Cartica ist ein junges israelisches Unternehmen und hat eine Software für das autonome Fahren entwickelt, die mit künstlicher Intelligenz funktioniert. Inzwischen sind BMW i Ventures, Toyota AI Ventures und Continental bei Cartica eingestiegen. Und nun ist der deutsche Automanager und Investor Karl-Thomas Neumann zum Aufsichtsrat und Advisor bestellt worden und hat zudem in das Start-up investiert. Im Automobilwoche-Interview erklärt der ehemalige Opel- und Continental-Chef seine Pläne.
Herr Neumann, warum Cartica?
Im Bereich der Erkennung von Objekten für NCAP-Notbremssysteme und beim autonomen Fahren kommt bis heute klassische Deep-Learning-Technologie zum Einsatz. Man braucht dafür massenhaft Daten, die dann von Menschen klassifiziert werden müssen. Tausende von Menschen sitzen und 'teachen' Verkehrsschilder, Ampeln, Fussgänger, und so weiter. Trotzdem erkennt diese Technologie grenzwertige Situationen häufig nicht richtig. Cartica macht es anders und hat ein 'unsupervised' System entwickelt, das wie das menschliche Gehirn lernt, auf Basis von sogenannten Signaturen, Objekte zu erkennen. Dieser Vorgang braucht kein Teaching mehr.
Die Vorteile?
Ganz einfach: Das System benötigt nur noch ein Zehntel der Rechenleistung und des Energieverbrauches. Damit lassen sich Kamera- aber auch Radar- und Lasersysteme viel kostengünstiger herstellen. Wir glauben auch, dass die Erkennung erheblich zuverlässiger sein wird.
Und was macht Cartica mit seinem Wissen?
Cartica ist die Ausgründung eines älteren Start-ups. Es ist bereits im Besitz von 250 Patenten. Die Gründer haben erkannt, dass ihre Entwicklung vor allem für die Autoindustrie spannend sein muss. Cartica stellt sich als Tier-2-Lieferant auf und arbeitet daran, dass Zulieferer mit dem System ins Seriengeschäft einsteigen. Und wir sind kurz davor, mit einem großen Zulieferer loszulegen. Den Namen kann ich aber noch nicht verraten.
Sie waren zuvor über Canoo in der Elektromobilität engagiert, jetzt schwenken Sie um auf autonomes Fahren, Sie sind neben Cartica noch beim US-Start-up Apex.AI investiert, die ein Betriebssystem fürs autonome Fahren bauen.
Ich sehe bei jungen Unternehmen aus diesem Bereich hochintelligente spannende Technologien und große wirtschaftliche Potenziale. Hier fließt Geld, es gibt Investoren. In der Elektromobilität wird die Finanzierung zunehmend schwer, nachdem auch die Chinesen in den USA nicht mehr so aktiv sind. Autonomes Fahren ist ein absolutes Zukunftsthema.
Sie glauben also an autonome Mobilität? In jüngster Zeit haben sich Autokonzerne zu dem Trendzurückhaltend geäußert...
Man muss differenzieren. Es geht nicht darum, dass jeder mit seinem normalen Pkw vollautonom auf Level 5 durch die Innenstadt fährt. Ich spreche von Robotaxis, die autonom auf ihren Strecken fahren. Das kommt schneller als viele heute glauben. Ich bin überzeugt, dass das bald schon die Welt verändern wird. Die Städte werden sich verändern, die Verkehrsräume werden weg vom individuellen Auto neu verteilt.
Es ist die große Chance, das Althergebrachte aufzubrechen.