Wer Porsche-Chef Oliver Blume lässig in T-Shirt und Jeans erleben will, der muss ihn bei einem Rennen der WEC-Serie besuchen. Beim Saisonfinale in Bahrain hatte die Sportwagenmarke gleich doppelt Grund zum Jubeln. Sowohl Hersteller- als auch Fahrertitel gingen nach Stuttgart.
Herr Blume, waren Sie schon immer ein Motorsport-Fan?
Ich bin schon immer gerne Auto gefahren – und das gerne auch schnell. Und natürlich habe ich mir schon früher Rennen wie die Formel 1 oder DTM angeschaut. Aber seit ich bei Porsche bin, hat die Begeisterung rasant zugenommen. Wenn man versteht, was die Teams hier leisten und wie bei einem Rennen alle perfekt zusammenarbeiten, macht das sehr viel Spaß.
Was bedeutet der Ausstieg von Audi aus der Langstrecken WM für die eigene Strategie?
Es ist für den sportlichen Wettbewerb natürlich immer schöner, wenn drei oder sogar mehr Teams gegeneinander fahren. Für uns ändert das aber nichts. Ich halte die Entscheidung von Audi, sich auf die Formula E zu konzentrieren, für richtig und konsequent.
Ein Ausstieg von Porsche ist also keine Option?
Nein, wir haben mit Toyota in der LMP1-Klasse der WEC-Serie einen sehr starken Gegner. Zudem haben wir den GT-Motorsport, der für uns extrem wichtig ist. Bei uns geht es nicht um die Rennen allein, sondern um das, war wir daraus für unsere Serienfahrzeuge lernen.
Wie viel vom Rennwagen 919 Hybrid steckt in den Serienautos?
Prozentual lässt sich das schwer beziffern, meistens geht es um Konzeptideen, die erprobt werden – etwa der extreme Leichtbau oder die auf die Spitze getriebene Effizienz des Verbrenners inklusive Einspritzung und Aufladung. Aber gerade von der Hybrid-Technologie – bewährt etwa im Rennwagen 911 GT3 R Hybrid – ist bereits einiges im neuen Panamera zu erkennen. Seine Boost-Funktion stammt vom 918 Spyder. Einzelne Elemente des 919 werden wir dann im Mission E wiederfinden, für den wir beispielsweise das 800 Volt-Konzept übernehmen. Ein weiteres Beispiel ist die LED-Lichttechnologie. Außerdem sind es viele Kleinteile, deren Haltbarkeit wir hier testen.
Sie setzen stark auf den Plug-In-Hybrid als Übergangstechnologie, kommt der Übergang zu rein elektrischen Fahrzeugen nicht schneller als erwartet?
Wenn wir das wüssten… Die Plug-in-Technologie verbindet für uns das Beste aus zwei Welten und stellt ein äußerst attraktives Angebot für unsere Kunden dar. Der Panamera fährt über 50 Kilometer rein elektrisch und für lange Strecken hat er den Verbrenner an Bord. In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird es aus meiner Sicht eine Koexistenz zwischen Verbrenner, Plug-in-Hybriden und rein elektrischen Fahrzeugen geben.
Wie sieht ihre Elektro-Strategie aus?
Der Mission E wird unser erstes rein elektrisches Fahrzeug sein. Er kommt Ende des Jahrzehnts. In der nächsten Dekade werden wir sicher auch andere Baureihen mit Elektromotor anbieten. Welche das sind, haben wir noch nicht festgelegt. Wichtig ist uns, dass diese Fahrzeuge auch richtige Porsche sind. Merkmale wie Design, Fahrdynamik und Qualität, die uns in der Vergangenheit so erfolgreich gemacht haben, wollen wir in die Zukunft transportieren.
Sie gelten als Treiber des Aufbaus einer Schnellladeinfrastruktur. Woran hakt es?
