JLR fehlt eine kurz-, mittel- und langfristige Strategie

Herr Weinert, Jaguar Land Rover hat jüngst seine Strategie vorgestellt, die einen schnellen Wandel zur Elektromobilität vorsieht. Wie kommt das bei den Vertriebspartnern an?

Dem Handel wurde lediglich ein Datum für eine kurzfristige und radikale Umstellung der Jaguar Fahrzeugpalette genannt. Der Zeitrahmen für LR war dagegen weniger kurzfristig. Dazu gibt es aber von der Seite des Herstellers bis heute weder eine Strategie noch ein Konzept, welches dem Handel vorliegt. Das schafft für uns Händler massive Probleme. Diese Herausforderungen kommen zusätzlich zu denen von Pandemie und Chipmangel.

Aber Jaguar Land Rover hat jüngst Entgegenkommen signalisiert. Mit welchen Maßnahmen?

JLRD hat auf die Forderung des Händlerverbandes nach einer Unterstützung bei der Liquidität der Händler und nach einer Korrektur der Jahresverkaufsziele von Jaguar positiv reagiert.

Reicht das nicht?

Nein, absolut nicht. Der eigentliche Grund für die Schieflage bei den Verkäufen liegt in der stark eingeschränkten Lieferfähigkeit bei den meisten unserer Modelle. Im Gegenteil, die Lieferfähigkeit wurde nochmals eingeschränkt. Hier gibt es keine konkreten Planungen, wie der Handel diese Herausforderung in 2021/2022 meistern könnte. Dem Handel fehlen verbindliche Kurz- und Mittelfristplanungen.

Was heißt das?

Die dringend benötigten Plug-in-Hybridmodelle sind voraussichtlich im Jahr 2021 nicht lieferbar. Das wichtigste Modell bei LR, der Defender, sowieder F-Pace bei Jaguar sind nach dem jetzigen Informationsstand weder als Verbrenner noch als Hybrid lieferbar. Dazu kommt, dass die aktuellen Verkaufsprogramme nicht wettbewerbsfähig sind.

Lieferprobleme haben derzeit die meisten Hersteller.

Die Addition von Pandemie und Chip-Auswirkungen, zusammen mit den seit Monaten ungelösten hausinternen Problemen, bringen den Handel in eine Schieflage.

Inwiefern?

Dem Handel fehlt eine Orientierung in Form einer klaren, perspektivischen Kurz-, Mittel- und Langfriststrategie für beide Marken. Der JLR Handel ist in einer Krise und im Augenblick gilt: In Gefahr und großer Not ist der Mittelweg der sichere Tod. Wir benötigen kurzfristig die Zusage des Herstellers, dass, in dieser unübersichtlichen und nicht vom Handel zu verantwortenden Krise, dem Handel eine Zusage für die Zielerfüllung für das Jahr 2021 garantiert wird. Im Gegenzug wird der Handel alles dafür tun, dass so viele Fahrzeuge wie möglich noch in diesem Jahr zugelassen werden.

Und darüber hinaus?

Der Handel benötigt eine realistische Marktplanung für die nächsten Jahre. Ein Teil der Vertragspartner hat bereits die Vorgaben der neuen CI umgesetzt und damit ein erhebliches Investment getätigt. Die Mehrheit der JLR Partner steht kurz vor der Umsetzung, oder hat aktuell damit begonnen.

Viele haben aber auch schon Millionen in die Hand genommen.

Für diese Partner muss ein Konzept erarbeitet werden, dass sowohl die Partner bedienen kann, die schon die Umsetzung abgeschlossen haben, als auch die, die in dieser schwierigen Zeit den Gang zur Bank noch vor sich haben. Dem Händlerverband ist sehr wohl bewusst, dass diese Themen im Augenblick sehr sensibel sind und viel Fingerspitzengefühl benötigen.

Kann sich eine solche Investition überhaupt rechnen?

