Im Alter von 27 trat der in Stuttgart geborene und aufgewachsene „HD“, wie er im Unternehmen liebevoll genannt wurde, in die Geschäftsführung ein. Das Geschäft mit der Autoindustrie wurde unter seiner Führung deutlich ausgebaut. 1964 gründete er in Brasilien die erste Auslandstochter – für einen schwäbischen Mittelständler damals eine Pionierleistung. Weitere Ableger in vielen Ländern folgten. Auch der Unternehmenskultur drückte Heinz Dürr mit seiner Frau Heide einen modernen Stempel auf. Dürr war in den 1960er-Jahren einer der ersten Industriebetriebe mit Mitarbeiterzeitung, Bibliothek, Kunst in den Gebäuden sowie Theater- und Konzertaufführungen in der Fabrik.
Unternehmer Heinz Dürr ist gestorben
Der süddeutsche Unternehmer Heinz Dürr galt als ewiger Optimist. Selbst verfahrene Situationen konnte er mit seinem Lachen auflösen. Nun ist der ehemalige Geschäftsführer des gleichnamigen Maschinenbauers und Bahn-Manager im Alter von 90 Jahren gestorben.
Schon immer war Dürr die Führung des Familienbetriebs allein zu wenig, es trieb ihn hinaus in die weite Welt. Schon als junger Mann war er vielseitig interessiert, hörte Jazz, las Jean-Paul Sartre und spielte in der ersten Mannschaft des renommierten Tennisclubs Weissenhof. Auf Vorschlag Hanns Martin Schleyers wurde Dürr 1975 Vorsitzender des Arbeitergeberverbands der Metallindustrie Nordbaden/Nordwürttemberg. Mit dem baden-württembergischen IG-Metallchef Franz Steinkühler handelte er innovative Tarifergebnisse aus. „Dass ich mit Franz Steinkühler gemeinsam für eine Modernisierung der Arbeitswelt kämpfte, irritierte manchen im Arbeitgeberlager“, sagte Heinz Dürr später mit einem Schmunzeln. Er war auch einer der letzten, mit dem Schleyer vor seiner Entführung durch RAF-Terroristen noch gesprochen hat.
Dürr verkörperte dabei das Idealbild eines weitsichtigen Unternehmers, der sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung stets bewusst war. „Den Satz des Ökonomen Milton Friedman, dass es die einzige soziale Verantwortung der Unternehmen sei, ihre Gewinne zu vergrößern, unterschreibe ich nicht“, sagte Dürr einmal. Gewinn sei kein Selbstzweck, „sondern eine Messgröße, ob die gesellschaftliche Veranstaltung Unternehmen funktioniert. Aber er muss sein, sonst fällt das Unternehmen jemandem, meist dem Steuerzahler, zur Last.“
1980 wurde Dürr als Sanierer an die Spitze des schwer angeschlagenen Elektrokonzerns AEG gerufen. Zwar gelang es ihm, die Gläubiger auszuzahlen. Mit dem Verkauf an Daimler-Benz im Jahr 1986 rückte Dürr in den Vorstand des Autobauers auf. Den Ausverkauf der AEG nach dem Einstieg des Autobauers konnte er aber nicht verhindern. Von dem Vorwurf, bei AEG gescheitert zu sein, konnte sich Dürr nie ganz befreien. Sein eigenes Unternehmen, die Dürr AG, brachte Heinz Dürr 1990 an die Börse. Mit dem Erlös wurde der Applikationstechnikspezialist Behr erworben, aus dem die erfolgreiche Lackierrobotersparte von Dürr hervorging.

Im Jahr 1957 trat Heinz Dürr in das Familienunternehmen ein, das vom Vater Otto Dürr geleitet wurde.
1991 machte ihm Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) das Angebot, Chef der deutschen Bahn zu werden. Ihm war damit die Aufgabe anvertraut, Ost und West auf der Schiene zu vereinen. Doch erst als der Manager mit Rücktritt drohte, leitete die Bundesregierung eine umfassende Reform und die Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft ein. Auch Kritiker mussten die Umwandlung der Bahn in ein nach wirtschaftlichen Kriterien geführtes Unternehmen anerkennen. Unter Dürr als Bahn-Chef wurde nicht nur der erste ICE in Betrieb genommen, sondern auch die BahnCard eingeführt. Nicht alle Visionen konnte er umsetzen: Der von ihm favorisierte Transrapid wurde nie Wirklichkeit.
Im Februar 1999 trat er dann "wegen unterschiedlicher Auffassungen" zwischen ihm und dem Bahneigner Bund als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Nur wenige Monate später wurde der von ihm favorisierte Hartmut Mehdorn Chef der Deutsche Bahn. Die Zeit behielt er trotzdem in guter Erinnerung. "Die Bahn danach war das Spannendste überhaupt: Führung, Technik und Politik, alles kam da zusammen", sagte Dürr einmal in einem Interview. Und wenn er in seiner Stuttgarter Heimat die ewige Baustelle des von ihm vorangetriebenen Milliardenprojekts "Stuttgart 21" begutachtete, dann kommentierte er auch die mit Zuversicht: "Die Züge werden fahren, nur eben etwas später. Das ist nicht weiter schlimm."
Trotz seiner zahlreichen Kontakte tat sich Dürr offenbar schwer damit, in Beziehung zu Menschen zu treten. "Was Freundschaft ist, weiß ich eigentlich nicht", schreibt Dürr in seinem 2008 erschienenen Buch "Aus der ersten Reihe. Aufzeichnungen eines Unerschrockenen". "Ich kann nicht helfen, wenn einer selbst in Not ist, wenn er seinen Kopf an meine Brust legen will. Das mag ich nicht. Irgendwie habe ich Angst vor Menschen." Jammern, schreibt Dürr weiter, würde er nur bei der Familie, weil er wenig Freunde habe. "Und die Leute finden mich gut, weil ich optimistisch bin."
Vielleicht arbeitete er auch deshalb bis ins hohe Alter in seinem Büro am Berliner Gendarmenmarkt und war in der Bundeshauptstadt ebenso vernetzt wie in seiner schwäbischen Heimat. Auch auf dem Kongress der Automobilwoche in der benachbarten Telekom-Repräsentanz war er viele Jahre lang regelmäßiger Gast. Dürr hinterlässt seine Ehefrau und drei Töchter. „Der Dürr-Konzern mit seinen über 20.000 Beschäftigten trauert um Heinz Dürr. Er hat die Weichen für unseren heutigen Erfolg gestellt und war bis ins hohe Alter Vorbild und Integrationsfigur", so der aktuelle Dürr-Vorstandschef Jochen Weyrauch. Der Aktienbesitz von 29,7 Prozent an der Dürr AG bleibt nach Unternehmensangaben in der Hand der Familie Dürr. (Mit Material von dpa)
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