Herr Duesmann, Sie sind Audi-Chef, Entwicklungsvorstand, Leiter der Konzernentwicklung bei VW, verantwortlich für das China-Geschäft von Audi und als Aufsichtsratschef zuständig für die beiden wichtigsten Zukunftsprojekte Artemis und Car.Software Organisation…
…nicht zu vergessen Aufsichtsratsvorsitzender bei Lamborghini und Ducati.
Ist das alles zu schaffen in einer Person?
Unser Plan ist, den Anspruch "Vorsprung durch Technik" wieder deutlicher mit Leben zu erfüllen. Deswegen haben wir das Projekt Artemis gestartet, deswegen haben wir auf Konzernebene die Car.Software Organisation geschaffen. Da macht es einfach Sinn, wenn ich auch die Verantwortung für Entwicklung habe. Insofern passt das Konstrukt jetzt sehr gut und es funktioniert auch hervorragend. Wenngleich es natürlich für mich sehr anspruchsvoll ist, all diese Themen gut zu bedienen. Doch besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Und es sind gerade sehr besondere Zeiten für die Automobilindustrie. Gut, dass ich bei diesen Themen ein starkes Team habe.
Wie lange wollen Sie auch selbst Entwicklungsvorstand bei Audi bleiben? Sie sind ja immerhin schon der siebente Entwicklungsvorstand seit 2012.
Das mache ich solange, bis ich glaube, dass es eine gute Nachfolgelösung gibt. Dass dieses Unternehmen turbulente Zeiten hinter sich hat – gerade auch in der Entwicklung – kann man im Nachhinein nicht mehr ändern. Das war sicher nicht ideal. Ich werde jetzt alles dafür tun, dass es in Zukunft deutlich besser läuft und wir auch in der Entwicklung wieder Kontinuität zeigen.
Manche handeln Sie schon als möglicher Nachfolger von VW-Konzernchef Herbert Diess.
Das schließe ich für mich klar aus. Mein Platz ist in Bayern, um mal ein Zitat von Markus Söder zu bemühen. Das hier ist mein Traumjob und ich fühle mich bei Audi sauwohl. Ich ziehe auch gerade von München nach Ingolstadt – und hier möchte ich auch bleiben. Das ist meine Firma.
Sie haben Ihr Amt im April mitten im Corona-Shutdown angetreten. Das hatten Sie sich sicher anders vorgestellt, nachdem Sie nach Ihrem Ausscheiden bei BMW 18 Monate warten mussten.
Das war schon irgendwie gespenstisch. Ich hatte ja die Chance eingeräumt bekommen, mich zwei Wochen vorher in Ingolstadt informieren zu lassen – also ab Mitte März. Das war genau die Zeit, als alle Werke und das ganze Land heruntergefahren wurden. Ich war plötzlich mittendrin und konnte nur zusehen und staunen. Aber da hat unser Krisenstab unter Leitung von Peter Kössler zusammen mit dem Betriebsrat einen Riesenjob gemacht. Das hat super funktioniert.
Wie läuft es inzwischen?
Juli, August und September sahen sehr gut aus. Der September war der stärkste Monat des Jahres - weltweit. Gerade in China läuft es hervorragend, hier erwarten wir sogar ein leichtes Plus für das Gesamtjahr. Aber weltweit holen wir den starken Verlust der Monate April und Mai in diesem Jahr nicht wieder auf, obwohl unser Vertrieb da einen wirklich guten Job macht.
Wann sind Sie wieder auf Vorkrisenniveau?
Das wird noch dauern. Im Moment gibt es ja noch viele Länder, in denen eine Kaufzurückhaltung besteht. Ich rechne schon mit rund zwei Jahren bis zur kompletten Normalisierung.
Welche Lehren ziehen Sie aus der Corona-Krise? Ändern Sie Ihre Lieferketten, um Engpässe künftig zu vermeiden?
Ich finde eher, dass die Zulieferstruktur gezeigt hat, wie robust sie ist. Wir hatten da schon den einen oder anderen Rucker, aber im Grund haben alle Zulieferer exzellent gearbeitet. Das hat verblüffend gut funktioniert. Insofern war auch der Wiederanlauf relativ problemlos. Mit der Zusammenarbeit bin ich wirklich zufrieden. Ich sehe keine Notwendigkeit, dort groß etwas zu ändern.
