Warum ist Industrie 4.0 in der Produktion notwendig?
Wir sind ein Hochlohnland und haben keine Ressourcen außer den Menschen, die für Innovationen sorgen. Das hat uns zum Exportweltmeister gemacht. Weil viele Arbeitsplätze hier an der industriellen Produktion und nachgelagerten Dienstleistungen hängen, müssen wir darauf achten, dass wir besser sind als die anderen. Die Digitalisierung ist der Schlüssel, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten. Wenn uns die Transformation nicht gelingt, könnten 30 bis 50 Prozent der Arbeitsplätze in der Industrie verloren gehen.
Wie sind die Unternehmen bei der Umsetzung der Technologien aufgestellt?
Man kann hier nicht unterscheiden zwischen großen und kleinen Unternehmen oder einzelnen Regionen, sondern nur zwischen innovativ und offen und weniger innovativ und offen. Die Schere geht auseinander zwischen denen, die vor allem die Chancen sehen und jenen, die immer zuerst nach dem Datenschutz rufen und fragen, was das alles überhaupt soll. Die dritte Gruppe wiederum kann sich nicht entscheiden, zu welcher sie gehören will. Um diese kämpfen wir jeden Tag.
Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
Wir haben den großen Vorteil, dass wir in vielen Technologien und Bereichen Marktführer sind. Dadurch haben wir einen breiten Zugang zu den Kunden und eine wettbewerbsfähige physische Basis. Wenn wir diese mit der Digitalisierung verknüpfen, also Produktion, Kundenschnittstelle und Services auf ein neues Niveau heben, dann haben wir einen Vorsprung gegenüber allen anderen auf der Welt. Die Amerikaner sind stark in der Software, sind aber schwach aufgestellt bei komplexen mechatronischen Produkten wie Maschinen oder Auto. Die Chinesen haben zwar die Produkte, sind aber technisch noch nicht so weit. Beide wollen dies ändern. Wir müssen den Vorsprung also nutzen.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie die Digitalisierung die Automobilproduktion verändert?
Die Hersteller haben derzeit das Problem, dass sich der Absatz all der Modelle und Varianten kaum mehr langfristig prognostizieren lässt. Gleichzeitig verschiebt sich die Wertschöpfung mit neuen Antriebsvarianten und neuen Mobilitätsdiensten. Angesichts dieser Unsicherheiten lässt sich eine Fabrik kaum mehr langfristig auslegen und muss daher möglichst flexibel und trotzdem kostengünstig sein. Es braucht also die variable Einbindung von Lieferanten, entsprechende Materialfluss-Systeme oder Prozessmodule, die ich im Grad der Automatisierung anpassen kann. Dabei hilft die Digitalisierung. Das Ziel ist es, dem Kunden ein hoch personalisiertes Produkt zu bieten, das gleichzeitig möglichst günstig ist.
Welche Rolle bleibt für den Mensch?
Alle Routinetätigkeiten, auch hoch qualifizierte, stehen natürlich zur Disposition. Die können Roboter und Algorithmen erledigen. Bei allen Tätigkeiten, die mit Emotionalität und Kreativität verbunden sind, ist der Mensch im Vorteil. Das gilt auch für komplexe Vorgänge beispielsweise im Werkzeugbau, die über viele Jahre erlernt werden. Der Mensch wird im Zeitalter der Digitalisierung zum Dirigent der Produktion. Er trifft Entscheidungen, probiert Neues, um die Variation in der Entwicklung voranzutreiben. Die Jobs werden sich dabei stark verändern und viele werden wegfallen. Wenn wir die Chancen nutzen und die digitale Transformation aktiv gestalten, kann es am Ende mehr Arbeitsplätze geben als vor der Transformation.
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