Nach vorläufigen Veröffentlichungen der jeweiligen nationalen Automobilverbände lagen die Neuzulassungen im Dezember mit über 1,13 Millionen Pkw um zirka 21 Prozent über denen des Vorjahres. Niemals zuvor wurden in Westeuropa in einem Dezember so viele neue Pkw zugelassen. Durch diesen außergewöhnlichen Jahresendspurt drehten die Neuzulassungen mit dem letzten Monat des Jahres noch leicht ins Plus. Insgesamt wurde ein Neuzulassungsvolumen von über 14,3 Millionen Pkw erreicht, 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Bis einschließlich November lagen die kumulierten Zulassungen gegenüber 2018 im Minus.
Höchster Dezember aller Zeiten – aber nur ein Sondereffekt
Seit September vergangenen Jahres gab es auf Monatsebene jeweils deutliche Zuwächse, wobei sich die Monate September und Oktober durch das niedrige Niveau in 2018 aufgrund der ersten WLTP-Umstellung erklären lassen. Die Entwicklung im Dezember mit plus 21 Prozent ist aber bemerkenswert.
Ab diesem Jahr gelten die neuen, herstellerspezifischen Grenzwerte für den CO2-Ausstoß. Offensichtlich haben viele Hersteller Neuzulassungen ihrer CO2-starken Pkw vorgezogen. Dies hat für sie den Vorteil, dass diese Fahrzeuge in 2020 bei der Berechnung des CO2-Flottenausstoßes nicht berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich aber, dass die Neuzulassungen zu Beginn des laufenden Jahres relativ schwach ausfallen könnten.
Handelskriege, wirtschaftliche Abkühlung, mögliche kriegerische Auseinandersetzungen, politische Instabilität in einigen Ländern sind allgemeine Risiken, deren Auswirkungen sich nur sehr schwer abschätzen lassen. Zwar ist das Thema "harter Brexit" nach den Neuwahlen in Großbritannien erst einmal vom Tisch, aber die Probleme sind im Moment nur vertagt. Je nach Verlauf der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien könnten sie im Jahresverlauf wieder hochkommen.
Hinzu kommen die neuen CO2-Grenzwerte und der Zwang, dass die Hersteller eine gewisse Quote von E-Mobilen zulassen müssen, wollen sie keine Strafzahlungen in Kauf nehmen. Die Frage wird sein, in welchem Maße sind die Hersteller in der Lage, genügend Stromer zu produzieren und wie werden diese – doch immer noch relativ teuren – Fahrzeuge vom Verbraucher angenommen.
Für das laufende Jahr ist für fast alle westeuropäischen Länder mit weniger Neuzulassungen zu rechnen als in 2019. Die Automobilwoche geht für gesamt Westeuropa in 2020 von 13,765 Millionen Neuzulassungen aus, 3,8 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Damit ist das Neuzulassungsniveau weiterhin weit von dem Spitzenwert in diesem Jahrtausend von über 14,8 Millionen in 2001 entfernt. Aber auch ein Rückfall auf das tiefste Niveau von 2013 ist in weiter Ferne: Damals gab es in Westeuropa lediglich 11,55 Millionen Neuzulassungen. Die erwarteten 13,765 Millionen Neuzulassungen liegen drei Prozent unter denen des mittleren Wertes der Jahre 2000 bis 2018. Gegenüber der Prognose aus dem September hat sich die volumenmäßige Einschätzung für 2020 nicht verändert. Lediglich der prozentuale Rückgang ist nun höher, da 2019 besser ausfiel als erwartet.
Diese Prognose geht davon aus, dass keine der oben genannten Risiken eskalieren. Darüber hinaus wird zwar eine Delle beim Wirtschaftswachstum erwartet, aber ein Abrutschen in eine Rezession ist nicht unterstellt. Bezüglich der Angebotsseite wird davon ausgegangen, dass es zu keinen nennenswerten Auslieferungsproblemen kommt. Insgesamt ist diese Prognose trotz des erwarteten Rückgangs bei weitem kein Worst-Case-Szenario, sondern - bedenkt man die oben genannten Risiken – eher leicht optimistisch.
Das Land, das in der Vergangenheit am stärksten im Blickpunkt stand, war sicherlich Großbritannien. Auch wenn die Gefahr eines schnellen ungeregelten Brexits erst einmal gebannt ist, für die anstehenden Verhandlungen zeichnen sich bereits Probleme ab.
Das abgelaufene Jahr war auch in Großbritannien – wie in fast allen Ländern - durch hohe Dezemberzulassungen beeinflusst. Dennoch steht nach zwölf Monaten mit 2,311 Millionen Neuzulassungen ein Minus von 2,4 Prozent zu Buche. Es ist das bisher niedrigste Ergebnis seit dem Jahr 2013.
