Worum geht es?
Der chinesische Autobauer Great Wall ist am Kauf der Fiat-Chrysler-Tochter Jeep interessiert, wie der Präsident Wang Fengying Automotive News, dem Schwesterblatt der Automobilwoche, bestätigte. Noch habe man sich aber nicht entschieden, ob man ein Kaufangebot für den gesamten Konzern oder nur eine einzelne Marke machen werde, sagte eine Great Wall-Sprecherin zudem dem Handelsblatt. Bereits seit längerem halten sich Gerüchte, dass chinesische Unternehmen an Fiat-Chrysler, das schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem Käufer ist, interessiert sind. In einer Mitteilung hieß es von FCA unterdessen, man sei von Great Wall noch nicht kontaktiert worden.
Wer ist Great Wall?
Great Wall ist seit 14 Jahren der größte SUV-Hersteller Chinas. Insgesamt acht Modelle, darunter zwei Kompaktwagen, drei SUV und drei Pick-ups bietet der Autobauer an. Mit einem Umsatz von 14,7 Milliarden Dollar 2016 und mehr als einer Million verkauften Fahrzeugen, zählte das Unternehmen zu den größeren ohne europäischen Joint Venture-Partner. Zuletzt lief es allerdings nicht rund. So gingen die Verkäufe des Spitzenmodells Haval H6, das für rund 50 Prozent des Absatzes verantwortlich ist, in den ersten sieben Monaten 2017 um mehr als fünf Prozent zurück. Auch der Gewinn soll um 79 Prozent geschrumpft sein.
Um international Fuß zu fassen, hat Great Wall eigens die Marke Wey gegründet. Das SUV VV7 floppte jedoch bisher.
Warum ist Jeep für Great Wall so attraktiv?
Umso größer könnte das Interesse des chinesischen Autobauers daher sein, die Marke Jeep zu kaufen. Damit könnte Great Wall seinem Ziel, international zu wachsen und der weltweit größte Autobauer zu werden, einen Schritt näher kommen. Schließlich feierte die US-Traditionsmarke in den vergangenen Jahren große Erfolge. Setzte man 2008 noch 500.000 Einheiten ab, kletterte der Absatz 2016 weltweit auf mehr als 1,4 Millionen Fahrzeuge – zwei Drittel davon in Nordamerika. Für das kommende Jahr peilt FCA-Chef Sergio Marchionne die Marke von zwei Millionen Verkäufen an.
Daher wäre ein Kauf von Jeep für Great Wall nicht gerade günstig. Die Analysten von Morgan Stanley schätzen den Wert der Marke auf rund 20,6 Milliarden Euro. Ob sich der Autobauer das leisten könnte, ist fraglich.
Macht es für FCA Sinn Jeep zu verkaufen?
Jeep zu verkaufen, käme für FCA einem Todesurteil gleich. Damit würde der Konzern den größten Gewinnbringer des Konzerns verlieren. Denn bislang geht die Premium-Strategie bei der wiederbelebten Marke Alfa Romeo nicht auf, die Marke Fiat weist trotz des im vergangenen Jahr auf den Markt gebrachten Modells Tipo viele Lücken auf. Einziger Verkaufsschlager ist hier nach wie vor der Fiat 500. Und von Chrysler? Gibt es ohnehin nur noch zwei Modelle. Ferrari gehört seit der Abtrennung Anfang 2016 ohnehin zum Großteil den Aktionären. Einzig bei Maserati zeigen die Verkäufe aufgrund des Erfolgs des Levante nach oben, Maserati allerdings ist eine Nischenmarke.
FCA würde mit Jeep also das Produkt verkaufen, das in den kommenden Jahren am meisten Erfolg verspricht. Nicht umsonst hat Marchionne die Produktionskapazitäten für die Marke deutlich ausgeweitet.
Welche Probleme könnte es geben?
Vorausgesetzt, FCA ließe sich auf einen Verkauf von Jeep ein, könnten die Aufsichtsbehörden zur Hürde für den Kauf der US-Traditionsmarke werden. So hatte der US-Ausschuss für Auslandsinvestitionen zuletzt einige Übernahmen von US-Firmen durch chinesische Unternehmen untersagt. Auch der Staatsrat in Peking hat den Unternehmen kürzlich hohe Auflagen für Auslandsinvestitionen auferlegt. Die angespannten Handelsbeziehungen zwischen China und den USA könnten Great Wall so einen Strich durch die Rechnung machen.
Warum könnte der Deal am Ende doch noch klappen?
Das oberste Ziel von FCA-Chef Marchionne ist seit seinem Amtsantritt, endlich die für nötig gehaltene Masse zusammenzubringen, um ein Hersteller von globalem Gewicht zu werden. Sein jahrelanges Buhlen bei den etablierten Herstellern hat jedoch nichts gebracht. Nun scheint es, bleibt nur noch die chinesische Ehe - oder der weitgehend komplette Verkauf an ein chinesisches Unternehmen. Ende 2019 wird Marchionne in den Ruhestand gehen - bis dahin will er sein Lebenswerk noch zu einem Ende führen - so oder so.
Umgekehrt bedeutet eine Übernahme von Jeep oder eines Großteils von FCA für Great Wall eine der letzten Chancen, sich auf dem Markt noch mit einem verfügbaren westlichen Autohersteller zu stärken. Denn die Konsolidierung in Chinas Autobranche hat längst begonnen, und dabei wird vermutlich kein Stein auf dem anderen bleiben.
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