr auf dem chaotischen, städtischen Umfeld, sagte Källenius auf Nachfrage in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Hier reiche es nicht, 99,9 Prozent der Situationen zu beherrschen, sondern man müsse den ganzen langen Weg gehen. Dies bedeute einen immensen technologischen und finanziellen Aufwand. Daimler müsse daher nicht bei den Ersten sein.
Stattdessen will sich das Unternehmen beim Level 4 und 5, bei dem kein Fahrer mehr benötigt wird, auf die Trucks konzentrieren. "Damit lässt sich Geld verdienen", ist Källenius überzeugt. Beim ersten Anwendungsfall geht um die Transporte von einem Logistikzentrum zum anderen, bei denen die Strecke zu einem Großteil aus Autobahnfahrt besteht, die technologisch am leichtesten zu bewältigen ist.
Um hier schneller voranzukommen, hat die Truck-Sparte jüngst den US-amerikanischen Software-Spezialisten Torc Robotics gekauft. Erste Tests verliefen vielversprechend, erklärte Truck-Chef Martin Daum. "Es ist erstaunlich, was wir können, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
Bei den Autos dagegen will Källenius sich auf Autobahnfahrten auf dem Level 3 konzentrieren, bei denen der Fahrer im Notfall immer noch eingreifen muss. Dafür hat Daimler jüngst eine Allianz mit BMW geschlossen, um die Kosten für die Entwicklung dieser Fahrerassistenzsysteme zu halbieren.
Was die Neuausrichtung für die Partnerschaft mit Bosch bedeutet, blieb zunächst unklar. Källenius sprach auf Nachfrage davon, dass die Ausgaben hierfür gekürzt werden müssten. Ein Bosch-Sprecher sagte der Automobilwoche, die Zusammenarbeit laufe erfolgreich und werde fortgeführt.
Seit 2017 entwickeln Bosch und Daimler im Projekt "Athena" selbstfahrende Autos der Level 4 und 5. Allerdings kommen die beiden Unternehmen wie viele Konkurrenten auch langsamer voran als zunächst geplant. Im Frühjahr hatte Daimler-Projektleiter Michael Hafner der Automobilwoche noch das Jahr 2021 als möglichen Startpunkt genannt. Nun ist in beiden Unternehmen eher vom Jahr 2023 die Rede.
An dem Projekt arbeiten mehrere Hundert Mitarbeiter beider Unternehmen. Die Investitionen für die Technologie gehen in die Milliarden. Im kalifornischen San Jose soll in diesen Wochen ein erster Test mit autonom fahrenden S-Klasse-Shuttles starten.
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