In wenigen Tagen treffen sich in Berlin die Vertreter der Autohersteller mit der Politik, um Fahrverbote in Städten abzuwenden, den Selbstzünder zu retten und die zukünftigen Herausforderungen für die Branche zu diskutieren. Da wären ein Schulterschluss und gemeinsame Lösungen gefragt angesichts der gewaltigen Aufgaben. Doch die Manipulations- und Kartellvorwürfe der vergangenen Wochen lassen die Nerven in den Vorstandsetagen blank liegen. Statt an einem Strang zu ziehen, ist sich jeder selbst der nächste und fährt die Ellenbogen aus, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Hersteller auf dem Egotrip
Eigentlich war geplant, dass sich die Autohersteller am 2. August beim Diesel-Gipfel in Berlin über ein Konzept für Software-Updates bei Fahrzeugen austauschen, die im Straßenbetrieb durch einen hohen Stickoxid-Ausstoß auffallen. Doch statt die Gespräche abzuwarten, preschte zunächst Daimler mit einer eigenen Lösung für drei Millionen Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 und Euro 6 vor. Die Ankündigungen blieben zwar vage, doch wollte man Handlungsfähigkeit beweisen. Audi zog wenige Tage später nach und präsentierte ebenfalls konkrete Pläne für den Rückruf von 850.000 Autos der Kategorie Euro 5 und Euro 6. Vor allem in München lösten die Alleingänge Kopfschütteln aus, auch wenn das Vorgehen offiziell nicht kommentiert wurde. Anders als die beiden Premiumkonkurrenten will sich BMW nur auf Euro-5-Fahrzeuge konzentrieren. Wo Lösungen im Alleingang festgelegt werden, bleibt nur noch wenig Verhandlungsspielraum.
Auch im Hause Volkswagen hat es in den vergangenen Tagen heftig gerumpelt. In einem Zeitungsinterview teilte Porsche-Betriebrat Uwe Hück gegen die Schwester Audi kräftig aus. Er könne "diese ganzen Lügen nicht mehr ertragen", polterte er und forderte die Freistellung der Vorstände durch den Aufsichtsrat. Audi habe „kranke Motoren“ geliefert und müsse für den Schaden, der Porsche dadurch entstanden sei, auch bezahlen. Seit Wochen steht vor allem Audi-Chef Rupert Stadler im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Diesel-Affäre in der Kritik. Konzern-Chef Matthias Müller rief den streitbaren Arbeitnehmervertreter aus Stuttgart ebenfalls über die Medien zur Räson. Die Vorwürfe seien alles andere als hilfreich. "Der Aufsichtsrat muss ganz sicher nicht belehrt werden, wie er seine Arbeit zu tun hat", so Müller. "Wir sollten miteinander reden und nicht übereinander."
Hielt sich BMW gegenüber Daimler beim Vorpreschen in Sachen Dieselnachrüstung noch vornehm zurück, so brachte die Selbstanzeige der Stuttgarter in Sachen möglicher wettbewerbswidriger Absprachen das Fass offenbar zum Überlaufen. BMW sei empört über das Vorgehen der Stuttgarter Konkurrenz in Bezug auf die Vorwürfe möglicher Kartellabsprachen, schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Kooperationsprojekte mit Daimler sollten daher ausgesetzt und genauer geprüft werden. Man stelle sich vielmehr die Frage, ob man mit Daimler in allen Fällen noch den richtigen Partner habe.
Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte in der Telefonkonferenz zum zweiten Quartal, er wisse nichts von derartigen Irritationen, da er mit Krüger in den vergangenen Tagen nicht gesprochen habe. Daimler könnte durch die schnelle Selbstanzeige als Kronzeuge eines möglichen Kartells straffrei ausgehen, während den Münchnern im schlimmsten Fall Strafen in Milliardenhöhe drohen.
In ungewöhnlich deutlichen Worten hat VDA-Chef Matthias Wissmann auf den Kartell-Verdacht reagiert. "Aus Sicht des VDA und seiner über 600 Mitglieder sind illegale Absprachen ebenso wie ein Surfen in rechtlichen Grauzonen inakzeptabel", hieß es in einer Mitteilung. "Sollten die Untersuchungen der Kartellbehörden die Vorwürfe bestätigen, wäre das nicht nur justiziabel, sondern auch ein Anlass für eine kulturelle Neudefinition innerhalb der betroffenen Unternehmen." Wissmann appellierte an die Branche: "Die Automobilindustrie ist mit ihren technischen Innovationen und ihrem wirtschaftlichen Erfolg ein wichtiger Teil des Deutschlandbildes in der ganzen Welt. Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, diesen Ruf zu schützen. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, müssen wir uns kritischen Fragen offener stellen und mehr Selbstreflexion üben."
Er sei überrascht über die Aussagen, mehr wolle er dazu nicht sagen, knurrte Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Telefonkonferenz zum zweiten Quartal hörbar verärgert. Mit einem eigenen Vorstand für Integrität und gezielten Mitarbeiterschulungen zum Compliance-Verhalten hat das Unternehmen schon vor Jahren einen kulturellen Wandel eingeleitet. Der erhobene Zeigefinger aus Berlin kam deshalb gar nicht gut an.
Beim Diesel-Gipfel am 2. August sollte es eigentlich um die Zukunftsfähigkeit der Branche gehen. Die atmosphärischen Voraussetzungen für eine gemeinsame Marschroute waren selten schlechter.
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