Wann immer Journalisten angesichts der vor zwei Jahren neu geschaffenen Konzernstruktur mit drei Sparten die Frage nach einem geplanten Börsengang der Truck-Division stellten – die Antwort lautete zumindest sinngemäß stets gleich. Der Daimler-Konzern sei eine große Familie, niemand habe die Absicht eines Börsengangs. Nun aber konnte die Abspaltung des Lkw- und Busgeschäfts offenbar nicht schnell genug gehen. "Warum warten, wenn man die Vorteile der Entscheidung einmal erkannt hat", sagte Daimler-Chef Ola Källenius als Begründung für den Sinneswandel. Damit baut der Schwede den Konzern stärker um als jemals zuvor in der über 130-jährigen Geschichte.
Tatsächlich lassen sich gute Argumente für diesen Weg anführen. Zwischen einem Schwerlaster wie dem Actros und einer Mercedes S-Klasse in der Maybach-Version liegen Welten bei Technologie und Kundenstruktur. Auf beides können sich die Unternehmen in Zukunft sicher besser konzentrieren, wenn sie getrennte Wege gehen. Die vielen Überlappungen im Konzern haben in der Vergangenheit zu mehr Bürokratie, aber weniger Tempo und Flexibilität geführt. Jetzt dürften beide Seiten neue Kunden und Märkte leichter erobern als bisher. Auch der VW-Konzern hat seine Lkw-Sparte "Traton" bereits vor zwei Jahren an die Börse gebracht und damit keine schlechte Erfahrungen gemacht.
Dennoch bleiben nach der Entscheidung viele Fragezeichen. Dies betrifft vor allem die Kompetenzen bei der Forschung und Entwicklung. So hatte Källenius die Hoheit für die beiden Zukunftsfelder Brennstoffzellen-Technologie und autonomes Fahren von der Pkw-Sparte auf die Lkw-Sparte übertragen. Wie in diesen zentralen Themen der Wissenstransfer und die Kooperation beibehalten werden soll, ist völlig unklar. Die Mobility AG, in der Ride-Sharing, Car-Sharing und andere Mobilitätsdienste gebündelt sind, soll völlig verschwinden. Es wird immer deutlicher, dass sich Källenius mit der Pkw-Sparte in erster Linie auf den Verkauf von Luxus-Autos konzentrieren will. Vom ganzheitlichen Mobilitätsanbieter ist keine Rede mehr. Dies mag die Rendite und den Börsenkurs kurzfristig nach oben treiben. Ob es die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens im Kampf gegen die Tech-Konzerne auf lange Sicht erhöht, darf dagegen bezweifelt werden.
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