Herr Koller, Sie wollen Faurecia zum weltweit führenden Anbieter im Bereich Brennstoffzelle machen. Wie wollen Sie das erreichen?
Wir sind jetzt schon eines der ganz wenigen Unternehmen, die das gesamte System anbieten können. Und nur wenige Zulieferer sind in der Lage, die Technologie auch zu industrialisieren. Derzeit ist es am wichtigsten, auf Stückzahlen zu kommen, um die Kosten zu senken.
Wollen Sie nur im Mobility-Bereich aktiv werden oder auch in anderen Industrien?
Wir konzentrieren uns mit unserem Wasserstoffportfolio im weitesten Sinne auf Anwendungen im On- und Off-Road-Bereich, in der Schifffahrt und für Schienenfahrzeuge.
Welche Rolle spielt in Ihrer Strategie das im Sommer in französischen Bavans eröffnete Kompetenzzentrum für Wasserstoff-Speichersysteme?
Das Kompetenzzentrum in Bavans konzentriert sich auf die Entwicklung von leichten und kosteneffizienten Wasserstoff-Speichersystemen. Es ist das einzige dieser Art in Europa. Die Ingenieure und Techniker vor Ort haben die Fähigkeiten, Speichersysteme zu entwerfen und zu testen sowie Prototypen zu produzieren, die genau auf die Kundenanforderungen zugeschnitten sind. Wir sind dort auch in der Lage, neue industrielle Prozesse zu entwickeln, mit denen wir unsere Produktion beschleunigen. Für die Entwicklung des Stacks wollen wir uns in Lyon ansiedeln. Dort wollen wir künftig nicht nur mit unserem Partner Michelin zusammenarbeiten, sondern hier sollen auch unsere Lieferanten sowie Forschungseinrichtungen Platz finden.
Wollen Sie Ihr Joint Venture Symbio mit Michelin weiter ausbauen?
Symbio ist gut positioniert, um ein Katalysator für die groß angelegte Einführung der Wasserstoffmobilität zu werden, und das Unternehmen profitiert von den komplementären Stärken von Faurecia und Michelin. Generell sind wir nicht auf der Suche nach weiteren Joint-Venture-Partnern, sondern nach Firmen, mit denen wir auf technischer Seite zusammenarbeiten können.
Wie schätzen Sie die Chancen für die Wasserstofftechnologie im Bereich Pkw ein?
Sehr gut, es ist jedoch zeitlich schwer zu prognostizieren, wann es zum Durchbruch kommt. Wir rechnen damit, dass bis 2030 weltweit rund 30 Prozent der produzierten Fahrzeuge vollelektrisch sein werden. Von diesen 30 Prozent wird wiederum ein Sechstel der Fahrzeuge über einen Wasserstoffantrieb verfügen, also insgesamt drei bis fünf Millionen Fahrzeuge. Davon werden 50 Prozent leichte Nutzfahrzeuge sein, wie man sie im Lieferverkehr findet, 20 Prozent Lkw zwischen 16 Tonnen und 44 Tonnen sowie 30 Prozent Lkw, hauptsächlich SUVs und US-Light Trucks. Allerdings wird die Wasserstofftechnologie zunächst im Schwerlast-Bereich eingesetzt, weil batterieelektrische Lösungen dort nicht funktionieren. Wir haben uns einen Lkw-Antrieb mit einer Leistung von 480 PS angeschaut. Dafür würden Batterien mit einem Gewicht von 6,6 Tonnen benötigt. Für einen Wasserstoffantrieb mit vergleichbarer Leistung und Reichweite würde das Gewicht bei höchstens 1,5 Tonnen liegen.
Sind die Kosten das größte Problem für die Verbreitung der Wasserstofftechnologie?
Die Verbreitung der Wasserstofftechnologie wird durch die Wettbewerbsfähigkeit des Wasserstoffantriebs im Vergleich zu konkurrierenden Antriebstechnologien vorangetrieben werden. Aufgrund seiner Autonomie, Nutzlast und schnellen Betankungsleistung wird Wasserstoff für viele Segmente, wie zum Beispiel große Lastwagen und andere intensiv genutzte Fahrzeuge, die einzige tatsächliche Nullemissionslösung sein. Durch Innovation, technische Optimierung und Skalierung werden die Kosten von Brennstoffzellensystemen weiter drastisch sinken. Unser Ziel ist es, bis 2030 die Kosten für Wasserstoffspeichersysteme auf ein Viertel und für Stacks und andere Komponenten auf weniger als ein Sechstel zu reduzieren.
Wie viel Geld hat Faurecia bereits in die Wasserstofftechnologie gesteckt und welche Investitionen planen Sie noch?
Wir haben bislang ungefähr 200 Millionen Euro in Entwicklung, Partnerschaften und Zukäufe investiert. Pro Jahr sollen zwischen 50 und 60 Millionen Euro hinzukommen. Vor allem sind wir zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen, um eine Führungsrolle im Bereich der Wasserstoff-Technologien einzunehmen.
