Herr Kröger, warum entwickelt sich das hochautomatisierte Fahren nicht so schnell, wie viele Branchenexperten das erwartet haben?
Aus unserer Sicht sind wir nicht so weit weg von dem, was wir vorausgesehen haben. Uns war von Anfang an klar, dass der Weg zum hochautomatisierten Fahren ein Marathon wird. Jetzt kommen ein paar Extra-Kilometer hinzu. Wir haben uns hier bei Bosch nie so weit aus dem Fenster gelehnt wie vielleicht andere. Vielmehr haben wir daran gearbeitet, die Grundlagen zu schaffen, um am Ende auch ins Ziel zu kommen. Wir haben von Beginn an Wert auf eine taugliche Architektur gelegt. Das Ergebnis liegt jetzt vor. Wir sind bei den weiteren Schritten absolut im Zeitplan.
Wie geht es beim automatisierten Parken weiter?
Zunächst einmal ich bin ein Riesenfan des automatisierten Parkens. Und hier geht es nicht mehr nur um eine Idee. Wir werden das erste freigegebene System anbieten, das sich auch wirklich nutzen lässt. Rund um die Welt erhalten wir Anfragen von Parkhausbetreibern und Autoherstellern. Für uns stellt sich also nicht die Frage, wie wir Interessenten gewinnen können, sondern wie wir es schaffen, alle in der richtigen Reihenfolge zu bedienen. Das Schöne an unserem Konzept ist, dass es auf der Parkhaus-Infrastruktur aufbaut. Um ein Auto fahrerlos parken zu lassen, werden also keine teuren Zusatzpakete im Fahrzeug benötigt.
Wie hoch sind die Kosten?
Das liegt im Bereich von einfachen, kleinen Sonderausstattungen, die sich der Autokäufer per Klick dazu bestellt. Am Ende geht es darum, dass das Fahrzeug gut und sicher mit der Infrastruktur des Parkhauses kommuniziert, die dann die Steuerung des Fahrzeugs übernimmt. Das heißt, der teure Part wird vom Parkhaus übernommen. Dort ist wiederum nur ein einmaliges Investment erforderlich. Die Technik lässt sich zudem nachrüsten, so wie wir das jetzt bei einem Parkhaus in Stuttgart gezeigt haben. In Summe ist die Lösung sehr leicht skalierbar. Als Bosch haben wir zudem den Vorteil, dass wir unser Kamera-Knowhow und Produkte aus unserer Sparte für Gebäude- und Sicherheitstechnik nutzen können. Auch die Fahrzeughersteller sehen noch weitere Anwendungsgebiete und Möglichkeiten für Synergien.
Wo zum Beispiel?
Etwa um die Autos nach der Produktion eigenständig aus dem Werk rollen zu lassen. Das geschieht jetzt noch durch Fahrer. Dabei kommt es immer wieder zu Beschädigungen der Fahrzeuge. Das ist ein Beispiel für eine ganz einfache Anwendung, die sich die Hersteller quasi nebenbei mit erschließen können, indem sie ihr Werk mit der Infrastruktur ausstatten. Wir haben sehr früh und als einziger Zulieferer auf eine infrastrukturbasierte Lösung gesetzt. Es gibt andere Unternehmen, die jetzt auch diesen Weg gehen, aber ich schätze, dass wir bei der Technik einen Vorsprung von vier bis fünf Jahren haben.
Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?
Wir stellen die Software bereit, mit der das Parkhaus smart wird. Hinzu kommt die Hardware sowohl im Parkhaus als auch im Auto. Zudem könnte pro Parkvorgang oder pro Monat eine Rechnung gestellt werden. Am Ende wird vielleicht der Autohersteller seinen Kunden anbieten, dass er das Auto parkt. Dann werden wir aber immer noch den Service bereitstellen und ein Teil der Kundenerlöse bleibt bei Bosch. Ich glaube, dass es ein gutes Geschäft für alle Beteiligten wird.
Was halten Sie davon, dass die Fahrzeughersteller ihre Betriebssysteme selbst entwickeln wollen?
