Wer an Audi denkt, denkt nicht zuerst an Flugtaxis. Wie ist das Projekt zustande gekommen?
Wir beschäftigen uns seit Jahren damit, wie man den Herausforderungen der urbanen Mobilität in den wachsenden Großstädten begegnen kann. Dann kam ein Kontakt zustande zwischen unserer Tochter-Firma Italdesign und Airbus, bei dem es um Flugtaxis ging. Wir waren von dem Projekt sofort begeistert: Die Arbeit an einem Flugtaxi-Konzept passt gut zu Audi. Da geht es um Technologie, Leichtbau, Elektromobilität bzw. das elektrische Fliegen, um autonomes Fahren und um Mensch-Maschine-Kommunikation.
Das bringt mich direkt zur nächsten Frage: Was steuert Audi bei?
Mit dem Pop.Up Next haben wir ein modulares Konzept vorgestellt, das Fliegen und Fahren verbindet. Ganz konkret sind wir gemeinsam mit Italdesign dabei für die Beförderungskapsel, also die Passagierkabine, und für das Auto verantwortlich, das die Passagiere auf dem Boden fährt. Es handelt sich um ein vollautonomes Elektrofahrzeug. Das Flugmodul, eine Drohne, hat wiederum unser Partner Airbus entwickelt.
Wie weit ist dieses Projekt bereits?
Mit dem modularen Konzept des Pop.Up Next arbeiten wir an der Technologie mit der höchsten Komplexität. Wir haben erste Konzepte entwickelt und 2017 und 2018 auf dem Autosalon in Genf jeweils ein Standmodell in 1:1-Größe gezeigt. Im November 2018 waren wir auf der Amsterdam Drone Week und haben einen 1:4-Demonstrator präsentiert, der erstmals live geflogen und gefahren ist. Das Fahrmodul hat die Passagier-Kapsel autonom zu einem Startpunkt für den Flug gefahren. Dort hat das Flugmodul die Kapsel aufgenommen und ist damit bis zum Landepunkt geflogen, wo ein anderes Fahrmodul die Passagier-Kapsel wieder abgeholt hat. Im nächsten Schritt wollen wir die Technologie in einem 1:1-Demonstrator umsetzen – also in einem Flugtaxi in voller Größe, das sich in der Luft und am Boden fortbewegen kann. Diesen Prototypen stellen wir voraussichtlich Ende nächsten Jahres vor. Bis solch ein modulares Flugtaxi in Serie gebaut werden kann, bei dem Passagiere ohne Umsteigen unterwegs sind, dauert es sicherlich noch sehr lange.
Daher beschäftigen wir uns parallel auch mit nicht-modularen Flugtaxi-Konzepten, bei denen Kunden vom Auto in die Drohne umsteigen. Wir gehen davon aus, dass solche Flugtaxis ab Mitte des nächsten Jahrzehnts kommerziell betrieben werden.
Wie wird das Geschäftsmodell aussehen?
Unser Ziel ist ein Mobilitäts-Service. Das Flugtaxi wird den Kunden als ein Service angeboten, sie können es pro Flug buchen und bezahlen. Um hier Erfahrungen zu sammeln, erproben wir gerade gemeinsam mit der Airbus-Tochter Voom einen Helikopter-Shuttle-Service in Sao Paolo und Mexico-City. Wir holen die Kunden in Audi-Modellen zuhause ab und fahren sie zu einem Heliport. Vom Heliport aus fliegen die Kunden dann mit einem Helikopter von Voom zu einem anderen Flugplatz. Dort werden sie wieder mit einem Audi abgeholt und zu ihrem Ziel gefahren. Damit simulieren wir heute das künftige Geschäftsmodell, nur mit einer anderen Technik. Es geht uns darum, zu lernen, wie wir hier am besten auf die Kundenwünsche eingehen.
Seit wann?
Seit Ende 2018.
Wie wird es angenommen?
Wir haben die Erprobungsphase erst vor Kurzem gestartet, daher sind die Flugbewegungen noch zu gering, als dass man wirklich eine Aussage dazu treffen kann. Im Fokus steht für uns hier die frühzeitige Erprobung eines künftigen Flugtaxi-Geschäftsmodells. Der direkte Kontakt zu Kunden und ihr Feedback sind für uns enorm wichtig, damit wir unsere künftigen Angebote nach ihren Bedürfnissen und Wünschen ausrichten können.
