Gerade hat Porsche zum Halbjahr neue Rekordzahlen beim Absatz verkündet. Doch auch Porsche-Produktionsvorstand Albrecht Reimold hat mit der Chipkrise zu kämpfen und musste bereits Fehltage hinnehmen. Die Zuteilung der Halbleiter übernimmt der Volkswagen-Konzern, überlässt die Priorisierung der Modelle dann aber den einzelnen Marken. Beim Artemis-Projekt mit Audi will Porsche genau darauf achten, das am Ende auch ein Porsche rauskommt.
Herr Reimold, leidet auch Porsche unter der Chipkrise?
Natürlich geht die weltweite Versorgungskrise auch an uns nicht einfach vorbei. Die allgemeine Knappheit wird durch eine Häufung von Ereignissen verschärft. Wir sehen immer noch Auswirkungen des Schneesturms in Texas, dann kam der Brand in einem Werk in Japan, jetzt haben wir einen Corona-Lockdown in Malaysia, der die Situation erschwert. Im Konzern bündeln wir die Kräfte und koordinieren die Verteilung an die Marken zentral über eine Task-Force bei Beschaffungsvorstand Murat Aksel.
Und wie geht das?
Da gibt es eine klare Logik der Zuteilung, die wir konstruktiv verhandeln. Wenn beispielsweise bei einem Modell noch viele Fahrzeuge bei den Händlern stehen, kann man dort zurückfahren. Auch der Ertrag pro Fahrzeug spielt natürlich eine Rolle oder die anstehende Markteinführung eines neuen Modells. Hochläufe haben Priorität. Nach der zentralen Zuteilung entscheiden die Marken selbst, wo sie die Chips einsetzen.
Musste Porsche die Produktion unterbrechen?
Auch wir hätten den Vertrieb noch besser versorgen können, aber die Einschränkungen waren längst nicht so signifikant wie bei anderen Marken. Wir hatten Fehltage beim Taycan in Zuffenhausen, beim Macan in Leipzig und beim Cayenne in Bratislava, sind aber insgesamt ganz gut durchgekommen. Manchmal gibt es auch die Lösung, das Fahrzeug zu produzieren und dann entsprechend nachzurüsten. In anderen Fällen waren die Kunden bereit, beispielsweise statt einer elektrischen Lenksäulenverstellung eine mechanische zu nehmen. Im zweiten Halbjahr hoffen wir auf eine Verbesserung der Liefersituation.
Haben Sie Vorkehrungen getroffen wie eine andere Lagerhaltung?
Wir haben hier und da mehr Reserve in unseren Prozessketten. Auch der Brexit hat da eine Rolle gespielt. Das hat aber seine Grenzen, da wir nicht übermäßig Bestände aufbauen wollen. Zudem wird die Lagerhaltung nicht bei uns durchgeführt, sondern überwiegend bei den Lieferanten. Insofern dient das nur punktuell der Harmonisierung von Warenströmen.
Nach Zuffenhausen wird Leipzig für die E-Mobilität vorbereitet. Wie ist der Stand?
Wir sind in Leipzig voll im Zeitplan, auch wenn uns auf der Baustelle die Unwetter mit großen Wassermengen zeitweise das Leben schwer gemacht haben. Aktuell bauen wir bereits die ersten Vorserienfahrzeuge der nächsten Macan-Generation auf. Die Stände sind schon sehr gut und gehen jetzt zur technischen Erprobung in die Entwicklung nach Weissach. Das Fahrzeug wird wie geplant in 2023 an den Start gehen.
Wie lange soll der Macan mit Verbrennungsmotor noch parallel laufen?
Fest steht: Wir wollen elektrisch in die Zukunft fahren und eine technologische Vorreiterrolle übernehmen. Da sich die Weltregionen in Bezug auf die Elektromobilität sehr unterschiedlich entwickeln, stellen wir uns gleichzeitig für einen Übergangszeitraum flexibel auf. Wichtig ist dabei immer der Kunde. Für uns als Unternehmen sind klare Korridore mit anspruchsvollen Zielen der einzig richtige Weg, um den Klimaschutz voranzutreiben. Eine gewisse Flexibilität sollten wir uns aber erhalten.
Im Zweifel nehmen Sie also Stückzahlverluste in Kauf?
Nein, das tun wir nicht. Aber wir arbeiten aktiv daran, rechtzeitig die Voraussetzungen für die Elektromobilität schaffen. Deshalb haben wir angekündigt, dass sich Porsche bei der Infrastruktur neben Ionity auch mit eigenen Premium-Ladeparks nochmals stärker engagieren wird. Konkret brauchen wir mehr Schnellladesäulen mit bis zu 350 kW, damit das Laden zügig geht und die Akzeptanz für die E-Mobilität noch größer wird.
Müssen Sie durch die EU-Entscheidung zu "Fit for 55" ihre Pläne nochmals anpassen?
Wir haben bei Porsche eine klare Vorgehensweise für die Transformation zur Elektromobilität definiert. Unsere Pläne sind ambitioniert und wir waren damit sehr früh dran. In 2030 sollen mehr als 80 Prozent unser Neuwagen rein elektrisch oder als Plug-in-Hybrid unterwegs sein. Diese Strategie ist eng mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie verknüpft und hat weiterhin Bestand. Wir begrüßen, dass die EU-Kommission auf diese Weise beim Klimaschutz vorangeht. Das von der EU-Kommission kürzlich vorgeschlagene Paket zu "Fit for 55" und mögliche Auswirkungen auf uns analysieren wir gerade im Detail.
