Wann wird das erste Auto mit einem Brennstoffzellensystem ihres Joint Ventures auf der Straße zu sehen sein?
Favre: 2026 oder 2027 könnte es soweit sein.
Wolf: Der Einstieg ist zunächst im Lkw-Bereich geplant, wo es am sinnvollsten ist. Es eignen sich auch Spezialfahrzeuge wie beispielsweise Kommunalfahrzeuge für die Müllabfuhr oder die Straßenreinigung. Da kann man mit solchen Systemen relativ viel für die CO2-Reduzierung tun. Die Kommunen sind jetzt gefragt, Konzepte aufzulegen, um in diesem Bereich mit der Brennstoffzelle zu arbeiten. Wir sehen jedenfalls deutliche Vorteile gegenüber batterieelektrischen Lösungen.
Favre: Es ist relativ einfach, für kommunale Brennstoffzellenfahrzeuge die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Deshalb sind wir derzeit mit solchen möglichen Kunden in vielen Gesprächen.
Wie lange wird es dauern, bis Sie nach den hohen Vorleistungen mit dem Joint Venture in die schwarzen Zahlen kommen?
Wolf: Wir haben ambitionierte Pläne und es gibt bereits zahlreiche Projekte. Der große Vorteil von EKPO ist, dass die Gesellschaft nicht bei Null anfangen musste. Durch die relativen scharfen Grenzwerte auch im Bereich der Nutzfahrzeuge in Europa stehen die Fahrzeughersteller erheblich unter Druck, um diese zu erreichen. Deswegen glauben wir, dass wir mit der neuen Gesellschaft in einem relativ überschaubaren Zeitraum gute Ergebnisse erzielen werden. Richtig Fahrt wird das Thema Brennstoffzelle zwischen 2025 und 2030 aufnehmen. Davon bin ich fest überzeugt.
Favre: Die Kosten werden deutlich sinken, damit die Verbreitung der Brennstoffzelle in die Breite geht. Wir wissen genau, was wir zu tun haben und dass wir das auch können. Ein Vorteil gegenüber anderen Anbietern ist, dass wir bei uns die gesamte Wertschöpfungskette abdecken können. Die Kosten für die Brennstoffzellenstacks werden sich bis 2030 auf ein Fünftel reduzieren. Mit unseren Produktions- und Montagekapazitäten in Dettingen/Erms können wir jetzt schon bis zu 10.000 Brennstoffzellenstacks pro Jahr produzieren.
Wolf: Wir sind bereits jetzt in der Lage, die Stacks in großer Stückzahl zu produzieren und diese in Brennstoffzellensysteme zu integrieren. Meines Wissens nach gibt es kein anderes Unternehmen, das das so darstellen kann.
Wann rechnen Sie damit, dass die jährliche Kapazität von 10.000 Brennstoffzellen erreicht ist?
Wolf: Wenn es gut läuft und die Projekte schnell umgesetzt werden, könnten wir in den nächsten drei Jahren so weit sein, um dann in einem zusätzlichen Schritt weiter zu investieren.
Wie viel kostet ein solches System heute?
Favre: Wenn wir über die Brennstoffzelle sprechen, reden wir vom Stack, dem Tank und dem Gesamtsystem. Und wir wollen, dass das Gesamtsystem im Vergleich zu einem Verbrennungsantrieb wettbewerbsfähig wird. Die Brennstoffzelle wird nur ein Erfolg, wenn wir sie zum gleichen Preis anbieten können, denn die Kunden werden nicht bereit sein, mehr Geld zu bezahlen.
Wolf: Man darf nicht nur den reinen Verbrennungsmotor betrachten, sondern hinzu kommt das gesamte Abgasreinigungssystem. Zudem ist das Getriebe beim Verbrennungsmotor viel komplizierter und teurer als in einem Brennstoffzellenfahrzeug. Es kommt also auf die Gesamtkosten an. Und bei diesem Vergleich sind wir sehr zuversichtlich, dass wir in einem überschaubaren Zeitraum wettbewerbsfähig sind. Was bislang an Brennstoffzellentechnologie im Feld ist, läuft unter Manufaktur. So ein Stack kostet derzeit 50.000 bis 70.000 Euro und dann müssen sie noch ein Auto drumherum bauen.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass sich die Brennstoffzelle auch beim Pkw durchsetzen wird? Es gibt viele Skeptiker in Ihrer Branche.