Auch wenn es im Jahresverlauf nicht zu zusätzlich negativen Entwicklungen aufgrund der Brexit-Verhandlungen kommt, wird für 2020 ein weiterer Rückgang um zwei Prozent auf 2,265 Millionen erwartet. Damit werden die Neuzulassungen dieses Jahr sechs Prozent unter dem mittleren Wert seit dem Jahr 2000 liegen. Das höchste Ergebnis in diesem Zeitraum, datiert aus dem Jahr 2016, lag bei 2,69 Millionen Neuzulassungen. Der niedrigste Wert mit 1,94 Millionen Neuzulassungen stammt aus dem Jahr 2011.
Frankreich gehört zu den Ländern, in denen der Dezember (plus 27,7 Prozent) die kumulierten Neuzulassungen 2019 erst im letzen Monat ins Plus drehen ließ. Es wurden gut 2,21 Millionen Neuzulassungen erreicht, fast zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
Auch wenn sich die Situation mit den Unruhen der "Gelbwesten" etwas entspannt hat, scheint die französische Regierung weiterhin nur wenig Akzeptanz für ihre Wirtschaftsreformen in der Bevölkerung zu haben. Die Automobilwoche erwartet für das laufende Jahr 2,16 Millionen Neuzulassungen, ein Rückgang um 2,5 Prozent. Trotz des prognostizierten Rückgangs ist das Niveau dann immer noch recht hoch und liegt fünf Prozent oberhalb eines mittleren Neuzulassungsjahres seit 2000. Das Maximum wurde mit 2,3 Millionen im Krisenjahr 2009 erreicht, als eine Verschrottungsprämie die Nachfrage pushte. Das niedrigste Ergebnis mit 1,79 Millionen Neuzulassungen wurde 2013 beobachtet.
Auch Italien brauchte einen starken Dezember um das vergangene Jahr noch positiv abzuschließen. Am Ende lagen die Neuzulassungen mit 1,916 Millionen ganz knapp (um 0,3 Prozent) über dem Vorjahresergebnis.
Das Land hat das Problem der hohen Staatsverschuldung und drohender Bankenpleiten noch nicht überwunden. Auch wenn die Situation nicht eskaliert, werden in diesem Jahr die Neuzulassungen wieder zurückgehen. Die Automobilwoche geht von einem leichten Rückgang um knapp zwei Prozent auf 1,88 Millionen Neuzulassungen aus. Wie niedrig das Niveau ist, zeigt ein historischer Vergleich: Von 2000 bis 2009 lagen die Neuzulassungen immer oberhalb der zwei Millionen-Grenze. Dieses Niveau wurde seitdem nie wieder erreicht. 2020 werden die Neuzulassungen 13 Prozent unterhalb des mittleren Wertes liegen. Der Höchstwert lag 2007 bei 2,49 Millionen Neuzulassungen, das Minimum bei 1,3 Millionen Neuzulassungen im Jahr 2013.
Von 2013 bis 2018 sind die Neuzulassungen in Spanien durchgehend, teilweise um bis zu 20 Prozent pro Jahr, gestiegen. Auch 2018 gab es noch ein Plus von sieben Prozent. Vergangenes Jahr gab es aber einen Rückgang um fast fünf Prozent, auf 1,258 Millionen Neuzulassungen. Auch für 2020 erwartet die Automobilwoche einen weiteren Rückgang auf 1,24 Millionen Neuzulassungen, ein Minus von 1,5 Prozent. Diese 1,24 Millionen Neuzulassungen entsprechen in etwa den mittleren Neuzulassungen der Jahre 2000 bis 2018. Vom Maximum ist man noch weit entfernt: Es lag im Jahr 2006 bei 1,63 Millionen Neuzulassungen. Der niedrigste Wert stammt mit unter 700.000 Neuzulassungen aus dem Jahr 2012. Keins der fünf großen Länder weist auch nur annähernd eine so große prozentuale Spanne zwischen den maximalen und minimalen Neuzulassungen in diesem Jahrtausend auf.
In Deutschland profitierten die Neuzulassungen 2019 am stärksten von den hohen Dezemberzulassungen. Es wurden nach zwölf Monaten fast 3,61 Millionen Neuzulassungen registriert, ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es war nach 2009, dem Jahr der Verschrottungsprämie, das höchste Ergebnis seit Beginn des Jahrtausends. Mithilfe der Verschrottungsprämie wurden 2009 gut 3,8 Millionen Pkw neu zugelassen. Mit der erwarteten konjunkturellen Wachstumsdelle und aufgrund der hohen vorgezogenen Neuzulassungen im Dezember geht die Automobilwoche für 2020 von 3,34 Millionen Neuzulassungen aus, 7,4 Prozent weniger als vergangenes Jahr. Trotz des Rückgangs um mehr als eine viertel Million Pkw ist dies ist kein dramatischer Einbruch. Das Niveau liegt dann historisch gesehen noch fast drei Prozent oberhalb eines mittleren Jahres seit 2000. Und vom Minimum ist dies noch ganz weit entfernt: Es lag im Jahr 2010, ein Jahr nach der Verschrottungsprämie, bei 2,91 Millionen Neuzulassungen.
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