Mit dem Taycan sind Sie mehr als auf Kurs.
Wir produzieren derzeit 200 Fahrzeuge pro Tag. Das macht uns glücklich. Wir arbeiten in einem soliden Zweischichtbetrieb. Wenn man mehr wollte, wäre das auch eine Frage der Zulieferer, die Kapazitätsgrenzen haben. Sehr zufrieden sind wir auch mit dem 911, von dem wir aktuell noch mehr Einheiten verkaufen könnten. Wir bleiben aber unserer Linie treu und verkaufen lieber ein Auto zu wenig als eines zu viel.
Ein Überlauf in Leipzig wird also nicht mehr benötigt, oder?
Wir haben am Anfang der Taycan-Produktion etwa 1000 Fahrzeuge in Leipzig montiert und bewiesen, dass wir mit diesem Baukasten relativ schnell den Standort wechseln können. Mit der Kleinserie wollten wir zeigen, dass wir hochflexibel sind. Außerdem wollten wir damit die Leipziger fit machen für die Elektromobilität. Das hat die Belegschaft perfekt gemacht. Jetzt gilt es, den Macan mit ebenso viel Leidenschaft zu bauen.
Wie geht es danach weiter?
Wir schauen aktuell bei allen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, was wir mit der Nachfolgegeneration machen. Über die Modellreihe 718 denken wir nach. Die Gesetzgebung und insbesondere wir selbst haben die Richtung klar vorgegeben. Für die Produktion bedeutet das, wir werden alle Standorte so ausrichten, dass sie zukunftssicher sind.
Wie sind Sie bei den Plattformen in den Konzern eingebunden?
Der Taycan steht auf einer eigenen Plattform, da waren wir sehr früh dran. Im Konzern-Verbund entwickeln wir gemeinsam mit Audi die Premium Plattform Electric. Diese Architektur wird es in mehreren Abstufungen geben, auch für größere Fahrzeuge als den Macan, für SUV und für Limousinen. Bei der neuen Scalable Systems Platform (SSP) des Konzerns engagieren wir uns im Bereich der hochmotorisierten Fahrzeuge. Hier geht es vor allem darum, für uns wichtige Synergien zu nutzen.
Welche Rolle spielt Porsche beim Projekt Artemis?
Auch hier sind wir beteiligt. Bei allen Architekturen ist jedoch für uns entscheidend, dass wir einen Porsche gemäß unserer DNA interpretieren. Konkret heißt das, wir achten immer sehr genau darauf, dass ein Porsche-Kunde einen echten Porsche bekommt.
Die Produktion ist für Hannover geplant. Kann ein Porsche aus einem Nutzfahrzeugwerk kommen?
Es ist wirklich noch zu früh, um hierzu schon verlässliche Aussagen zu treffen.
Könnten Sie in Zuffenhausen nochmals einen Supersportwagen bauen?
Darüber denken wir immer wieder einmal nach und möglich wäre dies natürlich auch. Ob das vor dem Hintergrund des Joint Ventures mit Bugatti Rimac die beste Lösung ist, müsste man sich im Falle eines Falles aber noch einmal anschauen. Man sollte sich nicht gegenseitig die Butter vom Brot nehmen.
Wofür sind die Zellen aus dem Joint Venture mit Cellforce gedacht?
Hierbei geht es um Produkte abseits der Massenfertigung, wie man sie von vielen asiatischen Zulieferern wie LG oder CATL bekommen kann. Diese Hochleistungszellen können zum Beispiel im Motorsport oder leistungsstarken Kleinserien zum Einsatz kommen.
Werden Sie noch mehr Komponenten hereinholen, um die Beschäftigung zu sichern?
Wir machen das nicht aus Gründen der Beschäftigungssicherung. Wir treffen immer nur dann eine Make-Entscheidung, wenn es technologisch relevant ist und uns einen Wettbewerbsvorteil bringt. Die Zelle ist so ein Bauteil. Bei den Modulen, wo Thermodynamik, Ladeleistung und Sicherheit gesteuert werden, wollen wir die Prozesse beherrschen und von Generation zu Generation entscheiden. Anders bei der kompletten Batterie: diese werden wir vermutlich immer von Lieferanten machen lassen.
Beim Taycan haben Sie die Fertigung komplett umgekrempelt. Haben sich alle Maßnahmen bewährt?
Das Grundkonzept passt sehr gut, aber auch hier gibt es sicher noch Verbesserungen. Wir denken bei der Logistik darüber nach, wie kleinteilig wir Bauteile in das Werk bringen wollen. Wenn größere Module beim Lieferanten gemacht werden, ließen sich Lkw-Fahrten vermeiden. Genauso wie mit dem Einsatz von Lang-Lkw, über den schon lange diskutiert wird. Manches haben wir aber schon erreicht. Früher haben wir lediglich sechs Autos auf einen Transporter geladen, heute sind es acht Fahrzeuge. Gerade im urbanen Umfeld von Zuffenhausen haben wir eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung.
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