Fehlen "nur" noch 6470

Der Aufbau der Ladeinfrastruktur nimmt Fahrt auf – wenn auch ganz langsam. Seit Sommer fördert die Bundesregierung den Aufbau von Ladesäulen, entlang der Autobahnen sollen in den kommenden Jahren durch das Projekt Tank&Rast Schnellladestationen entstehen. Das jüngste Beispiel: Das Joint Venture der großen Autohersteller, die sich zusammengetan haben, um den Aufbau des Schnellladenetzes entlang der wichtigen Verkehrsachsen selbst in die Hand zu nehmen.

"Man hat jetzt den Systemgedanken zwischen Ladeinfrastruktur und Reichweite verstanden", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Es werde aber noch einige Zeit dauern, bis das Ladenetz so dicht sei, dass es der Elektromobilität tatsächlich zum Durchbruch verhelfe.

Laut Nationaler Plattform Elektromobilität besteht in Deutschland ein Bedarf von 7100 Schnellladestationen bis Ende 2017. Laut Bundesverband der Deutschen Energiewirtschaft gab es im Juni 2016 rund 6000 öffentliche Ladepunkte (rund 2800 Ladestationen) – davon 230 Punkte mit Schnellladefunktion.

Angesichts des Absatzes an Elektrofahrzeugen, den die Hersteller in den kommenden Jahren anstreben, ist das sehr wenig. Dass das Schnellladenetz rasch weiter ausgebaut wird, ist aus Sicht von Bratzel daher äußerst wichtig. "Nicht jeder hat eine Garage mit Stromanschluss zu Hause", sagt der Experte. Gerade in den Städten seien das nicht viele. Angesichts der schwierigen Parkplatzsituation seien Normalladesäulen im öffentlichen Raum daher nicht ausreichend.

Um das Vertrauen in die Elektromobilität zu stärken planen BMW, Daimler, Ford und der Volkswagen-Konzern mit seinen Töchtern Audi und Porsche entlang europäischer Hauptverkehrsachsen in einem ersten Schritt ab 2017 rund 400 Ladestationen zu errichten, die mit einer Leistung von bis 350 KW ausgestattet sind. Damit können etwa 300 Kilometer Reichweite in deutlich weniger als 20 Minuten geladen werden. Das Joint Venture ist noch offen für weitere Partner.

Vor allem von Seiten Daimler war in der Vergangenheit immer wieder zu hören gewesen, dass der Aufbau der Ladeinfrastruktur nicht die Aufgabe der Autobauer sei. Nun hat man sich offenbar doch dazu durchgerungen. "Die Autoindustrie nimmt das Thema Ladeinfrastruktur in den vergangenen Monaten ernster, weil sie das Thema Elektromobilität ernsthafter verfolgt", sagt Bratzel. Konkurrent Tesla stellt den eigenen Kunden hingegen schon lange ein Ladenetz zur Verfügung.

"Auch wenn die Hersteller dies später verstanden haben als der Vorreiter Tesla: Noch ist es keineswegs zu spät, im Gegenteil: Dem Herausforderer gemeinsam und mit vereinten Kräften entgegen zu treten, könnte der entscheidende strategische Schritt sein, der die Hersteller vollends ins Spiel zurückbringt", sagt Axel Schmidt von Accenture.

Neben dem neuen Engagement der Autobauer laufen derzeit europaweit unzählige weitere Projekte, die den Aufbau der Ladeinfrastruktur als Ziel haben. So wollen die Partner aus Unternehmen und Wirtschaft, die sich im Forschungsprojekt Slam zusammengetan haben, bis Ende 2017 400 Schnellladepunkte entlang wichtiger Verkehrsachsen und in Metropolen aufbauen. Das Projekt Ultra-E will 25 Schnellladestationen von den Niederlanden bis nach Österreich installieren. Tank&Rast will in den kommenden Jahren entlang den Autobahnen alle 30 Kilometer eine Ladesäule anbieten.