"Informatik war für mich eine Offenbarung"

Bei Diconium und Volkswagen wird Anja Hendel fortsetzen, was sie schon bei Porsche auf die Schiene gesetzt hat: Die „neue“ IT-Welt mit der „alten“ Automobil-Welt zusammenzubringen und so Innovationen für den VW-Konzern zu generieren.

An der Stuttgarter Digitalagentur war Volkswagen schon seit Jahren mit 49 Prozent beteiligt. Mit der nun erfolgten Komplettübernahme durch den Autobauer ist Anja Hendel zu den beiden Gründungsgeschäftsführern Andreas Schwend und Daniel Rehborn hinzugestoßen. Hendel wird nun die direkte Zusammenarbeit zwischen der Agentur und VW ausweiten, Volkswagen bei der Digitalisierung beraten und kann dabei auf die Erfahrungen aus ihren sechs Jahren bei Porsche einbringen, wo sie auch eine Schnittstellenfunktion hatte. Als Leiterin des Berliner Digital-Labs und Innovationschefin in Stuttgart.

Unter dem Dach der von Christian Senger geleiteten Car-Software-Organisation von VW entwickelt Diconium nun eine globale Online-Vertriebsplattform. Diconium wird damit zu Volkswagens Dienstleister Nummer Eins für die digitale Transformation.

Schon bei Porsche war für Anja Hendel das Zusammenbringen der Menschen und ihrer unterschiedlichen Sichtweisen aus der alten Auto- und der neuen IT-Welt ein zentrales Erfolgsrezept, um Innovationen zu erzeugen. Mit unterschiedlichen Sichtweisen war sie schon in ihrer Karriere vor Porsche konfrontiert: Die studierte Wirtschaftsinformatikerin arbeitete beim Pharmagroßhändler Celesio und mehrere Jahre beim IT-Beratungshaus Capgemini.

Unterschiede als Voraussetzung für gute Ergebnisse sind für sie auch in ihren Teams wichtig, wie Anja Hendel im Automobilwoche-Podcast betonte. Im Digital Lab hatte sie etwa je zur Hälfte weibliche und männliche Mitarbeiter und "schon immer eine gute internationale Mischung. Doch anfangs hatten wir nicht sehr viele ältere Leute. Daher haben wir bewusst Menschen mit mehr Lebenserfahrung und mehr Erfahrung in ihren Jobs hereingeholt, weil wir gemerkt haben, dass das auch dem Team gut tut", über eine breitere Palette an Kompetenzen zu verfügen.

Eins so hohe Frauenquote wie in ihrem Berliner Team hat natürlich weder Porsche insgesamt noch ihr neuer Arbeitgeber VW. Doch Hendel will daran arbeiten, dass mehr Frauen in technische Jobs und Managementpositionen finden. Wobei sie betont: "Wir haben nicht nur zu wenige Frauen in Technologie-Jobs, wird haben insgesamt zu wenig Menschen in Technologieberufen."

Wichtig sei es, Technologie-Themen in den Schulen zu mehr Geltung zu verhelfen. Sie selbst hat zur Informatik gefunden, als sie nach einem Schulwechsel im 11. Jahrgang plötzlich das Fach Informatik bekam. "Das war für mich eine Offenbarung", berichtete sie der Automobilwoche. Ein Mittel, mit dem man am Laptop plötzlich selbst etwas gestalten konnte. Dass sie ohnehin ein Faible für Mathematik hatte, kam ihr dabei zugute.

Im Studium dann allein auf Technik zu setzen, traute sich Hendel, die sich Veränderungen gegenüber als "komplett angstfrei" beschreibt dann aber doch nicht. So wurde es ein Studium der Wirtschaftsinformatik. "Wenn ich nochmal entscheiden müsste, würde ich mich noch mehr auf Technik ausrichten."

Dabei zeigt sich Hendel allerdings skeptisch, ob ohne Regulierung zu einem angemessenen Frauenanteil etwa in Führungspositionen kommen wird: "Ich glaube, dass es leider Gottes keinen anderen Weg als die Frauenquote gibt – auch wenn das schade ist". Allerdings betont sie auch, dass die Neuverteilung von Verantwortung zwischen Frauen und Männern entscheidend von den Einstellungen geprägt wird: "Mein Vater kommt aus Dänemark, dort wird man als Mann komisch angeschaut, wenn man keine sechs Monate Elternzeit nimmt", berichtet sie.