Er war schon in der Golf-Klasse unterwegs, als VW noch auf den Käfer setzte. Und während sie in Wolfsburg mit dem ID3 längst den Golf einer neuen Ära aufbauen, steht Honda auch weiter in Treue fest zum Civic – und schickt jetzt nach ziemlich genau 50 Jahren und mehr als 30 Millionen Exemplaren die elfte Generation des Dauerläufers in den Handel. In den USA, wo die Japaner zuverlässig auf sechsstellige Zulassungszahlen kommen, schon seit letztem Herbst auf der Straße, wird er bei uns seinen schweren Kampf aus der Nische heraus in diesem Herbst starten, und ein Grundpreis von 31.900 Euro wird es ihm dabei nicht eben leichtmachen – selbst wenn die Ausstattung üppig und der Antrieb fortschrittlich ist.
Wo es bei den Konkurrenten zumindest Steilheck und Kombi gibt und bei manchen sogar noch ein Coupé, will Honda all diese Fliegen mit einer Klappe schlagen und setzt auf ein vergleichsweise großes Schrägheck mit einem im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr ganz so polarisierenden Design und entsprechend viel Platz: Bei 4,55 Metern Länge und einem auf 2,77 Metern gewachsenen Radstand sitzt man deshalb auch in der zweiten Reihe ganz kommod und der Kofferraum ist mit 440 Litern überdurchschnittlich groß.
Sparer mit Sportsgeist
Die elfte Generation des Honda Civic gibt es nur noch mit Hybridantrieb. Damit ist der Kompakte überraschend sportlich unterwegs.

Die elfte Generation kommt mit einem digitalen Cockpit.
Während die Japaner außen wieder zurück ins Glied treten und sich provozierende Spielchen diesmal verkneifen, haben sie sich innen etwas Neues einfallen lassen: Das erstmals bei einem Civic voll digitale Cockpit mag noch durchschnittlich sein, der Touchscreen daneben ist sogar vergleichsweise klein und das Ambiente ist mit viel düsterem Kunststoff vergleichsweise nüchtern. Doch die Lüfterleiste, die sich hinter einem schmucken Gitter quer durchs ganze Cockpit zieht, ist eine Augenweide – und obendrein eine buchstäblich erfrischende Neuerung. Denn durch diesen Maschendraht aus dem Designer-Kaufhaus strömt mehr kalte Luft mit weniger Krawall und sorgt so schneller für das Wohlfühlklima in der Kabine.
Monokultur pflegt Honda aber nicht nur beim Aufbau, sondern auch beim Antrieb. Denn zumindest in Europa gibt es den Golf-Gegner genau wie seinen wichtigsten Konkurrenten Toyota Corolla ausschließlich als Hybrid. Das mag den Ingenieuren eine vernünftige Entscheidung sein, weil es die im Alltag vielleicht tatsächlich sparsamste Motorisierung ist, den Kunden macht es Honda damit aber schwer – denn weder kassieren sie für einen konventionellen Hybriden irgendeine Förderung, noch können sie damit mehr als ein paar hundert Meter bei moderatem Tempo rein elektrisch fahren. Und ganz so dynamisch wie ein herkömmlicher Verbrenner ist der Antrieb am Ende eben auch nicht.

Der Radstand von 2,77 Metern sorgt für viel Platz auf der Rückbank.
Aber zumindest haben die Japaner unter diesen schwierigen Vorgaben das Maximum aus dem Motoren-Konglomerat herausgeholt. Denn wer den 143 PS starken 2,0-Liter-Benziner und die beiden E-Maschinen richtig orchestriert, kann nicht nur 184 PS und imposante 315 Nm abrufen. Sondern der erlebt den so genannten e:HEV-Antrieb tatsächlich als den Sportler unter den Sparern und fühlt sich ein wenig an jene Zeiten erinnert, als das Motorenprinzip "i-Vtec" noch einen Klang hatte wie der GTI aus Wolfsburg und Honda als die japanische Antwort auf BMW gehandelt wurde.
Denn nicht nur Lenkung und Fahrwerk sind so abgestimmt, dass der Civic mehr Lust macht aufs Unterwegs sein als aifs Ankommen, sondern auch der sonst gerne etwas träge Hybrid mit seinem üblichen Gummiband-Getriebe macht tatsächlich Laune – zumindest im Sport-Modus Dann nämlich wirkt die Automatik plötzlich wohltuend konventionell, die Drehzahlen gehen nach oben und der Synthesizer presst ein bisschen Leidenschaft durch die Lautsprecher. Und da soll noch einer sagen, dass Vernunft und Vergnügen nicht unter einen Hut passen.

Die Höchstgeschwindigekit beträgt 180 km/h.
Wobei: So ganz genau hinschauen darf man dabei freilich nicht, und auch keine allzu großen Erwartungen hegen. Denn streng genommen sind die 7,8 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 natürlich allenfalls gehobener Durchschnitt und solange es noch kein Tempolimit gibt, ist mit einer Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h zumindest auf deutschen Autobahnen noch kein Staat zu machen.
Zwar hat sich Honda notgedrungen ebenfalls auf die Seite der Elektro-Jünger geschlagen, wird deshalb die Elektrifizierung voran treiben und in den nächsten Jahren eher mehr als weniger Vernunft walten lassen. Doch so ganz vergessen haben die Japaner ihre Wurzeln nicht und auch nicht die wilden Zeiten des Civic. Weil ihre Elektrifizierungsstrategie nur die Volumenmodelle betrifft, leisten sie sich im Gegenteil sogar noch einmal ein ganz und gar unvernünftiges Auto und bringen den Civic bald auch wieder als Type R mit einem heiß gemachten Benziner. Der hat dann zwar womöglich ein paar mehr Emissionen, liefert aber ganz sicher auch deutlich mehr Emotionen – und zwar nicht nur bis 180 km/h oder mit aktiviertem Sound-Symposer.
Aus dem Datencenter: