Erwacht der schlafende Riese?

Nachdem die Neuzulassungen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen in Russland 2008 und 2012 bereits zwei Mal nur leicht unter der drei Millionen-Marke lagen, brachen sie bis 2016 um über 50 Prozent ein und kamen nur auf knapp 1,43 Millionen. Die ersten fünf Monate dieses Jahres zeigten aber wieder ein Plus von gut fünf Prozent.

Einige Marken trotzten dem Rückgang seit 2012

Allerdings liegt die gesamte Nachfrage in den ersten fünf Monaten immer noch um die Hälfte niedriger als im Vergleichszeitraum von 2012. Dennoch konnten die Premium-Marken Mercedes, Lexus, Porsche und Jaguar mehr Fahrzeuge absetzen als 2012. So ist der Marktanteil von Mercedes zu Beginn dieses Jahres mit 2,9 Prozent mehr als doppelt so hoch wie Anfang 2012. Der leichte Rückgang seit zwei Jahren ist auch darauf zurückzuführen, dass russische Beamte nur Dienstwagen aus heimischer Produktion bestellen dürfen.

Rubel-Kurs und Ölpreis belasten die Haushalte

Das generelle Problem der stark gesunkenen Nachfrage liegt in der Einkommenssituation. Aufgrund der Schwäche des Rubels verlor die Währung teilweise fast 60 Prozent gegenüber dem Euro. Aktuell haben sich die Verluste wieder auf knapp 40 Prozent gegenüber 2012 reduziert, was die privaten Haushalte bei Importgütern etwas entlastet.

Die Haupteinnahmequelle Russlands ist das Öl. Der Preis fiel von 2012 bis 2016 von über 100 US-Dollar pro Barrel auf 45 US-Dollar. Kaum ein Land zeigt, was die Pkw-Nachfrage angeht, eine höhere Abhängigkeit vom Ölpreis. Der aktuelle leichte Anstieg ist neben dem Rubel-Kurs ein weiterer Grund für das Anziehen der Neuzulassungen.

Nachfragepotenzial ist sehr hoch

Das Nachfragepotenzial in Russland ist weiterhin sehr hoch. Der Bestand ist mit 288 Pkw pro 1.000 Einwohner zwar weitaus höher als in China (69 Pkw/1.000) oder Brasilien (197 Pkw/1.000), aber deutlich geringer als in Dänemark (422 Pkw/1.000), dem Land mit dem niedrigsten Pkw-Bestand in Westeuropa..

Unter Berücksichtigung der Marktstrukturen und einer moderat positiven Wirtschaftsentwicklung liegt das langfristige Nachfragepotenzial in Russland bei zirka 3,5 Millionen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen pro Jahr.

In den kommenden fünf Jahre werden die Neuzulassungen zwar ansteigen, aber nicht mit der Dynamik nach der Krise 2009, als die Nachfrage bis 2012 um durchschnittlich 26 Prozent pro Jahr auf 2,94 Millionen anstieg. In den kommenden fünf Jahren wird eine moderate Erhöhung des Ölpreises auf 80 US-Dollar pro Barrel unterstellt und eine leichte Verbesserung des Rubel-Kurs. Das durchschnittliche Wachstum der Neuzulassungen wird bei zirka zehn Prozent pro Jahr liegen, was dann eine Nachfrage von 2,5 Millionen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen in 2022 bedeutet.

Die Entscheidung von Mercedes, in Russland eine lokale Produktionsstätte für die E-Klasse und die GL-Baureihen aufzubauen, ist in vielfältiger Hinsicht sinnvoll: Da ist der dringende Wunsch der russischen Regierung, ausländische Investoren ins Land zu holen, was sie mit Subventionen und Steuererleichterungen unterstützt. Die bei russischen Beamten sehr beliebten Mercedes-Modelle könnten, da sie nun lokal gefertigt werden, auch wieder von ihnen bestellt werden. Dies würde bereits ein gewisses Nachfrageniveau sichern, auch wenn die Gesamtnachfrage vielleicht in den ersten Jahren nicht ausreicht, die Kapazität von zirka 25.000 Fahrzeugen pro Jahr in Russland abzusetzen. Man hätte die Möglichkeit, andere Märkte mit relativ preiswert produzierten Premium-Modellen zu bedienen. Wichtig dabei ist, dass die lokale Fertigungstiefe hoch ist, damit wenige - teuer importierte - Teile montiert werden müssen.

Lesen Sie auch:

Schaeffler Gruppe: Maxim Shakhov ist neuer Leiter Russland

Neuzulassungen: Europäischer Automarkt legt im Mai wieder zu

VW-Motorenwerk Salzgitter: Großauftrag von GAZ