Daimler und BMW haben den Sparkurs in der Corona-Krise noch einmal verschärft. Audi sagt, es bleibt bei dem vor Corona vereinbarten Abbau von 9500 Stellen. Wird das reichen?
Darüber hinaus ist nichts geplant. Und es bleibt bei der Beschäftigungsgarantie bis 2029.
Auch keine neue Kurzarbeit? Schub gibt es ja derzeit vor allem aus China, was den deutschen Werken wenig hilft.
Auch die deutschen Werke profitieren vom Absatz in China, denn die von Europa nach China gelieferten Volumina steigen auch. Aber es ist richtig, die europäischen Standorte leben vor allem von Europa, und da ist die Nachfrage noch zurückhaltend. Zum Glück laufen die Werke in Ingolstadt und Neckarsulm gut. Im September haben wir hier sogar Sonderschichten gefahren. Wir sind sehr zuversichtlich und planen auch keine Kurzarbeit mehr in diesem Jahr.
Und im nächsten Jahr?
Da können wir nur hoffen, dass es keine weitere Corona-Welle gibt. Das wäre schlimm. Ansonsten sind wir zuversichtlich fürs nächste Jahr.
Die Nachfrage nach Elektroautos zieht gerade spürbar an. Audi hat hier bisher nur den e-tron und den e-tron Sportback im Angebot, der e-tron GT und der Q4 e-tron dann 2021. Sind Sie da nicht etwas spät dran, um vom Boom noch zu profitieren?
Etwas früher wäre auch nicht schlecht gewesen. Das Thema hat jetzt ziemliche Dynamik aufgenommen. Und ich glaube, wir sind immer noch rechtzeitig dran. Bis Mitte des Jahrzehnts haben wir 20 batterieelektrische Modelle. Damit werden wir super dastehen.
Was planen Sie genau?
Wir kommen jetzt jedes Jahr mit mindestens einem neuen batterieelektrischen Fahrzeug – und zwar in den verschiedenen Klassen und Segmenten. Wir werden auf der gesamten Breite unseres Portfolios Angebote machen.
Was kommt konkret?
Dazu sagen wir im Moment noch nichts. Jetzt freue ich mich erst einmal auf den e-tron GT, der Anfang 2021 in den Markt kommt. Das Auto ist einfach toll, ein sensationelles Produkt. Das wird mein neues Lieblingsauto.
Und Ihr nächster Dienstwagen?
Mit Sicherheit!
Und wie lange wird es noch Verbrenner geben?
Ich denke, noch eine ganze Weile. Über die Zukunft des Verbrennungsmotors entscheidet am Ende allein die Politik und das wird nicht überall auf der Welt gleichzeitig passieren. Es ist daher durchaus sinnvoll, für die verschiedenen Märkte sowohl auf Elektromobilität als auch auf moderne, hoch effiziente Verbrenner zu setzen.
Auch bei Audi?
Wir haben eine sehr konsequente Elektrostrategie. Für die absehbare Zukunft werden aber viele Kunden noch einen Verbrenner wünschen. Deshalb werden wir auch dort weiter an der Effizienz arbeiten. Unser Ziel ist und bleibt, entsprechend des Pariser Klimaabkommens bis 2050 bilanziell CO2-neutral zu sein. Dazu haben wir uns verpflichtet.
Gilt das auch für den Diesel?
Unter den Verbrennern ist der Diesel immer noch der mit Abstand effizienteste Antrieb. Die Technologie ist durch die Abgasreinigung aber auch sehr teuer geworden und deswegen nicht mehr in jedem Fahrzeugsegment attraktiv. Doch viele unserer Kunden lieben den Diesel noch. Wir werden ihn daher weiterhin anbieten.
Wenn Corona ausgestanden ist, worauf freuen Sie sich am meisten?
Darauf, dass ich Menschen wieder per Handschlag begrüßen kann. Ich bin ein großer Freund des Handschlags. Das ist schon etwas anderes, als wenn man sich nur zunickt oder sich verbeugt. Das vermisse ich sehr.
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