Jagd auf die Gelben Engel

Pannenhilfe assoziiert man hierzulande fast automatisch mit dem ADAC. Frank Heck und Santosh Satschdeva von der ­Abschleppdienstvermittlung MySchleppApp wollen das ändern. Maximal eine halbe Stunde sollen Nutzer ihrer App im Pannenfall auf einen Abschleppwagen warten müssen. Gemeinsam mit dem früheren Abschleppunternehmer Heck gründete Satschdeva 2016 die digitale Pannenhilfe MySchleppApp.

Die Grundidee: Über eine kostenlose App sollen Nutzer im Pannenfall jederzeit schnell einen Abschleppdienst in der Nähe finden – und zwar ohne kos­tenpflichtige Clubmitgliedschaft. Bundesweit konnten die beiden bis ­dato800 Abschlepp­unter­nehmen von ihrem Konzept überzeugen. Seit dem Marktstart im Juli 2016 ­wurden insgesamt 17.500 Fahrten vermittelt.

Das Prinzip der App, die für iOS und Android verfügbar ist: Anhand von GPS-Daten lokalisiert die App den Standort des Pannenfahrzeugs und sucht den nächstgelegenen Abschleppdienst. Im Schnitt sollen Betroffene dann nicht länger als eine halbe Stunde auf den Abschleppwagen warten müssen, sagen die Startup-Chefs.

Deutlich länger hätte es dagegen für den IT-Experten Satschdeva gedauert, als er vor einigen Jahren eine Panne hatte. Statt drei Stunden auf den ADAC zu warten, googelte er – und traf nach kurzer Zeit auf Abschleppunternehmer Heck. Das war die Geburtsstunde von MySchleppApp.

Etwa 3000 Abschleppunternehmen – vom Ein-Mann-Betrieb bis zu Europas größtem Anbieter – tummeln sich auf dem deutschen Markt, schätzen die beiden Unternehmer. Doch nur etwa die Hälfte sind für MySchleppApp interessant. "Billigheimer" kommen für Heck und Satschdeva nicht in Frage.

Potenzielle Partner müssen Fahrzeuge bis zu einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen abschleppen können und die Kriterien des Branchenverbands VBA erfüllen, im dem etwa 1400 Betriebe organisiert sind. Eine Mitgliedschaft im Verband sei aber nicht zwingend erforderlich, sagt Heck. Über ein Formular auf der Webseite können sich Interessenten bei MySchleppApp bewerben. Gegebenenfalls recherchieren Heck und Satschdeva dann telefonisch weiter – und sie haben auch schon Interessenten abgelehnt.

Unter den bisher 800 Abschleppern, die bisher mit dem Startup zusammenarbeiten, sind auch ADAC-Vertragspartner. Und möglicherweise werden sich demnächst noch weitere Gelbe Engel für das Konzept der beiden Unternehmensgründer erwärmen. Denn schon seit längerem ärgern sich die Pannenhelfer über die Bedingungen, die ihnen der größte deutschen Autofahrerclub diktiert. Und weil sich die im geplanten neuen Vertrag noch weiter verschärfen, soll nun sogar das Bundeskartellamt angerufen werden.

Autohäuser mit Abschleppservice können sich MySchleppApp ebenfalls anschließen, sagt Heck – allerdings würden die häufig nur für eigene Kunden fahren. Für die App kommen aber nur Betriebe in Frage, die auch freie Aufträge annehmen.

Deutschlandweit bekannt wurden die Gründer 2017 durch ihren ­Auftritt in der TV-Show "Höhle der Löwen", bei der der ehemalige AWD-Chef Carsten Maschmeyer seinen Einstieg in das Start-up als In­vestor ankündigte. ­Daraus wurde zwar nichts, doch die beiden ließen sich nicht entmu­tigen.

Heck verkaufte sein Unternehmen und investierte den Erlös in das Start-up. Als anonymer Sponsor en­gagiert sich mittlerweile ein "Business Angel". Zum Jahres­ende 2018 ­wollen die beiden Gründer nun eine neue Finanzierungsrunde abschließen.

Aktuell basiert das MySchleppApp-Geschäftsmodell auf zwei Säulen: Provisionen und Mitgliedsgebühren der Abschlepp-Partner bringen rund 20 Prozent der Erlöse. Die Basismitgliedschaft ist kostenlos, um die Hemmschwelle für neue Partner zu senken. Premiummitglieder zahlen 20 Euro pro Monat, dafür können sie beispielsweise mehr als zwei Standorte anmelden. Selbstzahler-Aufträge kosten je nach Entfernung und Tageszeit zwischen 119,90 und 269,90 Euro. MySchlepp App erhält davon – gestaffelt nach Fahrzeuggröße – eine fixe Vermittlungsprovision von 6, 12 oder 25 Euro.

Den Löwenanteil erwirtschaften die beiden allerdings derzeit noch mit IT-Dienstleistungen ihrer gemeinsamen Firma HESA Solutions. Rund 250.000 Euro wollen Heck und Satschdeva im laufenden Jahr 2018 umsetzen, die Gewinnzone peilen sie für 2019 an.

Dabei setzen die beiden Gründer auf Kooperationen – mit dem Berliner Carsharer Greenwheels, der Kravag-Versicherung und seit Kurzem auch mit der Gothaer: AlsPannenhilfe-Dienstleister für E-Bikes. Der jüngste Deal wurde im Juni besiegelt: Künftig kooperiert das MySchleppApp-Netzwerk auch mit dem weltgrößten Zulieferer Bosch.

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