Eine Milliarde für den neuen Mobilitätsdienst

Im Aufgang zur Eventlocation „Der Tunnel“ am Potsdamer Platz hängen die bunten Logos der Mobilitätsmarken von BMW und Daimler an der Wand. Blaues Schummerlicht, Loungemusik, Gurkenwasser und Würfel zum Sitzen begrüßen die Gäste. Nur keine steife Konzernatmosphäre aufkommen lassen in dieser schönen neuen Welt, an der Daimler und BMW erstmals gemeinsam arbeiten.

Es ist eine Welt, in der das Auto als prestigeträchtiges Eigentum dramatisch an Bedeutung verloren hat. Stattdessen wollen die Menschen Mobilität möglichst einfach und schnell über ihr Smartphone bestellen und bezahlen. „Wir haben mit unseren Mobilitätsdiensten eine starke Kundenbasis aufgebaut. Nun gehen wir den nächsten Schritt“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche, der zusammen mit BMW-Chef Harald Krüger auf der Bühne sitzt.

Über 100 Jahre Wettbewerb hätten beide Unternehmen zu Höchstleistungen getrieben. Jetzt aber sei die Zeit reif für eine Zusammenarbeit. Zetsche spricht von „Frenemies“, einer Wortschöpfung aus Friends und Enemies (Freund und Feind) – und meint es in diesem Fall durchaus positiv.

Zusammen zählen die Mobilitätsdienste beider Autohersteller 60 Millionen Kunden. Diese generieren derzeit einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro, wie Zetsche sagt. Sie sollen in Zukunft in fünf selbstständigen Joint Ventures alle Dienste abdecken. Der zuvor heiß gehandelte Name Jurbey für das gemeinsame Unternehmen taucht dabei nicht mehr auf. Stattdessen hat sich Daimler der Namensgebung von BMW angeschlossen.

Unter dem Namen Reach Now soll in Zukunft eine multimodale Plattform fungieren, über die verschieden Verkehrsmittel kombiniert werden. Chefin der Einheit wird die frühere Moovel-Leiterin Daniela Gerd tom Markotten. Sie hat auch eine Art Dachfunktion, da alles anderen Services im Zweifel bei der App Reach Now integriert werden. Anders als spekuliert, hat sie aber keine übergeordnete Leitungsfunktion.

Charge Now bündelt den Zugang zur Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Mit über 100.000 Ladepunkten in 25 Ländern sei man hier Marktführer, sagt BMW-Chef Harald Krüger stolz. Auch Park Now war bisher hauptsächlich bei BMW angesiedelt. Der Dienst ermöglicht die Suche von freien Parkplätzen und soll den Suchverkehr reduzieren helfen.

Unter Free Now werden die verschiedenen Mitfahrdienste zusammengefasst. Hier war bisher vor allem Daimler stark mit Marken wie MyTaxi oder Chaffeur Privée. Allein Free Now hat aktuell über 21 Millionen Kunden. Die bisher wohl bekanntesten Marken Car2go und Drive Now werden zum Carsharing-Dienst Share Now verschmolzen. Dieser Bereich wird geleitet von Olivier Reppert, der zuvor Car2go führte.

„Das klare Ziel ist, einen internationalen Champion zu formen“, sagt Harald Krüger selbstbewusst. Eine Milliarde Euro stecken Daimler und BMW in das neue Joint Venture, das seinen Sitz in der Hauptstadt Berlin haben soll. Das ist allerdings nur ein Bruchteil dessen, was Konkurrenten wie Uber, Didi oder Alababa zur Verfügung haben.

Viele Details sind auch noch unklar, etwa wie die unterschiedlichen Dienste konkret zusammengeführt werden sollen. Die Einheiten sollen zudem an die bisherigen Mobility-Einheiten der Unternehmen angedockt bleiben. Zur Frage, wie lange denn die Investition von einer Milliarde Euro ausreiche, sagte Zetsche: "Bis sie weg ist." Die einzelnen Einheiten seien nun angehalten, einen Business Plan für die nächsten Monate auszuarbeiten.

Zetsche und Krüger sehen dennoch eine Chance, auf dem internationalen Markt zu bestehen. „Wir können Städten nun einen kompletten Service anbieten, das können andere nicht, die immer nur ein Segment besetzen“, sagt Krüger.

Eine wichtige Rolle spiele auch die Verbindung von Hardware und Software. „Wir haben zwei sehr starke Marken, und gerade unsere Cabrios sind am Wochende fast immer ausgebucht“, so Krüger. Zetsche verweist zudem auf den Wert der Sicherheit. „Wir haben beide über 100 Jahre Erfahrung, deshalb vertrauen uns die Kunden“, so Zetsche. Dagegen hätten viele Tech-Unternehmen nur eine kurze Geschichte.

Die fünf Gemeinschaftsunternehmen, die jeweils zu 50 Prozent gehalten werden, sollen möglichst schnell wachsen. In den kommenden Jahren sollen weltweit bis zu 1000 Jobs geschaffen werden. Dafür nehmen die beiden Konzernchefs auch eine geringere Profitabilität in Kauf. Ziel sei aber, dass „nach einer Investitions- und Wachstumsphase eine attraktive Profitabilität zu einer Erfolgskomponente des neuen Unternehmens werde.

Natürlich taucht am Ende die Frage auf, ob dies nur der Auftakt zu weiteren Kooperationen ist, beispielsweise beim automatisierten Fahren. Doch hier reagieren Zetsche und Krüger beide zurückhaltend. Es sei durchaus möglich, auch autonom fahrende Autos beider Unternehmen, ja sogar dritter Parteien, in die Flotten einzusteuern. So leicht lassen sich über 100 Jahre Rivalität eben doch nicht überwinden.

Lesen Sie auch:

Darum fusionieren BMW und Daimler ihre Mobilitätsdienste

Das sind Daimlers beste Zulieferer

+++TICKER zur PK von Daimler und BMW++++

Wunder-Chef Gunnar Froh: "Autohersteller müssen keine Softwarefirmen werden"

BMW eröffnet Entwicklungszentrum in Tel Aviv