Die technischen Herausforderungen klingen überschaubar.
Aus heutiger Sicht ist die größte Herausforderung das Gewicht des Flugobjekts – in Kombination mit der dafür benötigten Leistung der Batterie, damit das Flugtaxi auch elektrisch fliegen kann.
Wie schwer soll der Pop.Up Next werden?
Beim heutigen Stand der Technologie gehen wir noch von mehr als 1,5 Tonnen aus, inklusive der Batterie und den Passagieren. Das ist noch zu viel. Deswegen wird sich die Arbeit im nächsten Jahrzehnt darauf konzentrieren, das Gewicht zu reduzieren. Die Herausforderung ist, einen geeigneten Energiespeicher zu entwickeln, der so viel Energie aufnehmen kann, dass sich ein Flugtaxi – ob modular oder nicht-modular – betreiben lässt. Dabei gilt es, die höchsten Sicherheitsstandards zu erfüllen.
Welche Energiespeicher halten Sie für wahrscheinlich?
Gemeinsam mit Airbus arbeiten wir derzeit intensiv an der Batterietechnologie. Die Frage ist, wie finden wir Energiespeicher, die einen viel höheren Leistungsinhalt haben als die heutigen. Da gibt es einige technische Ideen auf Lithium-Ionen-Basis, aber mit neuer Zell-Chemie und neuer Anodentechnik. Gleichzeitig prüfen wir auch Festkörperbatterien. Die anderen Technologien, die wir für das Flugtaxi-Konzept benötigen, sind dagegen schon sehr viel weiter fortgeschritten: Die Elektromotoren und die Steuerung des Flugmoduls stellen für die Airbus-Experten zum Beispiel keine Schwierigkeit dar. Was unsere Umfänge anbelangt, können wir die Passagier-Kapseln in Leichtbau-Bauweise gut umsetzen. Das Mensch-Maschine-Interface mit Kameraüberwachung und Sprachbedienung ist heute auch schon recht weit gediehen so wie auch die Elektromobilität und das autonome Fahren.
Wie sieht es mit den gesetzlichen Grundlagen aus? Sie waren mit dem A8 beim autonomen Fahren schon einmal weiter, als die Gesetze es erlaubt haben.
Deswegen sind wir zum Beispiel der Initiative der Stadt Ingolstadt zum Thema Urban Air Mobility beigetreten. Dort können wir am Beispiel einer deutschen, technologiebegeisterten Stadt mit anderen Stakeholdern Themen wie Überflug-, Lande- und Startgenehmigungen besprechen und neue Technologien erproben. In einigen internationalen Metropolen wäre die Nutzung von Flugtaxis schon heute deutlich leichter, da hier die notwendigen Regelungen für den Betrieb von Hubschraubern bereits etabliert sind.
Das Projekt ist ein reines Audi-Projekt ohne den VW-Konzern oder?
Ja, wir entwickeln den Pop.Up Next gemeinsam mit Airbus und Italdesign. Seitens Audi steuern unsere Expertise zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren bei. Das Projekt leitet Italdesign in unserem Auftrag, die Kollegen entwickeln auch den Aufbau der Passagier-Kapsel. Airbus ist für das Flugmodul verantwortlich.
Gibt es schon Ideen, wie das künftig mal betrieben werden soll? Werden Sie auch den Betrieb mit Airbus zusammen machen?
Es ist noch zu früh, um Ideen dazu zu kommunizieren. Der nächste Meilenstein wird das 1:1-Modell eines fliegenden und fahrenden Pop.Up Next, unser für Ende 2020 geplanter Proof of Concept. Wir gehen davon aus, dass die ersten Serien-Flugtaxis nicht-modular unterwegs sein werden. Gemeinsam mit unserem Luftfahrtpartner arbeiten wir deswegen gleichzeitig daran, wie ein Produkt der ersten Generation aussehen kann.
Herr Martens, vielen Dank für das Interview.
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