Wolf: Wir werden solche Brennstoffzellensysteme vor allem in großen SUVs und Luxusfahrzeugen, aber vielleicht auch in Mittelklassefahrzeugen sehen. Es wird batterieelektrisch niemals möglich sein, solche Reichweiten darzustellen, wie das mit der Brennstoffzelle möglich ist. Zudem kann man bei grünem Wasserstoff völlig CO2-frei fahren und wir machen uns nicht abhängig von kritischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, anderen Edelmetallen und Seltenen Erden.
Favre: Wir sind so zuversichtlich, weil wir konkrete Kundenprojekte haben. Nicht nur im Lkw- oder Busbereich, sondern auch bei Pkw. Wir glauben auch daran, dass es zukünftig eine Kombination von Brennstoffzelle und Batterie geben wird. Das wird die neue Form der Hybridisierung. Und wir sehen konkrete Projekte, die in diese Richtung gehen und Kosten- sowie Bauraum-Vorteile bieten.
Wie dicht stehen Sie vor einem Serienauftrag?
Wolf: Sehr dicht.
Und der kommt dann aus welcher Region?
Wolf: Europa und Asien. Im Pkw- und Lkw-Bereich.
Sind Sie mit der staatlichen Unterstützung der Wasserstofftechnologie zufrieden?
Wolf: In Deutschland sind wir auf einem guten Weg. Die Bundesregierung hat neun Milliarden Euro bereitgestellt, um die Wasserstofftechnologie auszubauen. Jetzt geht es darum, flächendeckend eine Wasserstoffinfrastruktur zu installieren, damit das entsprechende Tankstellennetz bereit steht, wenn die Technologie Fahrt aufnimmt. Denn das Problem bei der batterieelektrischen Mobilität in Deutschland ist, dass es bei der Ladeinfrastruktur zu viele weiße Flecken gibt. Viele Leute kaufen sich kein batterieelektrisches Fahrzeuge, weil sie es nicht laden können. Das ist ja der große Vorteil der Wasserstofftechnologie, weil sich in jede bestehende Tankstelle eine Zapfsäule für Wasserstoff integrieren lässt. Das ist viel einfacher, als in Europa eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufzubauen.
Favre: In Frankreich sieht es ähnlich aus. Hier hat die Regierung entschieden, sieben Milliarden Euro in den Ausbau der Wasserstofftechnologie zu investieren. Auch ich finde es sehr wichtig, möglichst schnell eine Wasserstoffinfrastruktur zu schaffen.
Welche Investitionen planen Sie?
Favre: Wenn wir über das Gesamtsystem mit Tanks, Brennstoffzellenstacks und das Managen des Gesamtsystems reden, werden wir in den nächsten Jahren jährlich rund 100 Millionen Euro investieren. Unser Ziel bei Plastic Omnium ist es, im Jahr 2030 rund drei Milliarden Euro Umsatz mit dem Gesamtsystem zu erzielen.
Wolf: Weitere Investitionen hängen auch von zusätzlichen Projekten ab. Im Moment ist die Projekt-Pipeline gut gefüllt. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren bereits einen dreistelligen Millionenbetrag in die Entwicklung der Brennstoffzelle investiert. Und wir sind bereit für weitere Investitionen.
Woher sollen Ihre Kunden kommen?
Wolf: Derzeit sehen wir die Schwerpunkte in Europa und Asien, aber wir sind grundsätzlich flexibel.
Favre: Wir haben einen globalen Footprint. Wenn gewünscht, können wir auch Kapazitäten in den USA aufbauen. Letztlich gehen wir dorthin, wo die Kunden uns brauchen.
Ihr Joint Venture soll 2030 einen Marktanteil von 10 bis 15 Prozent erreichen. Wie groß wird der Gesamtmarkt dann sein?
Wolf: Das ist schwierig zu sagen. Es gibt Länder sowie bestehende und potenzielle Kunden, die voll auf das Thema Brennstoffzelle setzen. Ein koreanischer Hersteller will beispielsweise im Jahr 2030 eine halbe Million Brennstoffzellenfahrzeuge verkaufen. Auch die japanischen Hersteller setzen sehr stark auf die Technologie. Wenn man sich den jüngsten Fünf-Jahres-Plan aus China anschaut, ist ein drastischer Wandel von der batterieelektrischen hin zur Brennstoffzellentechnologie erkennbar. Wenn das Thema Brennstoffzelle eine noch größere Dynamik bekommt, als es das heute schon hat, werden die Stückzahlen nochmal deutlich nach oben gehen.
Müssten Sie Ihr Zentrum für die Brennstoffzellentechnologie dann nicht in Asien haben?
