Grüne Welle per Funk

Die Ampel an der nächsten Kreuzung ist noch tief rot - doch im Display läuft neben dem Tacho schon der Countdown: 42, 41, 40, ... Und tatsächlich: Pünktlich 40 Sekunden später schaltet die Ampel auf grün. "Das System weiß vorher, wann die Ampel umschaltet", sagt Audi-Projektleiter Andre Hainzlmaier, der bei der Testfahrt in Ingolstadt als Beifahrer auf dem Rücksitz dabei ist. "Und wenn ich weiß, wie lange ich an der Ampel noch stehe, fahre ich viel entspannter durch die Stadt."

In der Windschutzscheibe des Q3 kommt schon die nächste Ampel in Sicht. Noch ist sie rot, doch die kleine Ampel im Display leuchtet schon grün. Daneben eine Geschwindigkeitsempfehlung: Tempo 50. "Das ist das eigentlich Spektakuläre“, schwärmt Hainzlmaier. Das System weiß nicht nur, wann die Ampel umschaltet - es rechnet auch gleich aus, mit welchem Tempo man die nächste Grünphase trifft. "So ist es leichter eine grüne Welle zu erwischen." Und das spart am Ende sogar Sprit: 15 Prozent weniger waren es laut Audi in einem Pilotprojekt.

Hinter der Funktion steckt jede Menge Rechenleistung. "Wir bekommen die Daten direkt vom Verkehrsrechner der Stadt", erläutert Hainzlmaier. Und auf Basis der Rohdaten errechne der Zentralrechner dann die Prognose, wie die Ampel in den nächsten zwei Minuten schaltet. Was komplizierter ist, als es klingt. Denn moderne Ampel schalten längst nicht mehr stur nach einem festen Zeitplan. "Die Ampelschaltung passt sich ans Verkehrsgeschehen an. Wenn viel Verkehr ist oder ein Bus kommt, reagiert die Ampel." Deshalb braucht es die Prognose. "Auf Basis historischer Daten, von Daten aus dem Verkehrsrechner und der aktuellen Verkehrsauslastung berechnet das System die Prognose. Das ist die Magie hinter der Funktion."

Das ist auch der Grund, warum Audi die Daten nicht direkt im Auto aufbereitet, sondern im Zentralrechner und dann per Mobilfunk an die Fahrzeuge schickt. "Natürlich ginge das auch per Direktkommunikation mit der Ampel. Das wäre aber ineffizient." Schon allein, weil dafür alle Ampeln mit Funksendern aufgerüstet werden müssten. "Und das wäre teuer." Die Audi-Lösung macht es einfacher. "Wir benötigen lediglich Zugang zum Verkehrsrechner der Stadt. Alles weitere machen wir."

Was aber nicht heißt, dass die Umrüstung gar nichts kostet. "Ingolstadt", wo Mitte 2019 das erste Pilotprojekt in Deutschland startete, "hat dafür schon noch einiges Geld investiert, um alle Ampeln online zu bringen." Denn nur dann kann Audi auf die Daten zugreifen. "Und Düsseldorf", das Anfang 2020 hinzukam, "war einfach schon sehr weit in Sachen Verkehrsinfrastruktur. Deshalb haben sich diese beiden Städte angeboten."

Und woher weiß der Rechner, dass ich weiter geradeaus fahre und nicht vor der nächsten Ampel abbiege? "Setzen Sie mal den Blinker", sagte Hainzlmaier. Und tatsächlich: Sofort schaltet das Display um. Statt der grünen Ampel voraus zeigt es die rote in der nächsten Seitenstraße – samt Countdown, wann sie grün wird. "Das System ist mit dem Blinker und dem Navi gekoppelt." Wenn das Navi an ist, kommt die Route von dort, sonst vom Blinker.

Aber wieso kommt jetzt kein Tempovorschlag für die Grüne Welle? "Das zeigen wir nur, wenn es eine sinnvolle Geschwindigkeit ist", sagt Hainzlmaier. Und das auch erst 250 Meter vor der Ampel. "Wir wollen ja nicht zu Schleichfahrten animieren." Bei weniger als der Hälfte des Erlaubten ist deshalb Schluss. "Das wäre sonst wirklich Verkehrsbehinderung."

Also kurz aufs Gas, um noch bei grün drüber zu kommen? Geht auch nicht. "Wir wollen ja nicht zum Rasen verleiten", sagt Hainzlmaier. "Ab 20 Prozent über dem Erlaubten blendet die Anzeige aus." Und kommt erst bei zehn Prozent über dem Erlaubten wieder.

In Ingolstadt sind inzwischen knapp 100 der 130 Ampeln der Stadt angeschlossen. "Die Abdeckung ist super", schwärmt Hainzlmaier. In Düsseldorf ist es rund die Hälfte der dort 600 Anlagen. Und es kommen ständig weitere hinzu. "Sobald die Prognosequalität stimmt, schalten wir die live."

Die Daten dafür bekommt Audi von den eigenen Autos: die GPS-Positionsdaten der herumfahrenden Audis, die dann mit der von der Stadt gemeldeten Ampelschaltung verglichen wird. Deshalb bot sich der Stammsitz Ingolstadt auch für das erste Pilotprojekt an. Die Audi-Dichte auf der Straße macht es leichter, die Prognosen zu erstellen.

Denn bisher ist die Funktion nur in den Modellen der Ingolstädter VW-Tochter. "Es haben schon fast alle neuen Autos von uns", berichtet Hainzlmaier. Fast alle nach Juli 2019 gebauten Baureihen wurden damit bereits ausgestattet. "Bis auf R8, TT, A1 und Q2."

Deutlich weiter als in Deutschland ist Audi in den USA, wo der Hersteller das System bereits 2016 eingeführt hat. "Dort haben wir schon 15.000 Ampeln angeschlossen." Jetzt wolle man das System auch in Europa ausrollen. Ingolstadt und Düsseldorf seien hier nur der Anfang. "Die nächste Stadt wird sogar außerhalb Deutschlands sein, in einem Nachbarland." Und auch in China gebe es bereits Forschungsprojekte dazu.

Blind aufs Display verlassen soll sich der Fahrer aber trotz aller Technik nicht. "Den Countdown blenden wir vier Sekunden, bevor es grün wird, aus", sagt Hainzlmaier. "Damit sich der Fahrer beim Anfahren nicht blind auf die Anzeige im Auto verlässt."

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