Aus meiner Sicht ist es für Fahrzeughersteller nicht effizient, wenn jeder das Rad neu erfindet. Es ist ein Wesen unserer Wirtschaft, dass immer der Anbieter mit der besten, effizientesten Lösung eine bestimmte Leistung bereitstellt. Ich halte es auch für eine gute Entwicklung, wenn Hersteller an bestimmten Stellen ihren eigenen Softwareanteil übernehmen. Aber es gibt auch sehr gute Modelle, wie man sich bestimmte Aufgaben teilen kann. Viele Fahrzeughersteller haben in Bezug auf die Softwarearchitektur ihre eigenen Vorstellungen, die sie gerne verwirklicht sehen wollen. Dafür sind wir absolut offen. Unser Baukasten erlaubt diese Flexibilität, und wir können auch sehr gut andere Lieferanten mit einbinden. Da Bosch in jeder Domäne aktiv ist und meistens technologisch an der Spitze steht, verstehen wir auch ganz genau wie ein Partner am besten einzubinden ist. Allein in unserem Automobilbereich arbeiten fast 30.000 Softwareingenieurinnen und -ingenieure. Aus meiner Sicht ist Bosch heute der einzige Tier1-Zulieferer, der Softwarelösungen für alle Fahrzeugbereiche anbietet. Am Ende geht es darum, Autos besser und schneller auf die Straße zu bringen. Das ist das gemeinsame Ziel aller Beteiligten.
Sie und Daimler haben kürzlich bestätigt, ihre Zusammenarbeit am Robotaxi beenden zu wollen. Warum wollen Sie das Thema allein weiterbetreiben?
Wir führen derzeit Gespräche, um Zeitpunkt und Details gemeinsam festzulegen. Für uns als Bosch betrachten wir das nicht als Ende unserer Entwicklungen, sondern als Übergang in eine nächste Phase. In der Zusammenarbeit haben wir an den Grundlagen gearbeitet, von denen ich eingangs gesprochen habe und ein Fundament gelegt, um die Technik später beherrschen zu können. Wir haben zusammen sehr viel erreicht. Darauf bauen wir als Bosch auf, um weiter Gas beim fahrerlosen Fahren zu geben. Wir wollen jetzt beispielsweise einen Schwerpunkt auf Anwendungen im Logistikbereich legen.
Müsste man als Lehre aus der Chipkrise nicht wieder zu einer Lagerhaltung zurückkehren, um Puffer bilden zu können?
Eindeutig ja. Man hat ein wenig aus den Augen verloren wie die Perlenkette in der Zulieferung funktioniert. Es handelt sich hier eben nicht um Spritzgussteile, bei denen ein Ausfall mit Extraschichten am Wochenende wieder aufgefangen werden kann. Bei den Halbleitern haben wir Durchlaufzeiten von teilweise einem halben Jahr. Hinzu kommt, dass auch die Anlagenhersteller mit einem Auftragsboom konfrontiert sind. Zum Glück entstehen derzeit aber auch neue Kapazitäten. Wir werden diesen Effekt spüren, aber noch nicht nächste Woche. Denn es braucht Zeit, um ein Halbleiterwerk in Betrieb zu nehmen, neues Equipment einzufahren und die Chips bei den Kunden freizugeben. Zudem müssen wir künftig mit einer ganz anderen Vorratshaltung arbeiten als in der Vergangenheit, um bei Engpässen puffern zu können. Zwar gab es solche Puffer in der Vergangenheit auch schon bei bestimmten Chips und einzelnen Herstellern, doch das benötigen wir jetzt in einer ganz anderen Dimension.
Bei wem sollten diese Lager entstehen?
Das müssen wir uns über die gesamte Lieferkette hinweg noch anschauen. Theoretisch könnten die Puffer bei den Automobilzulieferern entstehen. Ich halte das aber nicht für die beste Lösung. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Chiphersteller die fertig prozessierten Wafer lagern. Damit gewinnt man Flexibilität im Backend und die Zeitspanne zur Herstellung von Chips lässt sich deutlich reduzieren. Es ist aber auch möglich, die Chips bei Distributoren zu lagern, die Halbleiterchips kaufen und verteilen. Chips zu lagern ist sowieso schon Bestandteil ihres Geschäftsmodells. Allerdings muss auch jedem in der Lieferkette klar sein, dass durch die Puffer Zusatzkosten entstehen. Am Ende ist das aber eine notwendige Entwicklung.
Bosch hat zu Jahresbeginn den Bereich Cross Domain Computing Solutions gegründet. Er soll mehr Rechenpower und einfachere Elektronikarchitekturen im Auto ermöglichen. Wie hat sich das entwickelt und welche Pläne verfolgen Sie?
Wir sind von den Kundenreaktionen positiv überrascht – sie sind noch besser als erwartet. Wir haben wirklich einen Nerv getroffen. Unsere Kunden sind extrem interessiert am Wechsel hin zu neuen Architekturen mit größeren Zentralrechnern und nomadischer Software, die an verschiedenen Stellen im Fahrzeug platziert werden kann. Im Bereich Cross Domain Computing Solutions arbeiten alleine 8000 Softwarefachkräfte. Das zeigt, wie wichtig wir das Thema nehmen. Wir können dem Kunden reine Software, reine Hardware und auch das Komplettpaket anbieten. Insofern blicken wir dem Zeitalter der softwareintensiven Produkte mit großer Erwartung entgegen.
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