Für alle Beteiligten gilt, die Tilgung dieses Investments benötigt noch etliche Jahre. Die Banken fordern zur Beurteilung der Risikoeinschätzung Geschäftsentwicklungsplanungen, die vom Handel vorgelegt werden müssen. Ohne vorliegende Planung und Perspektiven des Herstellers werden die Banken die Angaben des Handels kritisch betrachten. Im Klartext, gegebene Kreditzusagen werden neu bewertet, beantragte Kredite wesentlich kritischer geprüft.

Auf längere Sicht will sich der Hersteller ganz auf Elektroautos konzentrieren.

Die kurzfristige Bekanntgabe, dass diese Vorgabe bei Jaguar schon 2025 vollzogen wird, betrachtet der Handel mit großer Sorge. Die Konsequenz wird eine deutlich verringerte Verkaufszahl bei Jaguar mit sich bringen. Ein Großteil der traditionellen Jaguar-Stammkundschaft wird nicht auf rein elektrische Fahrzeuge umsteigen.

Was bedeutet der Strategieschwenk für die Investitionen?

Sie haben die Vorbereitungen getroffen und stehen mit der geplanten Neuausrichtung ab 2025 nun einer komplett anderen Situation gegenüber.

Aber die E-SUVs laufen.

An dieser Stelle haben wir bei Jaguar und bei Land Rover eine bessere Ausgangssituation, der Handel wird diese Chance zu nutzen wissen.

Die Umstellung auf E-Autos hat nicht nur für den Vertrieb, sondern auch für den Service weitreichende Konsequenzen. Wie sollen die Umsatzlücken in den Werkstätten gefüllt werden?

Die Entwicklungen im After Sales werden mit einer Verzögerung eintreten, aber dann deutlich spürbar sein. Wir werden weniger Umsatz im klassischen Werkstattgeschäft erreichen. Auch an dieser Stelle gilt, eine realistische Strategie mit einer intelligenten konzeptionellen Umsetzung ist alternativlos.

Warum kommt vom Hersteller nichts?

JLRD ist im Augenblick mitten in einer Phase der Restrukturierung, die auch die Bereiche Europe und Global betrifft. Aufgrund der geschäftlichen Entwicklungen des Gesamtunternehmens ist eine Neuorientierung, verbunden mit einem dafür notwendigen Stellenabbau, angezeigt. Wir wissen als Verband, dass diese Dinge alternativlos und auf Sicht für das Unternehmen überlebenswichtig sind. Die Herausforderung für JLRD liegt darin, diese notwendigen Restrukturierungen in Angriff zu nehmen, ohne die wichtigen Marktthemen aus den Augen zu verlieren.

Was kann der Händlerverband VDJL machen?

Der Vorstand des VDJL ist schon sehr lange mit einer fast identischen Besetzung in sehr enger Zusammenarbeit mit JLRD. Gemeinsam mit dem Hersteller haben wir die erfolgreichste Zeit (2007 – 2018) von JLR in Deutschland begleitet. Grade zum Ende der ersten Dekade in den 2000ern gab es für Handel und Hersteller sehr schwierige Zeiten. Trotzdem ist die gemeinsame Bilanz dieser Jahre beispielhaft. Der VDJL hat somit bewiesen, dass der Handel bereit ist, Herausforderungen erfolgreich anzunehmen. Diese Bereitschaft ist immer noch vorhanden.

Schlechte Aussichten in schwierigen Zeiten.

Wir möchten als Verband einen positiven Zungenschlag behalten. Wir streiten nicht ab, dass wir uns gemeinsam mit dem Hersteller mitten in der Krise befinden. Wir bewahren uns aber als Vertreter des Handels unseren Optimismus, auch diese Krise bewältigen zu können. Wir benötigen dazu eine autarke Führung von JLRD, die gemeinsam mit den Fachleuten des deutschen Marktes die richtigen Entscheidungen sowohl für den Handel als auch für unseren Hersteller treffen können. JLRD ist gut beraten, die Expertise des Handels als kostenlose Unternehmensberatung zu nutzen. Mit dieser Maßnahme wird der Verband in seinen Stärken abgeholt. In der jetzigen Rolle einer Gewerkschaft fühlen wir uns nicht wohl.

Das Interview führte Christoph Baeuchle

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