Nach dem Rückzug von Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche als Kandidat soll nun Bernd Pischetsrieder an die Spitze des Konzern-Aufsichtsrats rücken. Darauf hat sich das Gremium geeinigt. Eine Wahl bei der nächsten Daimler-Hauptversammlung ist eigentlich nur noch Formsache. Pischetsrieder folgt damit auf Manfred Bischoff (78), der sein Amt am 31. März 2021 nach 14 Jahren abgeben wird und zunächst darauf gehofft hatte, seinen Ziehsohn Zetsche installieren zu können – bevor dieser auf Druck der Aktionäre und wegen der vielen hinterlassenen Baustellen seiner Amtszeit entnervt hinschmiss.
Auf den ersten Blick mag die Nominierung von Pischetsrieder eine logische Konsequenz sein, da er bereits seit sieben Jahren im Kontrollgremium sitzt und den Konzern sehr gut kennt. Doch in Wahrheit ist der Vorschlag ein Armutszeugnis und lässt eine große Chance ungenutzt. Bernd Pischetsrieder mag ein sehr erfahrener Automanager in Deutschland sein. Sieben Jahre war er Chef von BMW. Vier Jahre lang führte er den Volkswagen-Konzern, bevor er sich den Unmut von Ferdinand Piech zuzog. Über manche Fehlentscheidung wie etwa das Rover-Debakel könnte man da noch hinwegsehen.
Doch der inzwischen 72-Jährige steht genau für jene Ära der deutschen Autoindustrie, die der Vergangenheit angehören sollte. Er steht für die Zeit von Verbrennungsmotoren und Spaltmaße-Debatten, in der Hierarchiedenken wie beim Diesel-Skandal von VW vorgelebt und wichtige Zukunftsentscheidungen verpasst wurden. Und er steht für die Art von Selbstbedienungsmentalität und Überheblichkeit, die den schlechten Ruf dieser Industrie in den vergangenen Jahren maßgeblich befördert hat. Nachdem er viele Millionen an Abfindungen kassiert hatte, wurde er 2011 wegen Steuerhinterziehung verurteilt.
Der Daimler-Aufsichtsrat hätte nach Zetsches Rückzug mit der Nominierung ein Signal des Aufbruchs und der Verjüngung senden können, um die neue Strategie von Daimler-Chef Ola Källenius in Richtung Elektromobilität und Digitalisierung entsprechend zu flankieren. Das Gegenteil ist nun der Fall.
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