Favre: Wir sind in Asien schon sehr präsent. Plastic Omnium hat dort mehr als 40 Werke. Im chinesischen Wuhan haben wir ein Zentrum für Forschung und Entwicklung im Bereich der Wasserstofftechnologie. Auch unser Joint Venture soll in China wachsen und wir wollen dort Know-how aufbauen. Aber das Zentrum von EKPO ist natürlich in Deutschland.
Wolf: Die Corona-Krise hat uns auch gezeigt, dass die digitale Vernetzung so weit vorangeschritten ist, dass es heute nicht mehr so wichtig ist, wo das Unternehmen seinen Sitz und wo die Entwicklungsingenieure ihre Arbeitsplatz haben. Die Mitarbeiter sind in der Regel auch bereit, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, so dass sich das Thema Zeitverschiebung relativiert hat.
Wie sehen Sie die Zukunft des Verbrennungsmotors?
Wolf: Es wird keine neuen Entwicklungen für Verbrennungsmotoren mehr im großen Stil geben, sondern nur noch Optimierungen und Weiterentwicklungen. Es gibt jetzt die Initiative von neun Staaten auf EU-Ebene, die den Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2030 verbieten wollen. Das halte ich für den absoluten Wahnsinn. Die meisten der Länder haben nichts mit dem Auto am Hut und verfügen über keine Autoindustrie.
Welche Folgen befürchten Sie?
Wolf: Wenn sich das auf EU-Ebene durchsetzt, wird unsere Industrie dramatisch getroffen. Darüber muss man sich im Klaren sein. Das würde einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen und einen massiven Verlust von Wohlstand bedeuten. Dann müssten wir als Unternehmen auch überlegen, ob wir uns stärker in Regionen entwickeln, wo es dann noch Verbrennungsmotoren gibt. Die US-Politik würde niemals so systemrelevante Unternehmen wie General Motors oder Ford so ins Mark treffen, wie das auf EU-Ebene gerade ideologisch stattfindet.
Welchen Zeitraum halten Sie für ein Verbot des Verbrenners für realistisch?
Wolf: Ich sehe das zwischen 2040 und 2045.
Favre: Ich glaube, Euro 7 bedeutet den Tod von Verbrennungsmotoren, die nicht hybridisiert sind. Für die verschiedenen Formen der Hybride wird es noch eine längere Zukunft geben. Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2030 noch rund 60 Prozent der Fahrzeuge in Europa einen Verbrennungsmotor an Bord haben werden. Vor allem in Hybridfahrzeugen. Der Diesel dürfte dann keine Zukunft mehr haben. Das heißt, 40 Prozent der Fahrzeuge, die 2030 in Europa gebaut werden, haben keinen Verbrennungsmotor mehr.
Wolf: Was mich an dem Euro 7 Thema ärgert, ist die fehlende Offenheit. Wenn die EU den Verbrennungsmotor verbieten will, dann sollen sie es bitte offen sagen. So aber stehen diese Aggregate vor dem Aus, weil die Grenzwerte hinten herum zu einem Verbot führen.
Wie weit sind Ihre Unternehmen von der Chipproblematik betroffen und wann erwarten Sie eine Erholung?
Favre: Wir sind bei Plastic Omnium nur indirekt betroffen, weil unsere Kunden die Produktion ihrer Fahrzeuge stoppen. Das wird sich sicher noch bis Ende des Jahres hinziehen. Im zweiten Quartal wird es voraussichtlich noch massiv die Produktion betreffen.
Wolf: Wir sind auch nicht direkt betroffen. Wir verbauen in unseren Teilen auch keine Speicherchips. Wir sehen aber auch, dass die Fahrzeughersteller teilweise Verschiebungen bei den Modellen vornehmen. Die Chips werden eher in den margenstarken Fahrzeugen verbaut. Bei kleineren und mittleren Fahrzeugen werden die Lieferzeiten länger, bei den größeren Fahrzeugen mit den höheren Margen bleiben die Lieferzeiten gleich. Eine Waferfabrik braucht eine konstante Auslastung, damit die vernünftig läuft. Wenn so eine Fabrik hoch- und runtergefahren wird, kostet das sehr viel Geld. Ursache dafür ist, dass man bei zurückgehenden Umsätzen die Abnahmevolumen verringert hat und die Verantwortung dann auf die Zulieferer verschoben hat. Wenn man den Waferfabriken feste Kontingente zusagt und die Fahrzeughersteller letztlich auch das Risiko übernehmen, ist das Problem gelöst. Die Unterhaltungselektronik und der IT-Bereich nehmen im Gegensatz dazu konstant gleich bleibende Mengen ab.
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