Herr Zink, warum schafft Schaeffler einen eigenen Geschäftsbereich Elektromobilität?
Weil wir hier wesentliche Zukunfts- und Wachstumschancen sehen. Deshalb haben wir den neuen Bereich E-Mobilität „gleichberechtigt“ neben den vier bestehenden Bereichen Motor-, Getriebe-, Fahrwerksysteme und Automotive Aftermarket angesiedelt. Das zeigt wie hoch der Stellenwert der E-Mobilität bei Schaeffler ist. In dem neuen Unternehmensbereich sollen sämtliche Produkte und Systemlösungen gebündelt werden, die wir als Teil unserer E-Mobilitätsstrategie anbieten wollen. Das gilt auch für die E-Motoren und Elektronikkompetenzen.
Ein weiterer Treiber war, dass das Thema im Laufe von 2016 an Fahrt gewonnen hat. Wir haben im Rahmen unserer Strategie „Mobilität für morgen“ daher ein beschleunigtes Szenario entworfen. Das geht davon aus, dass im Jahr 2030 bereits 30 Prozent aller Autos rein elektrisch angetrieben werden. Nur noch 30 Prozent sind allein mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet und 40 Prozent haben einen Hybridantrieb.
Unser Ziel ist, im Jahr 2020 mindestens 15 Prozent des Gesamtumsatzes des Automotive-OEM-Geschäftes mit Produkten und Systemen für Hybrid- und rein batteriebetriebenen Fahrzeuge zu machen.
Aktuell haben wir 20 Kundenprojekte im Bereich E-Mobilität. Dazu gehören acht Serienaufträge für E-Achsen -und Hybridmodule für Kunden weltweit. Das Umsatzpotenzial aus diesen Aufträgen beläuft sich auf über eine Milliarde Euro.
Welche Schwerpunkte wollen Sie bei den Komponenten für Hybrid- und reine Elektrofahrzeuge setzen?
Wir wollen und können die gesamte Bandbreite der Elektrifizierungsmöglichkeiten anbieten – vom 48-Volt-Hybrid über den Plug-in-Hybrid bis hin zum rein elektrischen Fahrzeug. Dieses Wissensspektrum macht uns zum kompetenten Partner für die verschiedenen Märkte und Kunden – zum Beispiel mit Hybridmodulen, elektrischen Achsantrieben, Range-Extender-Getrieben, hydrostatischen Kupplungsaktoren und elektrischen Radnabenantrieben. Mit unseren innovativen Konzeptfahrzeugen und komplexen Simulationen können wir unseren Kunden mögliche Lösungen kompetent vorbereiten.
Oder sehen Sie unsere E-Clutch zum Beispiel: Sie ermöglicht unter anderem die Funktionen Start-Stopp und Segeln beim Handschalter kombiniert mit einer Hybridisierung im Riementrieb. Damit kann man im realen Fahrbetrieb den CO2-Ausstoß um bis zu 10 Prozent reduzieren.
Neben Deutschland wollen Sie auch in China ein zweites Zentrum für Elektroantriebe aufbauen. Werden Sie dort andere Prioritäten in der Entwicklung setzen als in Deutschland?
China entwickelt sich zunehmend zu einem globalen Leitmarkt für E-Mobilität. Daher haben wir beschlossen,unser zweites Kompetenzzentrum E-Mobilität dort auszubauen. In China zählen die Faktoren Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit und Pragmatismus ganz besonders. Wir bieten unseren Kunden daher zusätzlich die Hilfe bei der Integration von Systemen ins Fahrzeug mit lokalem Engineering an. Übrigens stammen drei der erwähnten acht Serienaufträge für E-Achsen und Hybridmodule aus China.
Schaeffler hatte angekündigt, bis zum Jahr 2020 rund 500 Millionen Euro in die Elektromobilität investieren zu wollen. Halten Sie an diesem Plan fest oder müssen Sie die Zahl nach oben korrigieren?
Wir halten vorerst an diesem Plan fest. Natürlich sind wir jederzeit bereit, diese Ziele nach oben anzupassen. Wichtig ist für uns, dass wir durch diese Anpassungen unsere Kunden erreichen.
Welchen Stellenwert nehmen bei Ihnen Kooperationen im Rahmen der Elektromobilität ein?
Kooperationen haben in Gänze beim Thema Mobilität einen sehr hohen Stellenwert für uns. Oft beginnen wir Forschungs- und Entwicklungskooperation schon zusammen mit den Automobilherstellern – unseren Kunden. Auch unsere Zusammenarbeit mit Lieferanten ist sehr intensiv. Darüber hinaus haben wir globale Forschungskooperationen mit renommierten Universitäten und Think Tanks. Wir arbeiten am KIT (Karlsruher Institut für Technologie) mit einer lokalen Präsenz intensiv an den Themen Energiespeicher, Elektrische Antriebe und automatisierte Mobilität.
Erst im Juli haben wir mit dem Fraunhofer Institut eine strategische Partnerschaft unterzeichnet mit dem Ziel, unsere Zusammenarbeit, insbesondere auf den Feldern urbane Mobilität und Industrie 4.0., zu intensivieren und strategisch auszurichten. Der regelmäßige Austausch über den Wandel in der Welt und die daraus resultierenden Herausforderungen und Möglichkeiten sind für beide Seiten wichtige Bestandteile der Partnerschaft. Grundsätzlich tragen all unsere Kooperation dazu bei, die Mobilität für morgen aktiv weiterzuentwickeln.
Herr Zink, vielen Dank für das Gespräch.
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