Jede fünfte freie Werkstatt schließt bis 2030

Freie Werkstätten geraten deutlich unter Druck. Digitalisierung und Elektrifizierung setzen ihnen kräftig zu. Fachkräftemangel und protektionistische Maßnahmen der Fahrzeughersteller verstärken die Entwicklung. Dies führt zu einer deutlichen Konsolidierung in den nächsten Jahren.

Bis zum Ende des Jahrzehnts verschwindet jede fünfte freie Werkstatt, bis 2040 nimmt ihre Zahl sogar um 40 Prozent ab. Damit einher geht ein Stellenabbau: Bis 2030 sinkt die Zahl der Beschäftigten um rund 18 Prozent, bis 2040 sind es sogar 36 Prozent.

Zu dieser Einschätzung kommt das Institut für Automobilwirtschaft (IfA), das gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) die Studie "Servicemarkt 2040: Perspektiven und Strategien für freie Werkstätten" erstellt hat.

Zum Vergleich dient das Jahr 2021: In den 22.110 freien Werkstätten sind rund 105.000 Mitarbeiter beschäftigt. Damit stellen sie zwar rund zwei Drittel der 36.570 Betriebe im Kfz-Gewerbe, aber weniger als ein Viertel der insgesamt rund 435.000 Beschäftigten.

Damit dreht sich der Trend der vergangenen Jahre: Denn die Zahl der freien Betriebe hat laut Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe in den vergangenen zehn Jahren um insgesamt fünf Prozent gut 1100 Werkstätten zugenommen. Kleinere Autohäuser, die ihren Vertriebsvertrag verlieren, machen oft als Werkstatt weiter.

Doch derzeit brummt das Geschäft in den Werkstätten. Seit Jahresbeginn liegt die Werkstattauslastung laut Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe bei 87 Prozent; vier Punkte über dem Vorjahr und dem letzten Vorkrisenjahr 2019. Das kann zum Problem werden.

"Wir haben derzeit lange Wartezeiten in den Werkstätten. Da besteht die Gefahr, den strategischen Weitblick zu verlieren", sagt Benedikt Mayer, Stellvertretender Direktor IFA und Geschäftsführer der Zukunftswerkstatt 4.0.

Denn die Zukunft wird für viele kleine Betriebe herausfordernd: "Der E-Antrieb bedeutet 50 Prozent weniger Wartungsumfang, ertragreiche Tätigkeiten wie der Ölwechsel fallen weg", so Mayer. "Auf der anderen Seite werden die Jobs mit der Elektrifizierung und Digitalisierung komplexer und die Branche damit auch attraktiver." Davon dürften jedoch vor allem größere Betriebe profitieren.

Vom lukrativen Geschäft im Servicemarkt wollen künftig noch mehr Player profitieren. Das setzt den freien Betrieben zu. Veränderungsdruck kommt vor allem von drei Seiten:

1) Intermediäre: Positionieren sich zwischen Servicebetrieb und Endkunde. Dazu gehören Versicherungen und Flottendienstleister sowie Online-Plattformen.

2) Autohersteller: Um die perspektivisch rückläufige Entwicklung im Handel zu kompensieren, werden Hersteller und Markenbetriebe ihre Aktivitäten im Service ausbauen.

3) Teilehersteller und -lieferanten: Wollen ihre ertragreichen Geschäfte sichern und ausbauen, das ermöglicht neue Einkaufsmöglichkeiten.

Damit geht eine Verschiebung der Marktanteile im Servicegeschäft einher. Dabei rechnen die Wissenschaftler eher mit einer evolutionären, aber keiner revolutionären Entwicklung. Sie gehen davon aus, dass sich im Servicemarkt auch künftig viele Anbieter tummeln. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg ist nach ihrer Ansicht nicht das grundsätzliche Konzept, sondern die unternehmensindividuelle Marktbearbeitung.

Michael Ziegler, Präsident des Kfz-Landesverbands Baden-Württemberg, sieht in der Studie einen Weckruf für die Branche. "Sie zeigt unmissverständlich, dass der freie Servicemarkt vor entscheidenden Veränderungen steht. Der Zugang zu Daten und die Fähigkeit, diese effektiv zu nutzen, wird im Zentrum der zukünftigen Geschäftsmodelle stehen." Die Betriebe müssten sich den Herausforderungen rechtzeitig stellen und neue Kompetenzen aufbauen.

Aus dem Datencenter:

Durchschnittliche Werkstattauslastung im deutschen Kfz-Gewerbe von 2018 bis 2023

Beschäftigungszahlen im deutschen Kfz-Gewerbe 2021 bis 2040 (Prognose)