In Frankreich und Deutschland wird die Wasserstofftechnologie stark gefördert. Haben sich daraus schon Aufträge für Faurecia ergeben?
Ja, wir haben bereits Aufträge von europäischen und asiatischen Herstellern erhalten. Ich kann Ihnen zwei Beispiele nennen, die zeigen, dass Wasserstoffsysteme perfekt für den kommerziellen Einsatz geeignet sind. Faurecia wird für Hyundai über einen Zeitraum von vier Jahren ab 2021 rund 1600 schwere Lkw ausrüsten - das entspricht etwa 10.000 Wasserstoff-Speichersystemen -, die anschließend an Hyundai Hydrogen Mobility in der Schweiz geliefert werden. Im Jahr 2023 werden wir außerdem die Wasserstoffsysteme für die PSA-Gruppe und eine Flotte von Nutzfahrzeugen liefern. Symbio, unser Joint Venture mit Michelin, wird die Brennstoffzellen-Stacksysteme herstellen.
Ford will die Türen-Produktion für das Modell Fiesta wieder ins Unternehmen holen. Dadurch könnten in Ihrem Kölner Werk 400 Arbeitsplätze entfallen. Wie geht es in Köln weiter?
Wir wollen uns mit Ford gemeinsam anschauen wie eine partielle Integration der Türenfertigung ausschauen könnte. Wir haben mit unserem Kunden auch vereinbart, dass wir uns für eine Lösung Zeit lassen wollen. Ford wird keine endgültige Entscheidung vor Januar 2021 treffen wie es mit der Türenfertigung weitergeht. Jetzt schauen wir uns zunächst die verschiedenen Optionen an, wie eine intelligente Zusammenarbeit aussehen könnte.
Sehen Sie generell einen Trend, dass die Fahrzeughersteller wieder mehr Inhouse fertigen wollen?
Nein, das sehe ich nicht. Ganz im Gegenteil, ich kenne Fahrzeughersteller, die den gegenteiligen Weg gehen und Umfänge an Zulieferer auslagern. Angesichts der großen Investitionen, die Hersteller in neue Technologien machen müssen, schauen sie sich zunehmend nach globalen Zulieferern um, die sie unterstützen.
Bei Faurecia hat sich das dritte Quartal besser entwickelt als ursprünglich angenommen. Worauf führen Sie das zurück?
Vor allem der chinesische Markt hat sich gut entwickelt und scheint robust zu sein. China hat die Covid-Problematik hinter sich gelassen. Auch In Nordamerika funktioniert der Markt recht gut. Aber wir müssen bezüglich der Covid-19-Situation wachsam bleiben.
Sie arbeiten mit ZF im Bereich Cockpit für vollautomatisierte Fahrzeuge zusammen. Was ist aus dieser Zusammenarbeit geworden?
Auf jeden Fall kann man von einer sehr erfolgreichen Zusammenarbeit sprechen. Wir haben gezeigt, dass sich die Systeme der beiden Unternehmen integrieren lassen und halten gemeinsam mehr als 13 Patente in diesem Bereich, 30 weitere sind gerade im Anmeldeverfahren. Jetzt sind wir in der Phase, wo wir diese Innovationen gemeinsam verkaufen wollen.
Will Faurecia mittelfristig mehr in Richtung System- oder Komponentenanbieter gehen?
Wir sind schon immer ein Modul- und Systemlieferant gewesen. Und das wird auch so bleiben. Im Zentrum stehen zwei Säulen. Das eine ist das Cockpit der Zukunft, das andere ist das Thema Clean Mobility. Beide Bereiche wollen wir ausbauen und unseren Wertanteil pro Fahrzeug erhöhen. Zudem rechnen wir damit, dass die Autos wegen der zunehmenden Elektrifizierung teurer werden. Deshalb müssen wir versuchen, die Kosten bei den anderen Systemen zu senken. Ich bin mir sicher, dass es Wege gibt, um den Kunden mehr Technik für weniger Geld anbieten zu können.
Derzeit sieht man ein schnelleres Ende des Diesels. Welche Konsequenzen hat das für Ihr Geschäft mit Abgasanlagen?
Auf der Lkw-Seite wird es weiterhin Diesel geben und die müssen immer sauberer werden. Auf der anderen Seite ist bei den Pkw unser Diesel-Marktanteil schon immer gering gewesen, was uns jetzt zugute kommt. Beim Benziner ist es so, dass die Komponenten komplizierter werden, selbst wenn die Motoren kleiner werden.
Planen Sie Zukäufe?
Nach dem Spin-off werden wir mehr Freiraum haben. Ich hoffe, dass wir da auch die richtige Unterstützung von unseren künftigen Aktionären bekommen. Und wenn sich für uns Möglichkeiten auf dem Markt ergeben, werden wir uns diese auch anschauen.
Für wann wird das Spinn-off erwartet?
Für das erste, spätestens zweite Quartal 2021.
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