Wir stehen kurz vor dem Durchbruch. Unsere Prioritäten liegen zunächst auf Nordamerika und Europa, wo wir die wichtigen Verkehrsachsen mit Ladepunkten ausstatten müssen. In China ist es etwas anders, weil überregionale Reisen mit dem Zug oder Flugzeug gemacht werden und das Laden am heimischen Netz eine deutlich größere Rolle spielt. Wir brauchen also unterschiedliche Ansätze, um hier voranzukommen.
Notfalls auch alleine wie Tesla?
Wir bevorzugen eine gemeinsame Vorgehensweise. Das liegt im Interesse aller Autohersteller und Laden sehe ich nicht als Alleinstellungsmerkmal. Es geht für alle darum, sich bequem von einer Ladestation zur nächsten bewegen zu können. Denkbar sind Modelle, die mit dem Kauf verbunden sind – zum Beispiel eine App, die mir die nächste Ladestation zeigt und über die ich bequem abrechnen kann. Oder vielleicht ist die ersten zwei Jahre der Strom an der Tankstelle beim Kauf eines Elektroautos mit inbegriffen. Wir haben hier viele Ideen.
Wie viele Mission E müssen Sie denn verkaufen, um die CO2-Vorgaben nach 2020 zu erfüllen.
Entscheidend ist der Mix mit Plug-in-Hybriden und Verbrennern. Daraus können Sie den wahrscheinlichen Flottenverbrauch ableiten. Wir haben den Mission E mit einer Stückzahl in der Größenordnung von etwa 20.000 kalkuliert.
Wie schwierig ist es derzeit, angesichts der vielen Umbrüche die richtigen Entscheidungen zu treffen?
Ich halte die aktuelle Situation für so anspruchsvoll wie noch nie in der Automobilindustrie. Wir haben mit extrem vielen Variablen zu tun. Wir haben unsere Segmente aufgeteilt und fragen uns sehr genau, wo wir komplett elektrifizieren, wo wir mit Plug-ins an den Start gehen und wo der Verbrenner am besten passt. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle drei Antriebsarten noch eine geraume Zeit nebeneinander existieren werden. In welcher Zusammensetzung ist aber von Region zu Region unterschiedlich. Deshalb wollen wir so flexibel wie möglich sein, um – wenn nötig - schnell korrigieren zu können.
Ausgerechnet jetzt kommt ein Sparpaket aus Wolfsburg mit einer reduzierten Investitionsquote. Wie sehr sind Sie da betroffen?
Es war bei Porsche schon immer üblich, jeden Euro zweimal umzudrehen. Das ist vielleicht auch eine schwäbische Tugend, die viel dazu beigetragen hat, Porsche so erfolgreich zu machen. Wenn Porsche gute Gewinne macht, hilft dies auch dem Konzern. Dafür müssen wir attraktive, emotionale Produkte auf den Markt bringen. Und dafür müssen wir auch investieren.
Wie wird die Modellpalette von Porsche im Jahr 2025 aussehen?
Wir werden schon bis 2020 ein Produktfeuerwerk zünden. Und das werden wir fortführen. Und dafür werden wir ganz genau beobachten, wie sich die Märkte auf der Welt entwickeln. Wir wollen neue Technologien wie die Elektromobilität oder die Digitalisierung einsetzen und auf dieser Basis entscheiden, welche Derivate zu den Basismodellen passen. Bei der Modernisierung kommt es mir darauf an, die Porsche-Gene noch stärker in den Vordergrund rücken.
Wie muss man sich das vorstellen?
Die traditionellen Porsche-Werte sollen in die Zukunft übertragen werden. Emotionalität wird groß geschrieben. Wir verbinden Porsche-typische Eigenschaften mit sinnvollen neuen Technologien. Wir werden auch künftig puristische Fahrzeuge anbieten, in denen man noch selbst schaltet. Auf der anderen Seite bieten wir hochmoderne Fahrzeuge an – mit Assistenzsystemen und digitalen Diensten. Dann kann der Kunde entscheiden und kombinieren, was er davon wann nutzen möchte. Eines steht fest: Einen Porsche wird man immer selbst fahren können – und wollen.